DLF: Herr Dr. Ludewig, die Deutsche Bahn ist nicht nur Aktiengesellschaft, sie hat sich auch mit einer Holdingstruktur ein neues zeitgemäßes Dach gegeben - ein Dach über den Aktiengesellschaften des Personen- und des Güterverkehrs. Die Bahnhöfe sind eine eigene AG, ebenso der Nahverkehr und der Fahrweg, also das Schienennetz. Wie stellt sich dieses Unternehmen derzeit dar in der zweiten Phase der Bahnreform?
Ludewig: Ja, wir haben das jetzt umgesetzt mit dieser neuen Organisationsstruktur, was im übrigen schon der Gesetzgeber bei der Bahnreform 1993 festgelegt hatte. Auf der anderen Seite sind und bleiben wir aber ein sogenanntes Verbundunternehmen. Das heißt: In der Leistungserstellung und Leistungsanbietung - weil wir alle auf dem gleichen Netz fahren - hängen die Dinge eben sehr stark voneinander ab, und deswegen muß der Gesamtzusammenhang der Gesellschaft gewahrt werden - des Unternehmens -, so daß die Gesamtverantwortung, die alle haben, dann doch darin deutlich wird. Und man erkennt es eben daran, daß die Chefs aller dieser Aktiengesellschaften im Konzernvorstand sitzen, und sie haben damit eben auch Teil an der Gesamtverantwortung für das Unternehmen und nicht nur für ihren eigenen Bereich.
DLF: Nun haben Sie selber zugegeben, daß manchmal Abstimmungsprobleme in dieser neuen Holdingstruktur dafür sorgen, daß zum Beispiel bei den Fahrplanänderungen - jetzt bei der letzten Fahrplanänderung - die Dinge nicht so laufen, wie sie hätten laufen sollen. Und die Bahn bekommt derzeit von der Bevölkerung in aktuellen Umfragen sehr schlechte Noten, das heißt, die schlechtesten Noten seit der Bahnreform. Wie können Sie sich das erklären?
Ludewig: Nun ja, Abstimmungsprobleme hat es immer gegeben. Daß der Fahrplan nicht alle Wünsche erfüllt, das hat eigentlich nichts mit der Bahnreform zu tun, das war auch früher so. Trotzdem gibt es hier sicher einige Ergänzungswünsche, und das werden wir uns auch sehr genau ansehen. Daß wir im Moment bei Umfragen nicht so gut abschneiden, das liegt ein Stück weit auf der Hand: Weil man weiß, daß die Bahn im letzten Jahr zum Teil schwierige Diskussionen und schwierige Probleme hatte - ich erinnere an das Unglück von Eschede, bis hin zu den Erpressungsversuchen, die wir beispielsweise in der Vorweihnachtszeit im letzten Jahr gehabt haben; wir hatten auch in diesem Frühjahr eine Häufung von Unfällen. Aber das sind Umfragen, die liegen mittlerweile Gott sei Dank eine gewisse Zeit zurück, und ich glaube, daß wir doch die Situation insgesamt stabilisiert haben. Was uns im Moment einige Probleme macht, ist, daß wir eine deutlich höhere - als normal - Bautätigkeit bei uns im Netz haben. Das führt natürlich auch zu gewissen Verspätungen, vor allen Dingen auch auf eng befahrenem Korridor, diesen Hauptachsen, die wir haben. Und hier setzen wir alles daran, diese Bautätigkeiten so kurz zu halten wie möglich, um dann in den nächsten Wochen auch wieder in die normale Pünktlichkeit, die wir gewohnt sind, zurückzukehren.
DLF: Bleiben wir bei den Investitionstätigkeiten der Bahn. Sie haben in dieser Woche den Investitionsplan ‚Netz 21' der Öffentlichkeit vorgestellt, nachdem der Aufsichtsrat ihn letzte Woche verabschiedet hatte: 48 Milliarden Mark bis ins Jahr 2010. Inwieweit ist das eine Trendwende in der Investitionspolitik der Deutschen Bahn? Strecken Sie sich jetzt nach der Decke?
Ludewig: Nun, das tun wir sowieso, denn das Geld ist immer knapp, und wir müssen natürlich sehen, daß wir möglichst viel für unsere Netzinfrastruktur tun. Eine Trendwende gibt es insofern, als die sehr gründlichen Überlegungen und Berechnungen, die wir dazu angestellt haben, in den letzten 15 Monaten gezeigt haben, daß die Investitionen, die wir vornehmen, vor allen Dingen in das bestehende Netz - das heißt die Stärkung seiner Leistungsfähigkeit, Lückenschlüsse, Verbesserungen und vieles andere mehr - eigentlich den wichtigsten Beitrag liefert, um die Leistungsfähigkeit der Schieneninfrastruktur in Deutschland zu verbessern. Und das zusammen, kombiniert mit etwas, was wir nennen die ‚Entmischung der Verkehre', das heißt, daß wir zwischen den wichtigen Ballungszentren in Deutschland getrennte Trassen einrichten wollen, ergänzen wollen, einmal für den schnelleren Personenverkehr und auf der anderen Seite für den langsameren Güterverkehr und Nahverkehr. Hinzu kommt eine nachhaltige Modernisierung unserer Leit- und Sicherungstechnik - Konzepte wie Funk, basierter Fahrbetrieb. Und auch hier wollen wir aus dem Betrag, den Sie genannt haben, in den kommenden zehn Jahren rd. elf Milliarden Mark investieren.
DLF: Nun hat ja die Bahn seit der Reform traditionell ein sehr hohes Verhältnis von Investitionen zu Umsätzen bzw. auch zu Erträgen. Wie muß man sich das in der Relation jetzt vorstellen? Dieses Projekt Netz 21 - ist das tatsächlich ein Runterfahren der Investitionen oder nur eine Schwerpunktverlegung?
Ludewig: Nein, im Gegenteil. Das ist eine Verstetigung auf hohem Niveau - erst mal, was die Gesamtbeträge betrifft. Wir gehen schon davon aus, daß die Beträge, die aus dem Bundeshaushalt für Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden, auf hohem Niveau gehalten werden können. Hinzu kommen Eigenbeiträge der Bahn, die wir selber beisteuern, so daß wir für die kommenden zehn Jahre von Beträgen zwischen acht und neun Milliarden Mark hier ausgehen. Aber innerhalb dieses Betrages verschieben sich - wie gesagt - die Prioritäten, hin zur Stärkung und Erhöhung der Leistungsfähigkeit des bestehenden Netzes. Große Projekte - auch kleinere -, die sich bereits im Bau befinden, werden zu Ende geführt, Beispiel die Neubaustrecke von Köln in das Rhein-Main-Gebiet.
DLF: Wenn wir nun diese großen Prestigeprojekte, die Sie angesprochen haben - also gerade die Schnellbahnstrecke zwischen Köln und Frankfurt, die ja nun fertig gebaut wird -, wenn wir das aber mal außen vorlassen, dann ist das, was im ‚Netz 21' vorgestellt wird, von der Tendenz ja ähnlich dem, was Kritiker der früheren Bahnpolitik immer vorgeschlagen haben. Ich erinnere an ‚Pro Bahn' oder auch das VCD des Verkehrsclub Deutschlands, die Ihnen ja sozusagen jetzt an sich zustimmen für das, was die Bahn vor hat. Ist das auch ein Tribut an die Kritiker der Vergangenheit?
