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"Luftverkehr wird heute faktisch subventioniert"

Der Grünen-Politiker Reinhard Loske hat eine Klimaabgabe auf Flugtickets als sinnvoll bezeichnet. Diese alte Idee seiner Partei ließe sich schnell und unbürokratisch umsetzen, sagte Loske. Allerdings sei eine solche Abgabe kein Ersatz dafür, dass der Luftverkehr in den Emissionshandel einbezogen werden müsse und dass "Kerosinsteuer-Privilegien" abgebaut werden müssten.

Moderation: Gerd Breker |
    Gerd Breker: Umweltpolitiker von CDU und SPD, der Großen Koalition in Berlin also, haben vor dem Hintergrund des Klimawandels für eine Abgabe auf Flugtickets plädiert. Damit könnten wir Klimaschutzmaßnahmen bei uns oder auch in den Entwicklungsländern finanzieren, sagte etwa die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner. Ähnlich wie Frau Gönner äußerte sich auch die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag Katherina Reiche. Sie meinte, auch der Flugverkehr muss in den Klimaschutz mit einbezogen werden. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef im Bundestag Ulrich Kelber: Wenn wir eine europaweite Kerosinsteuer nicht hinbekommen, dann ist eine Klimaabgabe auf Flugtickets eine gute Möglichkeit.

    Am Telefon begrüße ich nun Reinhard Loske, Umweltexperte der Bündnisgrünen. Guten Tag Herr Loske.

    Reinhard Loske: Schönen guten Tag Herr Breker.

    Breker: Herr Loske, da nimmt Ihnen die Große Koalition ein wichtiges Thema weg?

    Loske: Na ja, in der Tat ist die Ticketabgabe eine alte Idee der Grünen. Insofern kann man nur sagen willkommen im Club, denn das lässt sich in der Tat schnell und unbürokratisch machen und es spielt auch je nach Höhe natürlich eine Menge Geld ein, die dann gezielt für Klimaschutz in zum Beispiel Entwicklungsländern verwendet werden könnte.

    Breker: Sie sagen uns also, die Billigflieger, insbesondere die sind in den Augen von Umweltpolitikern, wovon es ja in den Reihen der Grünen etliche gibt, ein Übel, was endlich weg muss.

    Loske: Ich würde eigentlich gar nicht nur von Billigfliegern reden. Ich würde grundsätzlich mal von der Annahme ausgehen, dass der Luftverkehr heute auf vielerlei Weise faktisch subventioniert wird gegenüber allen anderen Verkehrsträgern. Die Bahn zahlt zum Beispiel Stromsteuer, das Auto zahlt die Mineralölsteuer. Das Kerosin in den Flugzeugen wird nicht besteuert. Im innereuropäischen Verkehr werden Mehrwertsteuern auf Flüge nicht erhoben, sehr wohl aber auf Bahnfahrten. Das heißt wir haben heute eine ganze Fülle von Schattensubventionen zu Gunsten des Flugverkehrs und das Paradoxe ist natürlich, dass just der Verkehrsträger, der relativ am klimaschädlichsten ist, von der Politik am meisten gefördert wird: durch steuerliche Rahmenbedingungen, durch Subventionen aller Art. Dieses Übel gilt es zu beseitigen, auch im Sinne von Wettbewerbs-Fairness zwischen den Verkehrsträgern, aber vor allen Dingen natürlich auch wegen des Klimaschutzes. Insofern ist die Debatte jetzt willkommen, aber reden alleine genügt natürlich nicht. Man muss auch handeln!

    Breker: Bevor wir zum Handeln kommen, wäre das denn, Herr Loske, aus Ihrer Sicht, aus der Sicht des Experten mehr als ein Zeichen, mehr als ein Symbol?

    Loske: Der Hintergrund dieser Ticketabgabe, wenn man mal guckt, woher das kommt, ist eigentlich, dass man zusätzliches Geld generieren will für Zwecke des Klimaschutzes in Entwicklungsländern. Chirac beispielsweise hatte das vor zwei Jahren vorgeschlagen. Einige Länder machen das auch schon. Aber bei dieser ganze Klimaschutzdebatte insgesamt muss man natürlich sagen, so eine Ticketabgabe kann nicht die systematische Einbeziehung des Luftverkehrs in den Klimaschutz ersetzen. Dafür ist es notwendig, den Luftverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen. Das hat die EU-Kommission ja jetzt auch vorgeschlagen ab 2011. Dann wird man in den nächsten Monaten sehen, ob das tatsächlich auch durchgesetzt wird. Das ist dringend notwendig. Genauso notwendig ist es, dass diese Kerosinsteuer-Privilegien, die der Luftverkehr hat, endlich abgebaut werden im Sinne der Wettbewerbs-Fairness, von der ich eben gesprochen habe. Eine Ticketabgabe ist alles in allem gut zur Generierung von zusätzlichen Mitteln für Klimaschutz vor allen Dingen in Entwicklungsländern, aber sie ist kein Ersatz dafür, dass wir den Luftverkehr systematisch über den Emissionshandel, über die Kerosinbesteuerung in den Klimaschutz einbeziehen. Also kein "entweder oder", sondern ein "sowohl als auch".

