"Dezember 1845. An den Königlichen Polizeipräsidenten Herrn von Puttkammer ... Ich sehe mich veranlasst, Euer Hochwohlgeboren dies ans Herz zu legen, um möglichst die strengsten Maßnahmen zu ergreifen: Eine gewisse Asten oder Aston zieht durch ihre Verführungskünste und durch entsetzliche Ausschweifungen Männer jedes Standes und Alters nach sich! ... Kann dies Weib nicht aus Berlin verwiesen werden?"
Die 30-jährige Louise Aston erregt den Unwillen "braver" Bürgerinnen und Bürger: In Männerkleidung und öffentlich Zigarre rauchend zieht sie mit ihren demokratischen Freunden durch die Kneipen. Und sie praktiziert die freie Liebe!
"Ich nehme das Recht in Anspruch, auf "meine Façon" selig zu werden."
Louise Franziska Aston wird am 26. November 1814 in der Nähe von Halberstadt als Tochter eines evangelischen Theologen geboren. Sie ist 20 Jahre alt, als sie mit dem um vieles älteren, herrschsüchtigen britischen Fabrikanten Samuel Aston verheiratet wird, der vier uneheliche Kinder mit in die Ehe bringt. Nach zehn schrecklichen Jahren lässt sie sich scheiden und zieht nach Berlin. Es ist die Zeit des Vormärz, und Aston schließt sich den Junghegelianern um Ludwig Feuerbach an: Sie ist befreundet mit den Philosophen Edgar und Bruno Bauer, Max Stirner und dem Dichter Rudolf Gottschall, mit dem sie einige Zeit zusammenlebt. Und sie beginnt zu schreiben. In Gedichten verspottet sie ihre bigotten Denunziantinnen und verlangt die völlige Freiheit der Frau:
"Entsagen ist der Nonne Stolz und Ruhm,
Beglücken ist des Weibes Heiligthum,
Ihr wollt mühsam die Ewigkeit ergründen,
Mir lächelt sie in jedem Augenblick;
Ihr wollt das Glück in eurer Tugend finden,
Ich finde meine Tugend nur im Glück."
Beglücken ist des Weibes Heiligthum,
Ihr wollt mühsam die Ewigkeit ergründen,
Mir lächelt sie in jedem Augenblick;
Ihr wollt das Glück in eurer Tugend finden,
Ich finde meine Tugend nur im Glück."
Mit ihren radikal-demokratischen Freunden fordert sie Presse- und Meinungsfreiheit, die Abschaffung der Privilegien für Kirche und Adel, soziale Gerechtigkeit. Damit gilt Aston als "staatsgefährdende Person" und wird von der Polizei bespitzelt.
"Sie (propagiert) nun Kommunismus und Emanzipation ..."
Traum von einer gerechteren Gesellschaft
Im März 1846 erfolgt die erste Ausweisung aus Berlin. Aston reagiert mit einer fulminanten Streitschrift: "Meine Emancipation, Verweisung und Rechtfertigung" erscheint Ende 1846 in Brüssel und enthält ihr politisches Programm:
"Ich verwerfe die Ehe, weil sie zum Eigenthum macht, was nimmer Eigenthum sein kann: die freie Persönlichkeit."
Sie lehnt jegliche Religion ab. - Und:
"Wir Frauen ... verlangen ... nach der zerrissenen Charte des Himmels einen Freiheitsbrief für die Erde! Unser höchstes Recht, uns're höchste Weihe ist das Recht der freien Persönlichkeit, ... das Recht, unser eigenstes Wesen ungestört zu entwickeln, von keinem äußern Einfluß gehemmt."
Sie selbst geht beispielhaft voran: Im April 1848 nimmt sie als Krankenschwester am Verteidigungskrieg Schleswig-Holsteins gegen Dänemark teil. Zurück in Berlin gibt sie die politische Zeitschrift "Freischärler" heraus. Doch schon Ende des Jahres wird sie erneut ausgewiesen.
"Da liegt das verhängnisvolle Papier, worauf das moderne Schicksal - die Polizei - meine Ausweisung verfügt hat, und daneben eine alte Zeitung mit dem Frankfurter Beschluss: "Die Grundrechte sind garantiert, darunter die deutsche Freizügigkeit" - Je nun! Es kommt stets darauf an, was man unter einer Sache versteht. Offenbar ist die deutsche Freizügigkeit bloß darin zu suchen, dass man überall hingehen, aber nicht bleiben darf, wo man will!"
Die Reaktion hat gesiegt. Viele Revolutionäre fliehen ins Exil. Louise Aston reist nach Hamburg, und - wird ausgewiesen. Sie zieht weiter nach München, Breslau, Zürich, Paris.
1850 heiratet sie den Bremer Arzt und Demokraten Daniel Eduard Meier, den sie während des Krieges gegen Dänemark kennengelernt hatte. Wenig später wird der Krankenhausarzt aus politischen Gründen entlassen. Die Eheleute emigrieren nach Russland, wo Meier als Militärarzt arbeitet. Erst 1871 kehren sie nach Deutschland zurück und ziehen ins Allgäu. Wenig später stirbt Louise Aston im Alter von 57 Jahren. Eine Frau, die nicht nur drei Romane und etliche Gedichte über die brennenden Fragen ihrer Zeit hinterließ, und die nicht nur von einer gerechten Gesellschaft träumte, sondern stets forderte:
"Die Emanzipation der Tat soll leben!"