Ludewig: Also, eigentlich nicht. Ich meine, über Zustimmung freut man sich immer, das ist klar. Aber dieses ist schon das Ergebnis eines sehr sorgfältigen Nachdenkens bei der Bahn selbst, ganz unabhängig von dem, was andere außerhalb der Bahn schon immer für richtig gehalten haben. Als ich zur Bahn gekommen bin - das war ja im Sommer 1997 -, und im Herbst 1997, nachdem man dann sich ein bißchen in diese Dinge hineingefunden hat, habe ich damals gesagt: Diese enormen Beträge, die wir Jahr für Jahr investieren - acht bis neun Milliarden -: Es muß klar sein für die längere Frist, nach welchem Gesamtkonzept wir eigentlich diese enormen Summen investieren - von ja immerhin knapp 40.000 km. Das ist eine große Verantwortung mit Simulationsmodellen, und zwar eben nicht nur für Teilaspekte, sondern für das Netz insgesamt. Und das, was ich beschrieben habe, ist das Ergebnis einer Arbeit, die nun vor fast eineinhalb Jahren begonnen hat. Also, wir haben uns das nicht leicht gemacht. Das Ergebnis ist so wie es ist, gut - es ist immer im Leben so. Einige fühlen sich bestätigt, die haben es ja immer schon gewußt. Und andere sind vielleicht etwas enttäuscht. Aber wichtig ist ja, daß das Konzept, was rausgekommen ist, nachvollziehbar ist. Bestimmte große Projekte können wir zur Zeit nicht für den Start freigeben, weil dafür eben die Mittel in dieser Form und in der Prioritätensetzung nicht vorhanden sind. Ich habe nicht gesagt: ‚Das machen wir nie', aber im Moment geht es nicht. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt. Und wir verbauen auch hier nichts für die Zukunft.
DLF: Die Ertragslage der Bahn wird schwierig werden, wenn die öffentlichen Zuschüsse im Jahre 2002 gestoppt werden. Sie haben selber gesagt: Es muß an die drei Milliarden rangehen. Das sind ja nun Zahlen, die - gerade im Angesicht der derzeitigen Ertragslage - sehr, sehr anspruchsvoll sind.
Ludewig: Die sind anspruchsvoll. Die Bahn ist ja - was vielen in der Öffentlichkeit gar nicht so bewußt ist - nach der Bahnreform mit einem hohen Subventionszuschuß zunächst einmal ausgestattet worden, Größenordnung über 6 Milliarden Mark pro Jahr. Es ist aber damals schon festgelegt worden, daß dieser Zuschuß Jahr für Jahr nach festgelegten Beträgen reduziert wird. Aber gerade im letzten Jahr - was ja in vieler Hinsicht gerade durch den Unfall in Eschede und im Gefolge davon für die Bahn ein sehr schwieriges Jahr war - hat die Bahn gezeigt, daß sie dieses Problem bewältigen kann. Die Bahn hat im letzten Jahr ihr wirtschaftliches Ergebnis insgesamt um rd. 1 Milliarde Mark verbessert. Und das ist unser Ziel, dies fortzusetzen. In den kommenden Jahren - wie gesagt, bis zum Ende des Jahres 2002, das sind noch 3 ½ Jahre - müssen wir um über 3 Milliarden besser werden, nur um diese staatlichen Zuschüsse, die dann nicht mehr da sind, zu kompensieren. Hinzu kommt noch eine steigende Abschreibungsbelastung aus der Modernisierung von Fahrzeugpark, von Informationssystemen usw., also eine große Belastung, die vielleicht - wenn Sie sich mal in Deutschland umgucken und auch mit anderen Unternehmen vergleichen - ein bißchen ihresgleichen sucht. Und die große Leistung der Eisenbahner liegt eigentlich darin, daß sie das im wesentlichen in den letzten Jahren geschafft haben. Und wenn man sich damit - so wie ich, wenn man von draußen reinkommt - zwei Jahre beschäftigt hat und dann sieht, was hier geleistet worden ist, dann schöpfe ich daraus eigentlich auch die Zuversicht, daß wir die noch ausstehenden Aufgaben eben auch mit dem gleichen Erfolg, der gleichen Beharrlichkeit und Konsequenz in den kommenden 3 ½ Jahren bewältigen können.
DLF: Zwei Punkte, die die Beträge verbessern, wären zum Beispiel die Fahrpreise zu erhöhen und weiter Personal abzubauen. Gibt es zu diesen beiden Punkten, die die Menschen bestimmt sehr interessieren, Dinge zu erzählen?
Ludewig: Ja, man muß sehen, daß die Verbesserungen, die wir erreicht haben in den zurückliegenden Jahren, natürlich durch Verbesserungen unserer internen Abläufe, der internen Prozesse bei der Bahn, der Produktivitätssteigerung, der Steigerung unserer Leistungsfähigkeit, auch natürlich in Verbindung mit einem beachtlichen Personalabbau, über die Bühne gegangen sind. Alle wissen bei der Bahn, daß sich diese Fortschritte, die wir noch erreichen müssen in den kommenden Jahren, nicht alleine auf der Kostenseite erreichen lassen. Das heißt: Wir müssen wohl weiter besser werden, Produktivität steigern, Leistungsfähigkeit steigern, das ist ganz klar, aber wir müssen auch am Markt erfolgreicher werden, wir müssen mehr verkaufen - über das, was bisher geleistet worden ist, hinaus. Wenn Sie mal sehen: Die Bahn ist eine der meistbesuchtesten Adressen im Internet, die es in Deutschland überhaupt gibt. Ich glaube, wir sind an Stelle Nummer drei - mit einer erheblichen und dynamischen Steigerung. Wenn man dies zum Beispiel daran anknüpfen kann und daraus nicht nur Informationsvorgänge, sondern auch Verkaufsvorgänge - wenigstens einen Teil davon - machen kann, dann erreichen wir genau damit Leute und Mitbürger, die wir bisher noch nie erreicht haben. Wie können wir im Marketing erfolgreicher sein, wie erreichen wir Kundengruppen, die wir bisher nicht erreicht haben? - und nicht nur die Fragen: Wie ersparen wir Kosten und wie sparen wir Personal ein?
DLF: Nochmal nachgefragt: Werden die Preise der Deutschen Bahn weiter stärker steigen als die Inflation zum Beispiel, also stärker als die Preise im Rest des Landes, auch für Verkehrsleistungen? Und noch einmal nachgefragt - nach der Personalentwicklung.
Ludewig: Also, ich habe immer darauf geachtet, daß wir genau hier also nun nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, denn man kann seine Ertragsprobleme eben nicht über Preiserhöhungen lösen, sondern es müssen Angebotsverbesserungen dahinterstehen. Wir haben ja ein sehr - man muß zugeben - altmodisches System. Wir haben außer dem ICE in allen übrigen Bereichen sogenannte feste Kilometerpreise. Das macht natürlich nicht sehr viel Sinn, sondern man muß Angebot und Nachfrage sehr genau sich ansehen, auch die Qualität unseres Angebotes, was für Züge fahren da, wie schnell fahren sie, wie sind die Reisezeiten und anderes mehr. Und ein solches Preis- und Erlösmanagement, wie es eigentlich alle modernen Dienstleistungsunternehmen heute haben, das sind wir gerade erst - leider mit erheblichem Zeitverzug - dabei, zu entwickeln. Wir werden also zum Beispiel ab Anfang nächsten Jahres generell - nicht nur beim ICE, auch sonst - sogenannte Lokopreise einführen. Das heißt, Preise eben zwischen zwei Städten, zwischen zwei Orten - also Verbindungspreise sozusagen. Und das wird auch variieren, zum Beispiel auch entsprechend der Auslastung und das kann auch variieren im Tagesverlauf.
DLF: Sie haben infolge des Unglücks in Eschede den Personalabbau gestoppt in einigen Bereichen - oder sagen wir mal etwas abgefedert. Wird es dabei bleiben?
Ludewig: Also, wir haben nicht im Gefolge von Eschede in bestimmten Bereichen gesagt oder auch generell: Wir stoppen jetzt den Personalabbau. Sondern wir haben gesagt: Man muß sich das, was man in diesem Bereich tut, sehr genau ansehen, vor allen Dingen natürlich dort, wo es sich um sogenannte betrieblich sensible Bereiche handelt, also die mit Sicherheitsdingen mehr zu tun haben als andere Bereiche. Und das haben wir auch getan. Es ist klar, daß nach Eschede hier die Aufmerksamkeit aller Mitarbeiter der Bahn noch einmal deutlich geschärft worden ist. Und wenn Sie mal unsere aktuelle Lage sich angucken - auch die Bautätigkeit im Netz, die hängt nicht zuletzt auch damit zusammen -, dann werden Sie feststellen, daß sicher auf alle Dinge, die da sind, die irgend etwas mit Sicherheit vielleicht im Entferntesten zu tun haben könnten, sehr genau also geachtet wird und immer lieber etwas mehr getan wird, als etwas zu wenig getan wird. Sicherheit ist etwas, was bei uns ganz oben auf der Tagesordnung steht.
