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"Luft- und Raumfahrt ist hochpolitisch"

Der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP im Europaparlament, Alexander Radwan, hat angesichts der Airbus-Krise einen Dialog zwischen Wirtschaft und Politik gefordert. Die heterogene Struktur des Konzerns mit dem deutschen und französischen Staat sei Grundlage für den Erfolg gewesen. Jetzt sei aber der Punkt erreicht, an dem man über weitere Entwicklungen nachdenken müsse, sagte Radwan.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Christian Streiff, der zurückgetretene Co-Chef von Airbus, er sprach von Managementfehlern, die für die Pannenserie beim Großraumflugzeug A380 verantwortlich gewesen seien. Allerdings versäumte er nicht, darauf hinzuweisen, dass die Fehler lange vor dem Beginn seiner Amtszeit gemacht worden seien. Streiff selbst war erst drei Monate im Amt. Gestern allerdings reichte er seinen Rücktritt ein und schickte eine Abrechnung mit dem Konzern hinterher.

    Am Telefon ist jetzt Alexander Radwan. Er ist der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament und hat einmal als Flugzeugbau-Ingenieur bei Airbus gearbeitet. Herr Radwan, der scheidende Airbus-Chef Christian Streiff hat die Führungsstrukturen bei Airbus heftig kritisiert. Ist an seiner Kritik etwas dran, oder ist das eher der Versuch, eigene Verantwortung abzu-schieben?

    Alexander Radwan: Sicherlich muss man in diesem System die Geschichte von Airbus Industry anschauen und letztendlich war diese heterogene Struktur, die insbesondere natürlich auch die großen Staaten Frankreich und Deutschland mit einbindet, Grundlage für die Erfolgs-Story Airbus. Sonst würde es ja gar nicht heute die Diskussion geben, wie man weiter macht. Diese Konstruktion war Garant dafür, dass man erfolgreich wurde. Jetzt ist man sicherlich bei einer Größenordnung angelangt, innerhalb des Airbus-Konsortiums, wo man dann über weitere Entwicklungen dieses erfolgreichen Unternehmens nachdenken muss.

    Heckmann: Das heißt Sie sehen Zeit für strukturelle Veränderungen auch in der Führungsebene?

    Radwan: Ich sehe die Notwendigkeit, dass man das den Bedingungen anpassen muss. Das heißt aber nicht, dass man dieses losgelöst von gerade den politischen Rahmenbedingungen macht. Die Luft- und Raumfahrtindustrie war und ist eine hochpolitische Industrie und das ist nicht nur in Europa so. Das ist auch in den USA so. Wenn Sie sich Boeing anschauen mit seinen Modellen, das ist immer massiv unter Begleitung des amerikanischen Staates gewesen.

    Heckmann: Christian Streiff hat gesagt, Airbus muss Pilot im eigenen Flugzeug sein und darf nicht über EADS, also den Mutterkonzern, gesteuert werden. Jetzt aber passiert offenbar genau das Gegenteil oder?

    Radwan: Diese internen Strukturen zwischen Airbus und EADS, ich glaube das ist wirklich die Management-Aufgabe, das herauszufiltern. Eine gewisse Kontrollfunktion durch den EADS-Mutterkonzern war und wird es geben.

    Heckmann: Louis Gallois ist der neue Mann bei Airbus. Ist denn nicht seine Mission, den Konzern und das Unternehmen wieder auf Vordermann zu bringen, zum Scheitern verurteilt, wenn sich an den Strukturen nichts ändert?

    Radwan: Wie gesagt es muss Anpassungen geben. Ich interpretiere das Verhalten von Streiff, ohne dass ich jetzt Details kenne, als jemanden, der halt sehr stark aus der klassischen Industrie kommt und natürlich dann in einer doch sehr stark politischen Industrie gemerkt hat, dass es da nicht so leicht ist, sich zu bewegen. Louis Gallois ist sicherlich jemand, der hier weitaus mehr Erfahrung hat und, glaube ich auch, mit der nötigen Sensibilität umgeht.

