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Lufthansa-Streik
Tarifdiktat! - Nein, inakzeptable Verhandlungsbedingungen!

Die Pilotengewerkschaft Cockpit und die Lufthansa schieben sich gegenseitig die Schuld an der erneuten Eskalation des Tarifkonflikts zu. Doch wie argumentieren die Konfliktparteien? Ein indirektes Streitgespräch mit Andreas Bartels, Sprecher der Lufthansa, und Jörg Handwerg, Vorstandsmitglied bei der Vereinigung Cockpit.

Andreas Bartels und Jörg Handwerg im Gespräch mit Benjamin Hammer | 08.09.2015
    Eine Maschine der Lufthansa ist am 29.09.2014 am Flughafen von Frankfurt am Main (Hessen) nahe eines Stoppschilds im Landeanflug.
    Der Pilotenstreik sorgt wieder für Ausfälle bei der Lufthansa. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Benjamin Hammer: Erst erklärte die Pilotengewerkschaft Cockpit die Tarifverhandlungen mit der Lufthansa für gescheitert. Dann kündigte sie für heute einen Streik auf der Langstrecke an, um dann wenig später eine Schippe draufzulegen. Morgen sollen die Kurz- und Mittelstreckenflüge bestreikt werden. Und weil sich die Lufthansa und die Pilotengewerkschaft im Moment scheinbar kaum etwas oder gar nichts zu sagen haben, zog die Lufthansa vor das Arbeitsgericht - gleich zweimal: in Köln und in Frankfurt. Die Verhandlungen laufen gerade noch und wir schalten gleich zu unserem Reporter. Vorher wollen wir aber versuchen, die Zankhähne an einen Tisch zu bekommen. Das funktioniert natürlich nicht so wirklich. Sowohl die Lufthansa als auch die Pilotengewerkschaft wollen nicht öffentlich streiten. Wir haben sie daher nacheinander angerufen. Es folgt ein indirektes Streitgespräch. Andreas Bartels ist Sprecher der Lufthansa, Jörg Handwerg ist Pilot bei der Lufthansa und Vorstandsmitglied bei der Vereinigung Cockpit.
    Moderator: Frage an die Lufthansa: Schon wieder Streik, schon wieder Frust bei den Passagieren. Warum ist Ihrer Meinung nach die Pilotengewerkschaft Cockpit an einer erneuten Eskalation schuld?
    Andreas Bartels: Wir hatten ein Angebot von der Vereinigung Cockpit auf dem Tisch. Das haben wir als gute Grundlage bezeichnet und betrachtet für weitere Verhandlungen und deswegen hatten wir der Vereinigung Cockpit auch vorgeschlagen, jetzt im Detail über dieses Angebot zu verhandeln. Allerdings hat die Vereinigung Cockpit dies an Vorbedingungen geknüpft, die lauteten, dass wir mit unserem strategischen Projekt Eurowings nicht weitermachen sollten, und das ist eine Vorbedingung, die für Verhandlungen nicht akzeptabel war für uns, und deswegen ist es zu dieser Eskalation gekommen.
    Moderator: Frage an die Pilotengewerkschaft: Sie streiken zum 13. Mal. Die Passagiere sind genervt. Warum ist Ihrer Meinung nach die Lufthansa für den Streik verantwortlich?
    Jörg Handwerg: Die Lufthansa ist deswegen für den Streik verantwortlich, weil wir uns hier einem Management gegenübersehen, was nicht mehr eine Tarifpartnerschaft führen möchte, sondern man möchte die eigenen Vorstellungen zu 100 Prozent am Tariftisch umgesetzt sehen, und wenn wir sagen, wir möchten über die Themen verhandeln, dann heißt es, entweder so oder wir machen es ohne euch, und deswegen kommen wir auch am Tariftisch nirgends zu Lösungen. Die Lufthansa hat ja schon mehrfach die Gesamtschlichtung, die wir vorgeschlagen haben, abgelehnt. Sie hat unser Paket von 500 Millionen, was wir angeboten hatten, weil sie ja immer sagen, es geht um Wettbewerbsfähigkeit, auch abgelehnt. Insofern ist die Verantwortung ganz klar bei der Lufthansa zu suchen.