DLF: Aber der angedachte Personalabbau läuft nach Plan?
Ludewig: Nein, dazu ist zu sagen und ich habe es früher schon deutlich gesagt: Es gibt in dem Sinne bei uns keine Personalabbauziele, sondern die Personalentwicklung - sage ich mal etwas neutraler - hängt von dem geschäftlichen Erfolg ab, den wir erzielen. Wenn wir mehr Leute transportieren können, können wir auch mehr Leute beschäftigen; wenn weniger, können wir auch weniger beschäftigen. Das ist bei allen Unternehmen so, und genau so ist es auch bei uns. Die Mitarbeiter, ihre Erfahrung mit der Bahn - was sie einbringen - ist ja eigentlich der wertvollste Aktivposten, den wir haben. Und ich denke mir, daß man immer gut beraten ist, wenn man sich diese Dinge doch auch mit einer gewissen Nachdenklichkeit ansieht, überprüft und dann überlegt, welche Schlußfolgerung man daraus zieht.
DLF: Die Bahn - ein gutes Jahr nach Eschede: Das trifft die Sache wahrlich nicht. Es war kein gutes Jahr. Eine Unfallserie schloß sich an - bis zur Einsetzung von Expertenkommissionen in diesem Frühjahr. DER SPIEGEL hat getitelt - und ich glaube, da haben die Kollegen die Befindlichkeit in Deutschland sehr gut getroffen -: "Eschede - die deutsche Titanic". Sie haben sich für Fehler entschuldigt auf dem Trauergottesdienst. Dennoch schlugen die Emotionen hoch, bis hin zur Forderung nach dem Rücktritt der Unternehmensleitung. Kann das auch an der Tatsache liegen, daß auf der einen Seite die Ursachenforschung ihre Ergebnisse fast vollständig darlegen kann, das gleiche gilt aber nicht für personelle Konsequenzen im Unternehmen - und vor allem nicht für Konsequenzen der Staatsanwaltschaft?
Ludewig: Also ich glaube, daß man das ganz so, wie Sie es dargestellt haben, nicht darstellen kann. Ich bin ja in Eschede gewesen an diesem Jahrestag. Ich habe auch vorher einige dieser Familien besuchen können. Man kann nicht sagen, daß die Emotionen hier eine unerwartet große Rolle gespielt haben. Im Gegenteil. Ich war eigentlich überrascht, mit welcher Offenheit eigentlich die Menschen, die ja von diesem Unfall nun wirklich persönlich betroffen worden sind - als Angehörige, als Hinterbliebene, auch als Verletzte -, doch bereit waren, zum Teil sogar interessiert, das Gespräch mit der Bahn zu suchen. Umgekehrt war es für uns selbstverständlich - obwohl das, wie man sich leicht vorstellen kann. es keine sehr angenehme Situation ist, die man sich wünscht - daß wir uns diesem Gespräch stellen. Deswegen sind wir mit mehreren Vorstandsmitgliedern bei diesem Jahrestag gewesen. Wir verdrängen auch Eschede nicht, sondern ich habe immer wieder gesagt - zuletzt auch in der Aufsichtsratssitzung -: Eschede ist ein Teil der Bahngeschichte. Wir leben damit, und das wird uns auch viele Jahre hinaus begleiten, gerade auch die Begleitung der Hinterbliebenen und Verletzten. Und wir setzen alles daran, um das, was man eben tun kann heute, um diese Schwierigkeiten zu mildern irgendwie - daß wir das auch tun. Das hat bei uns wirklich einen hohen Stellenwert. Und das wird nicht nur heute sein, sondern das wird uns noch auf eine ganze Zeit hinaus begleiten. Das ist der eine Punkt. Und der andere Punkt sind die technischen Konsequenzen. Wir haben uns sehr systematisch mit dem technischen System Bahn und seiner Sicherheit beschäftigt, nicht nur punktuell, was jetzt Radreifen und andere Dinge betrifft, sondern generell, auch unter Beteiligung Dritter. Wir machen das sehr systematisch. Und ich habe bei der Pressekonferenz ja - einen Monat vor dem Jahrestag, am 3. Mai - eine ganze Reihe von Maßnahmen bekanntgegeben, die wir ergriffen haben. Wir haben auch sicher im personellen Bereich hier Veränderungen vorgenommen, aber es ist verständlich, daß das Dinge sind, die die Bahn intern abhandelt, denn Sie wissen, daß gleichzeitig die Staatsanwaltschaft ja ihre Ermittlungen führt. Wir haben hier auch eine Fürsorgepflicht gegenüber unseren Mitarbeitern, und insofern müssen wir abwarten, was sich hier in dieser Hinsicht aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergibt.
DLF: Zum Thema ‚Transrapid'. Der Bundesverkehrsminister spricht von einer ‚Entscheidung noch in diesem Jahr'. Das Projekt wird ‚in der deutschen Presse totgeschrieben' - so die Vorwürfe der Befürworter des Transrapid. Es gibt aber auch keine Anhaltspunkte dafür, daß sich bei einer miliardenschweren Unterfinanzierung der Trasse und bei deutlich runtergenommenen Schätzungen des Verkehrsaufkommens zwischen Hamburg und Berlin die Magnetschwebebahn noch darstellen läßt. Ich behaupte jetzt einfach mal: Wenn Sie schon an der Börse wären - was irgendwann mal angesagt ist -, dann würden die Kurse der Deutschen Bahn AG in der jetzigen Diskussion um diese Milliardenlasten, die auf Sie zukommen könnten, nach unten gehen.
Ludewig: Oder auch nicht. Das hängt davon ab, welche Chancen und Perspektiven man in diesem Projekt sieht. Viele Leute vergessen eigentlich, daß es bei diesem - wie bei jedem - wirtschaftlichen Vorhaben Risiken gibt, aber es gibt natürlich auch Chancen. Es ist durchaus möglich, daß deutlich mehr Fahrgäste sich einfinden und mit diesem in der Welt einmaligen System fahren wollen. Das kann man überhaupt nicht ausschließen. Im Gegenteil. Trotzdem müssen wir natürlich gucken - wie gehen wir verantwortlich damit um, auch vor dem Hintergrund jüngster Prognosen - die übrigens gar nicht so jung sind, sondern die wir schon einige Zeit haben. Ich weiß auch gar nicht, wer das in der Presse noch einmal hochgebracht hat. Diese Zahlen sind gar nicht neu, damit haben wir uns seit einiger Zeit auseinandergesetzt, auch die Wirtschaftlichkeitsberechnung überprüft. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen - das haben wir auch im Aufsichtsrat vorgetragen -, daß dieses, was den Betrieb betrifft - also Kosten und Erlöse -, daß dies aus unserer Sicht darstellbar ist, unternehmerisch verantwortbar ist. Die Frage, die im Moment offen ist, ist die Frage des Fahrweges und seiner Finanzierung, weil die Bundesregierung gesagt hat: 6,1 Milliarden - und mehr könne sie nicht zur Verfügung stellen. Es wird jetzt überlegt: Kann man die verbleibende Differenz mit anderen Finanzierungsinstrumenten decken, gibt es hier noch andere Möglichkeiten? Dies wird intensiv geprüft, daran beteiligen wir uns. Und davon wird abhängen, ob dieses Projekt im Endergebnis realisiert werden kann oder nicht.
DLF: Wenn Sie nun dabei sind, zum Beispiel mit Hilfe der Kreditanstalt für Wiederaufbau Lösungsmöglichkeiten zu suchen, dann landet dieses Risiko ja wieder beim Steuerzahler.