    Heckmann: Sie haben den politischen Einfluss des Staates, des französischen Staates, aber auch der deutschen Seite angesprochen. Eine Konsequenz ist ja Standortpolitik, die beide Seiten betrieben haben. Flugzeugteile werden bisher sinnlos kreuz und quer durch Europa transportiert. Muss die Konsequenz nicht daraus sein, dass sich der Staat komplett zurückzieht?

    Radwan: Ich würde das mal nicht so sagen, dass die sinnlos kreuz und quer durch Europa geschafft werden. Schauen Sie sich an, wie weit das Zulieferfeld der Boeing-Flugzeuge ist. Das ist teilweise noch größer gewesen als das von Airbus. Daher gilt es sicherlich, die Anpassungen und Effizienzsteigerungen zu machen. Aber noch mal: Luft- und Raumfahrtindustrie - und das betrifft Airbus, das betrifft aber auch die angehenden weiterreichenden Fragen der Militärbereiche; Airbus ist zum Beispiel auch in dem Bereich tätig - kann ich nicht loslösen von der Politik. Das heißt es muss ein Dialog sein zwischen Wirtschaft und Politik, hier die entsprechenden Effizienzen hervorzubringen.

    Heckmann: Derzeit denkt die Bundesregierung ja offenbar über einen Einstieg bei EADS nach, über die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Wäre das eine Option, die Sie begrüßen würden?

    Radwan: Es ist eine Option, die zu prüfen ist. Für mich ist es momentan zu früh zu sagen, der Einstieg wäre richtig und falsch, aber wie hoch und interessant und wie hervorragend dieses Unternehmen ist zeigt ja, dass der russische Staat sich daran interessiert und auch eingestiegen ist. Also von daher kann es um dieses Unternehmen gar nicht so schlecht stehen. Das zeigt aber auch, dass es eine strategische Industrie ist für die Zukunft.

    Heckmann: Der neue Airbus-Chef Gallois hat in seiner ersten Stellungnahme gesagt, dass die Standorte von Airbus kein Tabu sein dürften. Würden Sie sich dafür aussprechen, dass die Produktionsstandorte zentralisiert werden, dass zum Beispiel auch die Fertigungen für den A 380 in Zukunft nicht mehr in Hamburg stehen sollten?

    Radwan: Das ist am Ende der Diskussion mit Hamburg und Toulouse. Das sind die absolut großen Standorte. Sie müssen sich das Gesamtgeflecht der Standorte anschauen und da gibt es sicherlich in den verschiedenen Bereichen, auch wenn ich nur Frankreich für sich nehme oder Deutschland für sich nehme, Optimierungsmöglichkeiten. Das was scheinbar problematisch ist, ist der Ablauf zwischen den Standorten und der muss so oder so stimmen.

    Da gilt es eben jetzt, die entsprechenden Anpassungsmaßnahmen zu machen. Aber das, wo wir die Standorte momentan haben, war Grundlage dafür - und das darf man nicht vergessen -, dass Airbus in den letzten Jahrzehnten Boeing überrundet hat. Also kann man jetzt nicht einfach nur sagen, die Standorte sind daran schuld, dass man jetzt und momentan nicht Erfolg hat.

    Heckmann: Aber Sie würden eine solche Entscheidung von Airbus akzeptieren, den A380 aus Hamburg abzuziehen?

    Radwan: Nein. Das ist eine Frage des Gesamtkonzeptes. Man kann jetzt nicht sagen, unter diesen Bedingungen macht man die eine Entscheidung so und die andere Entscheidung so. Man muss ein Gesamtkonzept anschauen und dann kann man es bewerten.

    Heckmann: Alexander Radwan war das, der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Danke für das Interview!

    Radwan: Gerne!