Mittwoch, 24. April 2024

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"Ludwig-Donau-Main-Kanal" vor 175 Jahren eröffnet
Bayerns längstes Denkmal

Von einer Wasserstraße zwischen Main und Donau hatte schon Karl der Große geträumt. Bayernkönig Ludwig I. nahm das Projekt erneut in Angriff – und ließ 9.000 Arbeiter einen über 170 Kilometer langen Kanal zwischen Kehlheim und Bamberg graben. Am 15. Juli 1846 wurde er eingeweiht.

Von Regina Kusch | 15.07.2021
    Ein Binnenfrachtschiff fährt fahren auf dem Main-Donau-Kanal im Altmühltal nahe Riedenburg (Niederbayern).
    Ein Binnenfrachtschiff fährt auf dem Main-Donau-Kanal im Altmühltal nahe Riedenburg (Niederbayern). (picture alliance / dpa / Armin Weigel)
    "Der Kanal, des war unser Abenteuerspielplatz, da war'n alle 30, 50 Meter riesige Hechte g'standen im Wasser. Da haben uns die Eltern g'sagt: Schwimmen dürft's da net, weil so a großer Hecht, der kann dir ja a Zehe regelrecht wegbeißen. Aber wir sind trotzdem rein. Im Kanal hab' ich das Schwimmen g'lernt."
    Die Jugenderinnerungen von Manfred Lehmeier aus Neumarkt in der Oberpfalz kann man auf dem Lehrpfad entlang der Ufer des längsten bayerischen Denkmals hören, dem Ludwig-Donau-Main-Kanal. Der durchbrach an diesem Ort die Europäische Wasserscheide.

    Der erste Anlauf scheiterte

    Von einer schiffbaren Verbindung zwischen Rhein und Donau hatte schon Karl der Große geträumt. Die "Fossa Carolina" sollte das Karolingerreich im Westen über den Donaukorridor mit dem Byzantinischen Reich im Osten verbinden. Im Jahr 793 schickte der König 6.000 Arbeiter nach Mittelfranken an die Oberläufe der Altmühl und der Schwäbischen Rezat. Doch vollendet wurde das ambitionierte Kanalprojekt wegen witterungsbedingter Schwierigkeiten nicht. Und so prangt heute auf dem Kanaldenkmal am Erlanger Burgberg die Inschrift: "Donau und Main für die Schiff-Fahrt verbunden, ein Werk von Carl dem Großen versucht, durch Ludwig I. König von Bayern vollendet."
    Der König selbst hatte das Monument gestiftet, auf dem Main und Donau als zwei liegende Figuren dargestellt sind, die sich zur Vereinigung die Hände reichen. Am 15. Juli 1846 fand die feierliche Enthüllung statt. Ludwig I. selbst war nicht erschienen, obwohl man für diesen Anlass sogar einen Marsch komponiert hatte.

    100 Schleusen

    In nur zehn Jahren war das Projekt von bis zu 9.000 Arbeitskräften aus Deutschland, Österreich und Italien fertiggestellt worden. 172 Kilometer erstreckte sich der knapp fünf Meter breite Kanal von der Donau bei Kelheim in Niederbayern bis ins oberfränkische Bamberg an der Mündung von Main und Regnitz. Da sich die Dampfschifffahrt noch nicht durchgesetzt hatte, wurden die Flöße und Frachtschiffe, die Holz, Getreide, Kohle und Steine transportierten, getreidelt, also vom Ufer aus von Pferden gezogen und durch gut 100 Schleusen über die Wasserscheide gehoben. Etwa sechs Tage dauerte die Fahrt von Kehlheim nach Bamberg. Die konnte man allerdings Ende des 19. Jahrhunderts auf dem Schienenweg zeit- und kostensparender zurücklegen. Die Kanalschifffahrt schrieb bald rote Zahlen.
    Bundesfinanzminister Theo Waigel, Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Bayerns Ministerpräsident Max Streibl mit Gattin Irmingard grüßen von Bord des Luxusschiffs Regina Danubia
    146 Jahre nach Bayernkönig Ludwig: Eröffnung des umstrittenen Rhein-Main-Donau-Kanals 1992 durch den damaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel, Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Bayerns Ministerpräsident Max Streibl mit Gattin Irmingard (von (picture-alliance/ dpa | Wolf-Dietrich Weißbach)
    Im Ludwigskanal, wie er auch genannt wurde, gab es bald mehr Badegäste als Schiffe. Die Treidelpfade wurden zu Wander- und Radwegen. Sogenannte Schlagrahmdampfer brachten Ausflügler in Kanallokale und erfreuten sich großer Beliebtheit. Im Zweiten Weltkrieg wurden Teile der Wasserstraße zerstört und dann nicht wiederaufgebaut, sondern in den 50er-Jahren stellenweise trockengelegt oder überbaut. Ein Teilstück der Autobahn 73, des Frankenschnellwegs, entstand im Kanalbett. 30 Jahre später erklärte dann der Bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß den Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals zur Chefsache. In einem dritten Anlauf sollte die neue Wasserstraße Nordsee und das Schwarze Meer verbinden.

    Umstrittenstes Verkehrsprojekt der deutschen Geschichte

    Kritiker warnten, auch dieses bayerische Prestigeobjekt sei wirtschaftlich unrentabel, und Naturschützer befürchteten die Zerstörung des Altmühltals. Der Kabarettist Dieter Hildebrandt spottete 1982 über das umstrittenste Verkehrsprojekt der deutschen Geschichte in seinem Satiremagazin "Scheibenwischer", woraufhin sich der Bayerische Rundfunk empört ausblendete.
    "Es wird gemunkelt, dass dieser Rhein-Main-Donau-Kanal wirtschaftliche und politische Folgen hätte, dass er einen prominenten Befürworter hätte, nur eins hätte er nicht, einen Sinn. Lassen wir mal die Fernsehzuschauer selbst urteilen, ob es richtig ist, dass Karl der Große vor 1000 Jahren diesen Rhein-Donau-Kanal aufgegeben hat, wegen Verdachts auf groben Unfug."
    Die Skulptur Rheinorange an der Mündung der Ruhr in den Rhein. Im hintergrund die Skyline der Innenstadt von Duisburg.
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    Theoretisch sind sie ein kostengünstiges und nachhaltiges Transportmittel – und dennoch sind Binnenschiffe derzeit nur wenig gefragt. Extremes Niedrigwasser wie im Jahr 2018 ist nur eines der vielen Probleme. Wie kann der Güterverkehr auf den Flüssen und Kanälen wieder attraktiv gemacht werden?
    Der alte Ludwig-Donau-Main-Kanal ist heute als Wasserstraße unbedeutend. Getreidelt wird dort nur noch für Touristen. Der Kanal und seine noch bestehenden Bauwerke wie Schleusenwärterhäuser, Wehre, Brücken und der sogenannte Dörlbacher Einschnitt, der mit 200 Sprengungen das 15 Meter tiefe Kanalbett in den Jura-Kalkstein zwang, wurden zum Wahrzeichen deutscher Ingenieurbaukunst erklärt.