Ludewig: Nein, das kann man so nicht sagen. Also, erst mal haben wir mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau diese Prüfung nicht durchgeführt. Wir haben erst einmal unseren eigenen Sachverstand bemüht und haben auch mit den Kollegen von der Industrie, die hier an dem Projekt beteiligt sind, Gespräche geführt. Das möchte ich hier jetzt in der Öffentlichkeit noch nicht ausbreiten, sonst wird das auch - wie Sie schon mal gesagt haben - eher wieder totgeredet, bevor es überhaupt so richtig begonnen hat. Aber ich denke mir: Es gibt hier vielleicht Möglichkeiten, die es lohnend erscheinen lassen, dies dort intensiver und genauer zu untersuchen. Und ich gehe davon aus, wie Bundesminister Müntefering gesagt hat, daß in diesem zweiten Halbjahr 99 wir zum Abschluß kommen und auch eine definitive Entscheidung getroffen werden kann. Ich glaube auch, daß man über diesen Zeitraum hinaus dieses Projekt nicht in der Schwebe halten kann.
DLF: Das Zusammengehen der DB Cargo mit dem Frachtbereich der niederländischen Staatsbahn ist beschlossene Sache. Es kommt Phantasie in den Markt, auch bei den starren Strukturen der Bahn in Europa. Und inzwischen ist es so weit, das muß man sagen, daß der Vorstandschef der Deutschen Bahn AG eine Auslandsreise macht - in diesem Fall nach Prag -, und die Fusionsphantasien die sprießen so, als ob Sie ein Luftfahrtunternehmen leiten würden, eine Bank oder ein Automobilunternehmen. Das ist doch eigentlich ein sehr schönes Zeichen.
Ludewig: Richtig, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie das so formuliert haben, ich hätte das schöner gar nicht formulieren können. Es ist richtig. Das kommt aber einfach aus der ganz simplen Grunderkenntnis - übrigens auch erstaunlich für mich, wenn man so zwei Jahre bei der Bahn ist, daß das früher die Bahn noch nicht viel intensiver beschäftigt hat -: Die Stärke der Bahn, gerade im Güterverkehr, liegt nämlich in der langen Strecke, wenn sie effizient organisiert ist, das heißt, wenn sie nach einheitlichen Qualitätsmaßstäben, einheitlich im Management, grenzüberschreitend quer durch Europa fährt. Wenn die Bahn das auf die Beine stellen kann, dann haben die in diesem Markt - und da wird ja immer mehr ein gemeinsamer europäischer Markt - haben sie nach meiner Auffassung eine Riesenchance. Diese Grundüberlegung, die ja an sich relativ einfach ist, die versuchen wir zu transportieren, mit den holländischen Kollegen zusammen. Wir haben eine gemeinsame Gesellschaft jetzt auf die Beine gestellt und wir haben immer gesagt: Sie ist offen für andere Partner. Wir werben dafür, weil wir eben denken - partnerschaftlich, gemeinsam, nicht dominiert von einer Gesellschaft, auch nicht dominiert von der Deutschen Bahn, sondern ein partnerschaftliches gemeinsames Unternehmen, auch unter Einbeziehung osteuropäischer Bahnen, die übrigens zum Teil eine wichtige Rolle spielen. Wenn Sie mal gucken, wie groß beispielsweise die polnische und auch die tschechische Bahn - insbesondere Güterbahn - sind: Die können einen wichtigen entscheidenden Beitrag leisten. Und ich denke mir, daß hier wirklich ein Stück der Zukunft der Bahn in Europa liegt.
DLF: Das klingt aber alles ein bißchen danach - Ihr Pressesprecher hat nach dem Besuch in Prag gesagt: Die Deutsche Bahn steigt vorerst nicht bei der tschechischen Bahn ein' - daß wir hier die Betonung auf ‚vorerst' legen müssen.
Ludewig: Nein, das hängt damit zusammen, daß dies Thema in Prag aus anderen Kreisen heraus, die ich nicht kenne, in einer - glaube ich - falschen Weise in die Öffentlichkeit gebracht worden ist. Die Frage stellt sich in Prag noch gar nicht, weil in Prag zur Zeit ein Projekt im Parlament diskutiert wird, wo es bei uns hier bei der ersten Stufe der Bahnreform überhaupt erst mal darum geht, andere Strukturen für die Bahn selber zu entwickeln und nicht um die Frage, wie kann ich andere an der Bahn in der tschechischen Republik beteiligen. Nur es muß klar sein, worum es geht: Es geht um die Zukunft der Bahnen in Europa. Wie können wir beispielsweise den Grenzverkehr effizienter gestalten, was können wir gemeinsam tun, um hier am Markt erfolgreicher zu sein? Und da haben wir eine Reihe von Projekten. Wir haben zum Beispiel ein Memorandum unterschrieben über den Ausbau der Strecke zwischen Prag und Nürnberg. Das sind Dinge, die uns weiterbringen. Und in diesem Sinne werden wir auch mit diesen Bahnen weiter zusammenarbeiten.
DLF: Was sind denn die Pläne der Deutschen Bahn AG in Sachen Internationalisierung? Wir reden ja bei den Tschechen von einem sehr kleinen Unternehmen. Die Niederländer waren im Verhältnis zur DB Cargo ein wirklich sehr kleines Unternehmen. Kann man sich tatsächlich vorstellen, daß wir eine Art Fusionsphantasie bekommen? Es sind ja nun alles Staatsbetriebe. Wo geht die Fahrt in diese Richtung hin?
Ludewig: Wir können eine Idee anbieten - sage ich mal -, ein Konzept. Und dies Konzept - und das finde ich, ist das Attraktive daran - ist, gemeinsam etwas zu machen. Es geht nicht darum, daß wir andere übernehmen oder vereinnahmen, sondern wir wollen Partner gewinnen, die in einer gemeinsamen Gesellschaft aktiv selber mitmachen, mitgestalten. Und das - denke ich mir - ist eigentlich für andere Länder interessant. Sie sehen zum Beispiel bei den Kollegen aus Holland: Der Chef der holländischen Güterbahn wird bei der kommenden Gesellschaft ‚Rail Cargo Europe' stellvertretender Vorstandsvorsitzender sein, obwohl man sagen könnte: Rein von den Zahlen, von den Anteilen her wäre das vielleicht nicht unbedingt zwingend gewesen. Aber gerade damit wollen wir betonen, daß wir diese partnerschaftliche Orientierung für wichtig halten. Sie sehen zum Beispiel auch bei diesen ganzen AGs, die wir gegründet haben: Bei vier der fünf AGs haben wir einen ausländischen Kollegen als Anteilseigner in den Aufsichtsrat reingeholt. Das war bewußt von mir herbeigeführt, um deutlich zu machen: Wir sind ein offenes Unternehmen, international, für Partnerschaft mit anderen, und zwar auf gleichberechtigter Grundlage - und nicht daß einer dominiert und dem anderen nur sagt, wo es entlang geht. Genau das wollen wir nicht, sondern etwas Partnerschaftliches. Dies Modell, was wir hier entworfen haben mit ‚Rail Cargo Europe' ist ein Modell, was offen ist für andere Partner, die sich daran beteiligen wollen.
DLF: Es gibt sicherlich - wenn Sie sich das Umfeld in Europa anschauen - Partnergesellschaften, die eher in Frage kommen, und Partnergesellschaften, andere Staatsbahnen, mit denen Sie vielleicht - weil sie zur Zeit noch nicht fit genug sind für den Wettbewerb - wenig zu tun haben wollen. Erfahren wir etwas von den strategischen Überlegungen der Bahn?
Ludewig: Eigentlich müßte ich Ihnen da etwas widersprechen, obwohl ich das ungern tue. Gerade das haben wir nicht gemacht. Wir haben nicht gesagt: ‚Die einen sind uns lieber als die anderen', sondern wir haben immer gesagt: ‚Es geht um den europäischen Markt, und jeder, der Interesse hat, an diesem Konzept mitzuarbeiten, der ist uns willkommen. Es wird sich durchsetzen und es wird auch bekannt werden, daß es wirklich so offen gemeint ist auch, wie es von uns formuliert worden ist - also mit ‚uns' meine ich jetzt die holländischen Kollegen und uns zusammengenommen.