    Breker: Herr Loske, Sie haben die Europäische Kommission angesprochen. Wir haben in den Zitaten, die ich eben vorgetragen habe, auch gehört, wenn wir auf europäischer Ebene nicht klar kommen, dann muss man auf nationaler Ebene etwas tun. Wie groß sind denn die Chancen, auf europäischer Ebene eine gemeinsame Aktion zu starten?

    Loske: Eine ganz traurige Geschichte. Im Grunde genommen ist zehn Jahre lang verhandelt worden über eine europäische Kerosinbesteuerung. Das ist gescheitert an den Tourismusländern. Steuerfragen sind in der EU bekanntermaßen Einstimmigkeitsfragen. Das heißt also jedes Land hat Blockademacht und davon ist Gebrauch gemacht worden. Deswegen hat die EU 2004 eine Energiesteuerrichtlinie endgültig verabschiedet und in dieser Richtlinie findet sich keine EU-einheitliche Kerosinbesteuerung. Es wird den Mitgliedsstaaten aber explizit das Recht eingeräumt, auf nationaler Ebene für Innlandsflüge Kerosinsteuern zu erheben, und auch das Recht eingeräumt, beispielsweise im Rahmen von bilateralen Luftverkehrsabkommen solche Kerosinsteuern zwischen Ländern auch einzuführen. Wenn wir uns mal angucken, wo geht der Verkehr ab und wo kommt er an, dann könnte man sagen, wenn die wichtigen europäischen Flughäfen - das sind Frankfurt, Amsterdam, die Pariser Flughäfen, die Londoner Flughäfen - drin wären, dann wäre schon sehr, sehr viel erreicht. Das heißt wenn der politische Wille jetzt da ist - und das klingt ja so oder mindestens wird es so verlautbart -, dann kann man so eine Kerosinbesteuerung einführen, aber dann muss man es wirklich auch tun und nicht nur darüber reden.

    Breker: Herr Loske Sie sagen, wenn der politische Wille da ist. Manchmal drängt sich bei uns der Eindruck auf, als könne man mit der Regierung Merkel in Sachen Umweltschutz mehr erreichen, als wir mit Gerhard Schröder erreichen konnten.

    Loske: Na ja, ich sehe schon bei der jetzigen Regierung ziemlich dramatisches Auseinanderklaffen von Worten und Taten. Die Rhetorik ist gut, aber jenseits der Rhetorik, wenn ich mir die einzelnen Felder anschaue: Bei den CO2-Grenzwerten für Automobile hat man in Brüssel voll auf der Bremse gestanden und den Vorschlag der Kommission verwässert. Beim Emissionshandel hatte man ursprünglich vor, in Brüssel zu melden, einen als Förderprogramm für Braunkohlekraftwerke getarnten Klimaschutzplan einzureichen. Das hat die Kommission jetzt kassiert. Oder wenn ich mir angucke die Diskussion übers Tempolimit, wo wir ja versuchen, eine fraktionsübergreifende Initiative hinzubekommen, wo dann die Unionsspitze auf die Bremse tritt und sagt nein, das gibt es nicht und so weiter. Das finde ich schon ein ziemlich heftiges Auseinanderklaffen von Worten und Taten. Grundsätzlich war es unter Schröder aber natürlich auch nicht einfach. Das kann ich Ihnen durchaus bestätigen.

    Breker: Es sieht ein wenig so aus, wenn man dahin guckt, dass Sie nicht der Ansicht sind, dass man mit schwarz vielleicht mehr für das Klima tun könnte als mit rot?

    Loske: Ja, aber das ist zunächst mal eine abstrakte Frage, weil jetzt im Moment nichts dergleichen ansteht. Grundsätzlich gibt es natürlich mit der Union Gemeinsamkeiten hier und da, gar keine Frage: Mittelstandsorientierung, Subsidiarität im Sozialstaat oder auch mindestens auf der theoretischen Ebene was unter dem Stichwort Bewahrung der Schöpfung läuft. Aber wie gesagt es klaffen Worte und Taten noch recht deutlich auseinander. Grundsätzlich kann man die Option durchaus einbeziehen in die Überlegungen. Es wäre interessant, das mal real zu machen. Wir haben es ja in einigen großen Städten. In manchen Städten klappt es gut, in anderen nicht so gut. Auf Bundesebene steht die Entscheidung jetzt nicht an. Deswegen muss man jetzt nichts dazu sagen. Bei den Landtagswahlen, die wir jetzt haben, Bremen, Hessen, Niedersachsen, sehe ich eigentlich eher, dass die Alternative rot-grün oder schwarz-gelb heißt. Vor Überraschungen ist man aber nie gefeit. Ich würde es auf keinen Fall grundsätzlich ausschließen. Ich halte auch überhaupt nichts davon, zur Union hin einen tiefen Kulturgraben auszuschachten und zu sagen mit denen geht per se nichts zusammen. Das stimmt nicht, aber das ist fallweise zu entscheiden. Inhalte zuerst und dann kann man über Konstellationen reden.

    Breker: Der Umweltexperte der Bündnis-Grünen Reinhard Loske war das im Deutschlandfunk. Herr Loske, danke für dieses Gespräch.

    Loske: Gerne!