    "Wir müssen profitabler werden"
    Moderator: Zweite Frage an die Lufthansa: Die Lufthansa steht in diesem Geschäftsjahr vor einem Rekordergebnis - 1,75 Milliarden Euro. Ihrem Unternehmen geht es also gut. Und nur mal nebenbei: Die Gehälter für die Piloten machen gerade mal vier bis fünf Prozent der Gesamtausgaben der Lufthansa aus. Warum versuchen Sie, die Bezüge Ihrer Piloten überhaupt zu drücken?
    Bartels: Ja, es ist richtig, dass wir in diesem Jahr einen guten Geschäftsverlauf bislang haben. Allerdings muss man dazu wissen, dass gerade im Passagiergeschäft hierzu einen wesentlichen Beitrag leistet der niedrige Ölpreis und auch durch die Währung haben wir einen gewissen unterstützenden Effekt und auch durch die veränderte Abschreibung. Das heißt, da gibt es außergewöhnliche Effekte, die dieses gute Ergebnis ermöglichen. Von daher müssen wir profitabler werden, auch wenn das vielleicht in den Augen der Vereinigung Cockpit schon gelungen ist oder schon so aussieht, als wenn wir viel verdienen würden. Letztlich brauchen wir das, um die Investitionen zu stemmen.
    Moderator: Zweite Frage an die Piloten: Ryanair und Co. wachsen seit Jahren, sind deutlich schlanker aufgestellt als die Lufthansa. Privilegien wie ein gut bezahlter Übergang bis zur Rente sind dort undenkbar. Mal ehrlich: Wird es nicht Zeit, dass sich Piloten, die bis zu 250.000 Euro im Jahr verdienen, ein wenig einschränken?
    Handwerg: Ich tue mich, ehrlich gesagt, mit dem Begriff "Privilegien" schon mal schwer, das sind hier Löhne und Gehälter und keine Goodies, die jemand geschenkt bekommt. Und wir liegen bei Lufthansa im internationalen Vergleich durchaus nicht an der Spitze. In China werden teilweise doppelte Gehälter gezahlt. Aber darum geht es eigentlich auch nur vordergründig. Wir sagen ja, wir sind bereit, die Wettbewerbsfähigkeit herzustellen, aber dazu müssen wir eine Marktuntersuchung machen, denn aus unserer Sicht möchte die Lufthansa einfach die Löhne nur so weit runterdrücken wie irgend möglich, und das macht man eben, indem man gar nicht mehr mit uns verhandelt, sondern einfach Fakten schafft.
    "Wir brauchen eine starke Gewerkschaft"
    Moderator: Eine letzte Frage an die Lufthansa: Die Passagiere fragen sich, wann vertragen die sich endlich. Geben Sie sich einen Ruck, gehen Sie auf die Piloten zu. Wie würden Sie den Konflikt in den nächsten Tagen entschärfen?
    Bartels: Ja, wir sind mit sehr, sehr vielen Angeboten, Zugeständnissen, Vorschlägen auf die Vereinigung Cockpit zugegangen in den letzten 24 Monaten und wir haben immer wieder einen Antritt gemacht, um in Verhandlungen zu kommen. Leider ist das immer wieder gescheitert an der Vorbedingung, die gestellt wurde durch die Gewerkschaft, und letztlich müssen wir einen Weg finden, um die Gewerkschaft davon zu überzeugen, mit uns wieder ernsthaft zu verhandeln. Denn nur auf dem Verhandlungswege werden wir diesen Konflikt lösen können.
    Moderator: Und schließlich die dritte Frage an die Piloten: Geben Sie sich einen Ruck, gehen Sie auf die Lufthansa zu. Wie würden Sie den Konflikt in den nächsten Tagen entschärfen?
    Handwerg: Wir sind ja jederzeit verhandlungsbereit, aber wir müssen natürlich von der Lufthansa auch klare Signale kriegen, dass hier eine ernsthafte Verhandlungsbereitschaft besteht aufseiten des Managements, und die sehen wir im Augenblick nicht, sondern man ist der Meinung, man kann die Gewerkschaftsmacht hier brechen und dann einfach frei agieren und per Tarifdiktat die Vorgaben machen, was die Kollegen noch verdienen. Das ist natürlich, wenn man bedenkt, dass Lufthansa 80 Prozent mindestens des Pilotenmarktes in den deutschsprachigen Ländern beherrscht, auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Da brauchen wir eine starke Gewerkschaft. Und diese grundsätzliche Bereitschaft, Tarifverträge zu schließen, die ist nicht da.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.