Ludewig: Ja, wir haben das jetzt umgesetzt mit dieser neuen Organisationsstruktur, was im übrigen schon der Gesetzgeber bei der Bahnreform 1993 festgelegt hatte. Auf der anderen Seite sind und bleiben wir aber ein sogenanntes Verbundunternehmen. Das heißt: In der Leistungserstellung und Leistungsanbietung - weil wir alle auf dem gleichen Netz fahren - hängen die Dinge eben sehr stark voneinander ab, und deswegen muß der Gesamtzusammenhang der Gesellschaft gewahrt werden - des Unternehmens -, so daß die Gesamtverantwortung, die alle haben, dann doch darin deutlich wird. Und man erkennt es eben daran, daß die Chefs aller dieser Aktiengesellschaften im Konzernvorstand sitzen, und sie haben damit eben auch Teil an der Gesamtverantwortung für das Unternehmen und nicht nur für ihren eigenen Bereich.
DLF: Nun haben Sie selber zugegeben, daß manchmal Abstimmungsprobleme in dieser neuen Holdingstruktur dafür sorgen, daß zum Beispiel bei den Fahrplanänderungen - jetzt bei der letzten Fahrplanänderung - die Dinge nicht so laufen, wie sie hätten laufen sollen. Und die Bahn bekommt derzeit von der Bevölkerung in aktuellen Umfragen sehr schlechte Noten, das heißt, die schlechtesten Noten seit der Bahnreform. Wie können Sie sich das erklären?
Ludewig: Nun ja, Abstimmungsprobleme hat es immer gegeben. Daß der Fahrplan nicht alle Wünsche erfüllt, das hat eigentlich nichts mit der Bahnreform zu tun, das war auch früher so. Trotzdem gibt es hier sicher einige Ergänzungswünsche, und das werden wir uns auch sehr genau ansehen. Daß wir im Moment bei Umfragen nicht so gut abschneiden, das liegt ein Stück weit auf der Hand: Weil man weiß, daß die Bahn im letzten Jahr zum Teil schwierige Diskussionen und schwierige Probleme hatte - ich erinnere an das Unglück von Eschede, bis hin zu den Erpressungsversuchen, die wir beispielsweise in der Vorweihnachtszeit im letzten Jahr gehabt haben; wir hatten auch in diesem Frühjahr eine Häufung von Unfällen. Aber das sind Umfragen, die liegen mittlerweile Gott sei Dank eine gewisse Zeit zurück, und ich glaube, daß wir doch die Situation insgesamt stabilisiert haben. Was uns im Moment einige Probleme macht, ist, daß wir eine deutlich höhere - als normal - Bautätigkeit bei uns im Netz haben. Das führt natürlich auch zu gewissen Verspätungen, vor allen Dingen auch auf eng befahrenem Korridor, diesen Hauptachsen, die wir haben. Und hier setzen wir alles daran, diese Bautätigkeiten so kurz zu halten wie möglich, um dann in den nächsten Wochen auch wieder in die normale Pünktlichkeit, die wir gewohnt sind, zurückzukehren.
DLF: Bleiben wir bei den Investitionstätigkeiten der Bahn. Sie haben in dieser Woche den Investitionsplan ‚Netz 21' der Öffentlichkeit vorgestellt, nachdem der Aufsichtsrat ihn letzte Woche verabschiedet hatte: 48 Milliarden Mark bis ins Jahr 2010. Inwieweit ist das eine Trendwende in der Investitionspolitik der Deutschen Bahn? Strecken Sie sich jetzt nach der Decke?
Ludewig: Nun, das tun wir sowieso, denn das Geld ist immer knapp, und wir müssen natürlich sehen, daß wir möglichst viel für unsere Netzinfrastruktur tun. Eine Trendwende gibt es insofern, als die sehr gründlichen Überlegungen und Berechnungen, die wir dazu angestellt haben, in den letzten 15 Monaten gezeigt haben, daß die Investitionen, die wir vornehmen, vor allen Dingen in das bestehende Netz - das heißt die Stärkung seiner Leistungsfähigkeit, Lückenschlüsse, Verbesserungen und vieles andere mehr - eigentlich den wichtigsten Beitrag liefert, um die Leistungsfähigkeit der Schieneninfrastruktur in Deutschland zu verbessern. Und das zusammen, kombiniert mit etwas, was wir nennen die ‚Entmischung der Verkehre', das heißt, daß wir zwischen den wichtigen Ballungszentren in Deutschland getrennte Trassen einrichten wollen, ergänzen wollen, einmal für den schnelleren Personenverkehr und auf der anderen Seite für den langsameren Güterverkehr und Nahverkehr. Hinzu kommt eine nachhaltige Modernisierung unserer Leit- und Sicherungstechnik - Konzepte wie Funk, basierter Fahrbetrieb. Und auch hier wollen wir aus dem Betrag, den Sie genannt haben, in den kommenden zehn Jahren rd. elf Milliarden Mark investieren.
DLF: Nun hat ja die Bahn seit der Reform traditionell ein sehr hohes Verhältnis von Investitionen zu Umsätzen bzw. auch zu Erträgen. Wie muß man sich das in der Relation jetzt vorstellen? Dieses Projekt Netz 21 - ist das tatsächlich ein Runterfahren der Investitionen oder nur eine Schwerpunktverlegung?
Ludewig: Nein, im Gegenteil. Das ist eine Verstetigung auf hohem Niveau - erst mal, was die Gesamtbeträge betrifft. Wir gehen schon davon aus, daß die Beträge, die aus dem Bundeshaushalt für Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden, auf hohem Niveau gehalten werden können. Hinzu kommen Eigenbeiträge der Bahn, die wir selber beisteuern, so daß wir für die kommenden zehn Jahre von Beträgen zwischen acht und neun Milliarden Mark hier ausgehen. Aber innerhalb dieses Betrages verschieben sich - wie gesagt - die Prioritäten, hin zur Stärkung und Erhöhung der Leistungsfähigkeit des bestehenden Netzes. Große Projekte - auch kleinere -, die sich bereits im Bau befinden, werden zu Ende geführt, Beispiel die Neubaustrecke von Köln in das Rhein-Main-Gebiet.
DLF: Wenn wir nun diese großen Prestigeprojekte, die Sie angesprochen haben - also gerade die Schnellbahnstrecke zwischen Köln und Frankfurt, die ja nun fertig gebaut wird -, wenn wir das aber mal außen vorlassen, dann ist das, was im ‚Netz 21' vorgestellt wird, von der Tendenz ja ähnlich dem, was Kritiker der früheren Bahnpolitik immer vorgeschlagen haben. Ich erinnere an ‚Pro Bahn' oder auch das VCD des Verkehrsclub Deutschlands, die Ihnen ja sozusagen jetzt an sich zustimmen für das, was die Bahn vor hat. Ist das auch ein Tribut an die Kritiker der Vergangenheit?
Ludewig: Also, eigentlich nicht. Ich meine, über Zustimmung freut man sich immer, das ist klar. Aber dieses ist schon das Ergebnis eines sehr sorgfältigen Nachdenkens bei der Bahn selbst, ganz unabhängig von dem, was andere außerhalb der Bahn schon immer für richtig gehalten haben. Als ich zur Bahn gekommen bin - das war ja im Sommer 1997 -, und im Herbst 1997, nachdem man dann sich ein bißchen in diese Dinge hineingefunden hat, habe ich damals gesagt: Diese enormen Beträge, die wir Jahr für Jahr investieren - acht bis neun Milliarden -: Es muß klar sein für die längere Frist, nach welchem Gesamtkonzept wir eigentlich diese enormen Summen investieren - von ja immerhin knapp 40.000 km. Das ist eine große Verantwortung mit Simulationsmodellen, und zwar eben nicht nur für Teilaspekte, sondern für das Netz insgesamt. Und das, was ich beschrieben habe, ist das Ergebnis einer Arbeit, die nun vor fast eineinhalb Jahren begonnen hat. Also, wir haben uns das nicht leicht gemacht. Das Ergebnis ist so wie es ist, gut - es ist immer im Leben so. Einige fühlen sich bestätigt, die haben es ja immer schon gewußt. Und andere sind vielleicht etwas enttäuscht. Aber wichtig ist ja, daß das Konzept, was rausgekommen ist, nachvollziehbar ist. Bestimmte große Projekte können wir zur Zeit nicht für den Start freigeben, weil dafür eben die Mittel in dieser Form und in der Prioritätensetzung nicht vorhanden sind. Ich habe nicht gesagt: ‚Das machen wir nie', aber im Moment geht es nicht. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt. Und wir verbauen auch hier nichts für die Zukunft.
DLF: Die Ertragslage der Bahn wird schwierig werden, wenn die öffentlichen Zuschüsse im Jahre 2002 gestoppt werden. Sie haben selber gesagt: Es muß an die drei Milliarden rangehen. Das sind ja nun Zahlen, die - gerade im Angesicht der derzeitigen Ertragslage - sehr, sehr anspruchsvoll sind.
Ludewig: Die sind anspruchsvoll. Die Bahn ist ja - was vielen in der Öffentlichkeit gar nicht so bewußt ist - nach der Bahnreform mit einem hohen Subventionszuschuß zunächst einmal ausgestattet worden, Größenordnung über 6 Milliarden Mark pro Jahr. Es ist aber damals schon festgelegt worden, daß dieser Zuschuß Jahr für Jahr nach festgelegten Beträgen reduziert wird. Aber gerade im letzten Jahr - was ja in vieler Hinsicht gerade durch den Unfall in Eschede und im Gefolge davon für die Bahn ein sehr schwieriges Jahr war - hat die Bahn gezeigt, daß sie dieses Problem bewältigen kann. Die Bahn hat im letzten Jahr ihr wirtschaftliches Ergebnis insgesamt um rd. 1 Milliarde Mark verbessert. Und das ist unser Ziel, dies fortzusetzen. In den kommenden Jahren - wie gesagt, bis zum Ende des Jahres 2002, das sind noch 3 ½ Jahre - müssen wir um über 3 Milliarden besser werden, nur um diese staatlichen Zuschüsse, die dann nicht mehr da sind, zu kompensieren. Hinzu kommt noch eine steigende Abschreibungsbelastung aus der Modernisierung von Fahrzeugpark, von Informationssystemen usw., also eine große Belastung, die vielleicht - wenn Sie sich mal in Deutschland umgucken und auch mit anderen Unternehmen vergleichen - ein bißchen ihresgleichen sucht. Und die große Leistung der Eisenbahner liegt eigentlich darin, daß sie das im wesentlichen in den letzten Jahren geschafft haben. Und wenn man sich damit - so wie ich, wenn man von draußen reinkommt - zwei Jahre beschäftigt hat und dann sieht, was hier geleistet worden ist, dann schöpfe ich daraus eigentlich auch die Zuversicht, daß wir die noch ausstehenden Aufgaben eben auch mit dem gleichen Erfolg, der gleichen Beharrlichkeit und Konsequenz in den kommenden 3 ½ Jahren bewältigen können.
DLF: Zwei Punkte, die die Beträge verbessern, wären zum Beispiel die Fahrpreise zu erhöhen und weiter Personal abzubauen. Gibt es zu diesen beiden Punkten, die die Menschen bestimmt sehr interessieren, Dinge zu erzählen?
Ludewig: Ja, man muß sehen, daß die Verbesserungen, die wir erreicht haben in den zurückliegenden Jahren, natürlich durch Verbesserungen unserer internen Abläufe, der internen Prozesse bei der Bahn, der Produktivitätssteigerung, der Steigerung unserer Leistungsfähigkeit, auch natürlich in Verbindung mit einem beachtlichen Personalabbau, über die Bühne gegangen sind. Alle wissen bei der Bahn, daß sich diese Fortschritte, die wir noch erreichen müssen in den kommenden Jahren, nicht alleine auf der Kostenseite erreichen lassen. Das heißt: Wir müssen wohl weiter besser werden, Produktivität steigern, Leistungsfähigkeit steigern, das ist ganz klar, aber wir müssen auch am Markt erfolgreicher werden, wir müssen mehr verkaufen - über das, was bisher geleistet worden ist, hinaus. Wenn Sie mal sehen: Die Bahn ist eine der meistbesuchtesten Adressen im Internet, die es in Deutschland überhaupt gibt. Ich glaube, wir sind an Stelle Nummer drei - mit einer erheblichen und dynamischen Steigerung. Wenn man dies zum Beispiel daran anknüpfen kann und daraus nicht nur Informationsvorgänge, sondern auch Verkaufsvorgänge - wenigstens einen Teil davon - machen kann, dann erreichen wir genau damit Leute und Mitbürger, die wir bisher noch nie erreicht haben. Wie können wir im Marketing erfolgreicher sein, wie erreichen wir Kundengruppen, die wir bisher nicht erreicht haben? - und nicht nur die Fragen: Wie ersparen wir Kosten und wie sparen wir Personal ein?
DLF: Nochmal nachgefragt: Werden die Preise der Deutschen Bahn weiter stärker steigen als die Inflation zum Beispiel, also stärker als die Preise im Rest des Landes, auch für Verkehrsleistungen? Und noch einmal nachgefragt - nach der Personalentwicklung.
Ludewig: Also, ich habe immer darauf geachtet, daß wir genau hier also nun nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, denn man kann seine Ertragsprobleme eben nicht über Preiserhöhungen lösen, sondern es müssen Angebotsverbesserungen dahinterstehen. Wir haben ja ein sehr - man muß zugeben - altmodisches System. Wir haben außer dem ICE in allen übrigen Bereichen sogenannte feste Kilometerpreise. Das macht natürlich nicht sehr viel Sinn, sondern man muß Angebot und Nachfrage sehr genau sich ansehen, auch die Qualität unseres Angebotes, was für Züge fahren da, wie schnell fahren sie, wie sind die Reisezeiten und anderes mehr. Und ein solches Preis- und Erlösmanagement, wie es eigentlich alle modernen Dienstleistungsunternehmen heute haben, das sind wir gerade erst - leider mit erheblichem Zeitverzug - dabei, zu entwickeln. Wir werden also zum Beispiel ab Anfang nächsten Jahres generell - nicht nur beim ICE, auch sonst - sogenannte Lokopreise einführen. Das heißt, Preise eben zwischen zwei Städten, zwischen zwei Orten - also Verbindungspreise sozusagen. Und das wird auch variieren, zum Beispiel auch entsprechend der Auslastung und das kann auch variieren im Tagesverlauf.
DLF: Sie haben infolge des Unglücks in Eschede den Personalabbau gestoppt in einigen Bereichen - oder sagen wir mal etwas abgefedert. Wird es dabei bleiben?
Ludewig: Also, wir haben nicht im Gefolge von Eschede in bestimmten Bereichen gesagt oder auch generell: Wir stoppen jetzt den Personalabbau. Sondern wir haben gesagt: Man muß sich das, was man in diesem Bereich tut, sehr genau ansehen, vor allen Dingen natürlich dort, wo es sich um sogenannte betrieblich sensible Bereiche handelt, also die mit Sicherheitsdingen mehr zu tun haben als andere Bereiche. Und das haben wir auch getan. Es ist klar, daß nach Eschede hier die Aufmerksamkeit aller Mitarbeiter der Bahn noch einmal deutlich geschärft worden ist. Und wenn Sie mal unsere aktuelle Lage sich angucken - auch die Bautätigkeit im Netz, die hängt nicht zuletzt auch damit zusammen -, dann werden Sie feststellen, daß sicher auf alle Dinge, die da sind, die irgend etwas mit Sicherheit vielleicht im Entferntesten zu tun haben könnten, sehr genau also geachtet wird und immer lieber etwas mehr getan wird, als etwas zu wenig getan wird. Sicherheit ist etwas, was bei uns ganz oben auf der Tagesordnung steht.
DLF: Aber der angedachte Personalabbau läuft nach Plan?
Ludewig: Nein, dazu ist zu sagen und ich habe es früher schon deutlich gesagt: Es gibt in dem Sinne bei uns keine Personalabbauziele, sondern die Personalentwicklung - sage ich mal etwas neutraler - hängt von dem geschäftlichen Erfolg ab, den wir erzielen. Wenn wir mehr Leute transportieren können, können wir auch mehr Leute beschäftigen; wenn weniger, können wir auch weniger beschäftigen. Das ist bei allen Unternehmen so, und genau so ist es auch bei uns. Die Mitarbeiter, ihre Erfahrung mit der Bahn - was sie einbringen - ist ja eigentlich der wertvollste Aktivposten, den wir haben. Und ich denke mir, daß man immer gut beraten ist, wenn man sich diese Dinge doch auch mit einer gewissen Nachdenklichkeit ansieht, überprüft und dann überlegt, welche Schlußfolgerung man daraus zieht.
DLF: Die Bahn - ein gutes Jahr nach Eschede: Das trifft die Sache wahrlich nicht. Es war kein gutes Jahr. Eine Unfallserie schloß sich an - bis zur Einsetzung von Expertenkommissionen in diesem Frühjahr. DER SPIEGEL hat getitelt - und ich glaube, da haben die Kollegen die Befindlichkeit in Deutschland sehr gut getroffen -: "Eschede - die deutsche Titanic". Sie haben sich für Fehler entschuldigt auf dem Trauergottesdienst. Dennoch schlugen die Emotionen hoch, bis hin zur Forderung nach dem Rücktritt der Unternehmensleitung. Kann das auch an der Tatsache liegen, daß auf der einen Seite die Ursachenforschung ihre Ergebnisse fast vollständig darlegen kann, das gleiche gilt aber nicht für personelle Konsequenzen im Unternehmen - und vor allem nicht für Konsequenzen der Staatsanwaltschaft?
Ludewig: Also ich glaube, daß man das ganz so, wie Sie es dargestellt haben, nicht darstellen kann. Ich bin ja in Eschede gewesen an diesem Jahrestag. Ich habe auch vorher einige dieser Familien besuchen können. Man kann nicht sagen, daß die Emotionen hier eine unerwartet große Rolle gespielt haben. Im Gegenteil. Ich war eigentlich überrascht, mit welcher Offenheit eigentlich die Menschen, die ja von diesem Unfall nun wirklich persönlich betroffen worden sind - als Angehörige, als Hinterbliebene, auch als Verletzte -, doch bereit waren, zum Teil sogar interessiert, das Gespräch mit der Bahn zu suchen. Umgekehrt war es für uns selbstverständlich - obwohl das, wie man sich leicht vorstellen kann. es keine sehr angenehme Situation ist, die man sich wünscht - daß wir uns diesem Gespräch stellen. Deswegen sind wir mit mehreren Vorstandsmitgliedern bei diesem Jahrestag gewesen. Wir verdrängen auch Eschede nicht, sondern ich habe immer wieder gesagt - zuletzt auch in der Aufsichtsratssitzung -: Eschede ist ein Teil der Bahngeschichte. Wir leben damit, und das wird uns auch viele Jahre hinaus begleiten, gerade auch die Begleitung der Hinterbliebenen und Verletzten. Und wir setzen alles daran, um das, was man eben tun kann heute, um diese Schwierigkeiten zu mildern irgendwie - daß wir das auch tun. Das hat bei uns wirklich einen hohen Stellenwert. Und das wird nicht nur heute sein, sondern das wird uns noch auf eine ganze Zeit hinaus begleiten. Das ist der eine Punkt. Und der andere Punkt sind die technischen Konsequenzen. Wir haben uns sehr systematisch mit dem technischen System Bahn und seiner Sicherheit beschäftigt, nicht nur punktuell, was jetzt Radreifen und andere Dinge betrifft, sondern generell, auch unter Beteiligung Dritter. Wir machen das sehr systematisch. Und ich habe bei der Pressekonferenz ja - einen Monat vor dem Jahrestag, am 3. Mai - eine ganze Reihe von Maßnahmen bekanntgegeben, die wir ergriffen haben. Wir haben auch sicher im personellen Bereich hier Veränderungen vorgenommen, aber es ist verständlich, daß das Dinge sind, die die Bahn intern abhandelt, denn Sie wissen, daß gleichzeitig die Staatsanwaltschaft ja ihre Ermittlungen führt. Wir haben hier auch eine Fürsorgepflicht gegenüber unseren Mitarbeitern, und insofern müssen wir abwarten, was sich hier in dieser Hinsicht aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergibt.
DLF: Zum Thema ‚Transrapid'. Der Bundesverkehrsminister spricht von einer ‚Entscheidung noch in diesem Jahr'. Das Projekt wird ‚in der deutschen Presse totgeschrieben' - so die Vorwürfe der Befürworter des Transrapid. Es gibt aber auch keine Anhaltspunkte dafür, daß sich bei einer miliardenschweren Unterfinanzierung der Trasse und bei deutlich runtergenommenen Schätzungen des Verkehrsaufkommens zwischen Hamburg und Berlin die Magnetschwebebahn noch darstellen läßt. Ich behaupte jetzt einfach mal: Wenn Sie schon an der Börse wären - was irgendwann mal angesagt ist -, dann würden die Kurse der Deutschen Bahn AG in der jetzigen Diskussion um diese Milliardenlasten, die auf Sie zukommen könnten, nach unten gehen.
Ludewig: Oder auch nicht. Das hängt davon ab, welche Chancen und Perspektiven man in diesem Projekt sieht. Viele Leute vergessen eigentlich, daß es bei diesem - wie bei jedem - wirtschaftlichen Vorhaben Risiken gibt, aber es gibt natürlich auch Chancen. Es ist durchaus möglich, daß deutlich mehr Fahrgäste sich einfinden und mit diesem in der Welt einmaligen System fahren wollen. Das kann man überhaupt nicht ausschließen. Im Gegenteil. Trotzdem müssen wir natürlich gucken - wie gehen wir verantwortlich damit um, auch vor dem Hintergrund jüngster Prognosen - die übrigens gar nicht so jung sind, sondern die wir schon einige Zeit haben. Ich weiß auch gar nicht, wer das in der Presse noch einmal hochgebracht hat. Diese Zahlen sind gar nicht neu, damit haben wir uns seit einiger Zeit auseinandergesetzt, auch die Wirtschaftlichkeitsberechnung überprüft. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen - das haben wir auch im Aufsichtsrat vorgetragen -, daß dieses, was den Betrieb betrifft - also Kosten und Erlöse -, daß dies aus unserer Sicht darstellbar ist, unternehmerisch verantwortbar ist. Die Frage, die im Moment offen ist, ist die Frage des Fahrweges und seiner Finanzierung, weil die Bundesregierung gesagt hat: 6,1 Milliarden - und mehr könne sie nicht zur Verfügung stellen. Es wird jetzt überlegt: Kann man die verbleibende Differenz mit anderen Finanzierungsinstrumenten decken, gibt es hier noch andere Möglichkeiten? Dies wird intensiv geprüft, daran beteiligen wir uns. Und davon wird abhängen, ob dieses Projekt im Endergebnis realisiert werden kann oder nicht.
DLF: Wenn Sie nun dabei sind, zum Beispiel mit Hilfe der Kreditanstalt für Wiederaufbau Lösungsmöglichkeiten zu suchen, dann landet dieses Risiko ja wieder beim Steuerzahler.
Ludewig: Nein, das kann man so nicht sagen. Also, erst mal haben wir mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau diese Prüfung nicht durchgeführt. Wir haben erst einmal unseren eigenen Sachverstand bemüht und haben auch mit den Kollegen von der Industrie, die hier an dem Projekt beteiligt sind, Gespräche geführt. Das möchte ich hier jetzt in der Öffentlichkeit noch nicht ausbreiten, sonst wird das auch - wie Sie schon mal gesagt haben - eher wieder totgeredet, bevor es überhaupt so richtig begonnen hat. Aber ich denke mir: Es gibt hier vielleicht Möglichkeiten, die es lohnend erscheinen lassen, dies dort intensiver und genauer zu untersuchen. Und ich gehe davon aus, wie Bundesminister Müntefering gesagt hat, daß in diesem zweiten Halbjahr 99 wir zum Abschluß kommen und auch eine definitive Entscheidung getroffen werden kann. Ich glaube auch, daß man über diesen Zeitraum hinaus dieses Projekt nicht in der Schwebe halten kann.
DLF: Das Zusammengehen der DB Cargo mit dem Frachtbereich der niederländischen Staatsbahn ist beschlossene Sache. Es kommt Phantasie in den Markt, auch bei den starren Strukturen der Bahn in Europa. Und inzwischen ist es so weit, das muß man sagen, daß der Vorstandschef der Deutschen Bahn AG eine Auslandsreise macht - in diesem Fall nach Prag -, und die Fusionsphantasien die sprießen so, als ob Sie ein Luftfahrtunternehmen leiten würden, eine Bank oder ein Automobilunternehmen. Das ist doch eigentlich ein sehr schönes Zeichen.
Ludewig: Richtig, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie das so formuliert haben, ich hätte das schöner gar nicht formulieren können. Es ist richtig. Das kommt aber einfach aus der ganz simplen Grunderkenntnis - übrigens auch erstaunlich für mich, wenn man so zwei Jahre bei der Bahn ist, daß das früher die Bahn noch nicht viel intensiver beschäftigt hat -: Die Stärke der Bahn, gerade im Güterverkehr, liegt nämlich in der langen Strecke, wenn sie effizient organisiert ist, das heißt, wenn sie nach einheitlichen Qualitätsmaßstäben, einheitlich im Management, grenzüberschreitend quer durch Europa fährt. Wenn die Bahn das auf die Beine stellen kann, dann haben die in diesem Markt - und da wird ja immer mehr ein gemeinsamer europäischer Markt - haben sie nach meiner Auffassung eine Riesenchance. Diese Grundüberlegung, die ja an sich relativ einfach ist, die versuchen wir zu transportieren, mit den holländischen Kollegen zusammen. Wir haben eine gemeinsame Gesellschaft jetzt auf die Beine gestellt und wir haben immer gesagt: Sie ist offen für andere Partner. Wir werben dafür, weil wir eben denken - partnerschaftlich, gemeinsam, nicht dominiert von einer Gesellschaft, auch nicht dominiert von der Deutschen Bahn, sondern ein partnerschaftliches gemeinsames Unternehmen, auch unter Einbeziehung osteuropäischer Bahnen, die übrigens zum Teil eine wichtige Rolle spielen. Wenn Sie mal gucken, wie groß beispielsweise die polnische und auch die tschechische Bahn - insbesondere Güterbahn - sind: Die können einen wichtigen entscheidenden Beitrag leisten. Und ich denke mir, daß hier wirklich ein Stück der Zukunft der Bahn in Europa liegt.
DLF: Das klingt aber alles ein bißchen danach - Ihr Pressesprecher hat nach dem Besuch in Prag gesagt: Die Deutsche Bahn steigt vorerst nicht bei der tschechischen Bahn ein' - daß wir hier die Betonung auf ‚vorerst' legen müssen.
Ludewig: Nein, das hängt damit zusammen, daß dies Thema in Prag aus anderen Kreisen heraus, die ich nicht kenne, in einer - glaube ich - falschen Weise in die Öffentlichkeit gebracht worden ist. Die Frage stellt sich in Prag noch gar nicht, weil in Prag zur Zeit ein Projekt im Parlament diskutiert wird, wo es bei uns hier bei der ersten Stufe der Bahnreform überhaupt erst mal darum geht, andere Strukturen für die Bahn selber zu entwickeln und nicht um die Frage, wie kann ich andere an der Bahn in der tschechischen Republik beteiligen. Nur es muß klar sein, worum es geht: Es geht um die Zukunft der Bahnen in Europa. Wie können wir beispielsweise den Grenzverkehr effizienter gestalten, was können wir gemeinsam tun, um hier am Markt erfolgreicher zu sein? Und da haben wir eine Reihe von Projekten. Wir haben zum Beispiel ein Memorandum unterschrieben über den Ausbau der Strecke zwischen Prag und Nürnberg. Das sind Dinge, die uns weiterbringen. Und in diesem Sinne werden wir auch mit diesen Bahnen weiter zusammenarbeiten.
DLF: Was sind denn die Pläne der Deutschen Bahn AG in Sachen Internationalisierung? Wir reden ja bei den Tschechen von einem sehr kleinen Unternehmen. Die Niederländer waren im Verhältnis zur DB Cargo ein wirklich sehr kleines Unternehmen. Kann man sich tatsächlich vorstellen, daß wir eine Art Fusionsphantasie bekommen? Es sind ja nun alles Staatsbetriebe. Wo geht die Fahrt in diese Richtung hin?
Ludewig: Wir können eine Idee anbieten - sage ich mal -, ein Konzept. Und dies Konzept - und das finde ich, ist das Attraktive daran - ist, gemeinsam etwas zu machen. Es geht nicht darum, daß wir andere übernehmen oder vereinnahmen, sondern wir wollen Partner gewinnen, die in einer gemeinsamen Gesellschaft aktiv selber mitmachen, mitgestalten. Und das - denke ich mir - ist eigentlich für andere Länder interessant. Sie sehen zum Beispiel bei den Kollegen aus Holland: Der Chef der holländischen Güterbahn wird bei der kommenden Gesellschaft ‚Rail Cargo Europe' stellvertretender Vorstandsvorsitzender sein, obwohl man sagen könnte: Rein von den Zahlen, von den Anteilen her wäre das vielleicht nicht unbedingt zwingend gewesen. Aber gerade damit wollen wir betonen, daß wir diese partnerschaftliche Orientierung für wichtig halten. Sie sehen zum Beispiel auch bei diesen ganzen AGs, die wir gegründet haben: Bei vier der fünf AGs haben wir einen ausländischen Kollegen als Anteilseigner in den Aufsichtsrat reingeholt. Das war bewußt von mir herbeigeführt, um deutlich zu machen: Wir sind ein offenes Unternehmen, international, für Partnerschaft mit anderen, und zwar auf gleichberechtigter Grundlage - und nicht daß einer dominiert und dem anderen nur sagt, wo es entlang geht. Genau das wollen wir nicht, sondern etwas Partnerschaftliches. Dies Modell, was wir hier entworfen haben mit ‚Rail Cargo Europe' ist ein Modell, was offen ist für andere Partner, die sich daran beteiligen wollen.
DLF: Es gibt sicherlich - wenn Sie sich das Umfeld in Europa anschauen - Partnergesellschaften, die eher in Frage kommen, und Partnergesellschaften, andere Staatsbahnen, mit denen Sie vielleicht - weil sie zur Zeit noch nicht fit genug sind für den Wettbewerb - wenig zu tun haben wollen. Erfahren wir etwas von den strategischen Überlegungen der Bahn?
Ludewig: Eigentlich müßte ich Ihnen da etwas widersprechen, obwohl ich das ungern tue. Gerade das haben wir nicht gemacht. Wir haben nicht gesagt: ‚Die einen sind uns lieber als die anderen', sondern wir haben immer gesagt: ‚Es geht um den europäischen Markt, und jeder, der Interesse hat, an diesem Konzept mitzuarbeiten, der ist uns willkommen. Es wird sich durchsetzen und es wird auch bekannt werden, daß es wirklich so offen gemeint ist auch, wie es von uns formuliert worden ist - also mit ‚uns' meine ich jetzt die holländischen Kollegen und uns zusammengenommen.