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Luftverschmutzung
EuGH macht strenge Vorgaben für Messstationen

Bei der Messung von Lufverschmutzung geht es auch um mögliche Fahrverbote. Darüber wird heftig gestritten. Der Europäische Gerichtshof hat in einem Urteil die Regeln für Messstationen präzisiert und geurteilt, dass schon vereinzelte Überschreitungen von Grenzwerten gegen EU-Recht verstoßen.

Von Paul Vorreiter | 26.06.2019
Geräte für die Probennahme von Feinstaub und Stickoxiden stehen auf der Luftmessstelle «Stuttgart am Neckartor».
Der Standort von Messstationen soll laut EuGH von nationalen Gerichten laufend überprüft werden. (picture alliance / Sebatian Gollnow)
Wo Stationen zur Messung der Luftverschmutzung aufgestellt werden, darf nicht willkürlich gewählt werden. Der Europäische Gerichtshof hat heute in seinem Urteil festgestellt, dass die EU-Luftqualitätsrichtlinie detaillierte Regelungen enthält. Zum Beispiel: Maximal zehn Meter von der Straße entfernt, in der Regel sollten die Proben in einer Höhe von 1,5 bis 5 Metern genommen werden. An Verkehrs-Hotspots müssen die Luftproben für einen 100 Meter langen Straßenabschnitt repräsentativ sein. Gemessen wird dabei sowohl in der Rush-Hour, als auch in den Nachtstunden, wenn weniger Verkehr auf der Straße ist. Daraus wird ein Jahresmittelwert an gesundheitsschädlichen Stickstoffdioxid errechnet, der nicht über 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen darf.
Auf klare, präzise und nicht an Bedingungen geknüpfte Verpflichtungen können sich auch Einzelpersonen gegenüber dem Staat berufen, also vor Gericht gehen, wenn sie Zweifel haben an der Standortwahl der Messstellen. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe findet das gut: "Natürlich haben jetzt auch Bürger die Möglichkeit, gegen ihre Verwaltung vorzugehen in der Regel sind das die Bundesländer und ich würde jedem Bundesland empfehlen, in den ungefähr 335 Städten in denen wir erhebliche Probleme mit dem Dieselabgaswerten haben, auch die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen."
Umwelthilfe erwartet mehr Fahrverbote
Es ist Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob die Behörden richtig vorgehen, ob sie die Messstellen dort einrichten, wo die höchsten Belastungen zu erwarten sind und zu prüfen, ob die Behörden ausreichend viele Messstellen positionieren. Sie müssen bei der Standortwahl vermeiden, dass unbemerkt Grenzwerte überschritten werden, ihre Entscheidung auf wissenschaftlichen Daten stützen und die Standortwahl laufend dokumentieren, damit sie auch im Laufe der Zeit weiterhin gerechtfertigt ist. Falls die Behörden die Standorte entgegen der EU-Richtlinie aufstellen, dürfen die Gerichte Änderungen anordnen. Jürgen Resch sieht folgende Konsequenzen: "An jeder Stelle, an der in einer Stadt eine Überschreitung gemessen wird, müssen Grenzwerte eingehalten werden. Das bedeutet schlicht, dass wir mehr Fahrverbote für die besonders schmutzigen Dieselfahrzeuge bekommen und ich hoffe, dass das dazu führt, dass wir endlich die Umrüstungen auf Kosten der Hersteller in der Praxis sehen."
Richter lassen Mittelwerte nicht gelten
Der EuGH klärte auch die Frage, ob gegen die EU-Vorgaben zur Luftqualität bereits verstoßen wird, wenn lediglich bei einer einzigen Probeannahmestelle eine höhere Belastung gemessen wird. Die Antwort des Gerichts ist: Ja. Den Mittelwert aller Messstationen in einem Gebiet zu nehmen, gibt laut den Richtern keinen zweckdienlichen Hinweis darauf, wie stark die Bevölkerung Schadstoffen ausgesetzt ist. Michael Bloss, Abgeordneter der neuen Grünen-Fraktion im Europaparlament, sieht damit auch ein Schlupfloch geschlossen.
"Diejenigen, die versucht haben, an den Grenzwerten herum zu tricksen, indem sie die Messstellen verschieben, die wurden durch dieses Urteil ganz klar in ihre Schranken gewiesen. Jetzt muss sich die Politik wieder darauf konzentrieren, was wirklich wichtig ist, sauberere Luft zu schaffen, Gesundheit von Bürgerinnen und Bürgern ernst zu nehmen und nicht Scheindebatten um die Standortwahl zu führen." Ähnliche Kritik auch von der Linksfraktion im Bundestag. Ingrid Remmers, verkehrspolitische Sprecherin teilte wörtlich mit, Grenzwerte anzuzweifeln und Messgeräte so lange hin- und herzuschieben, bis die Ergebnisse passen, diese Taktik von Bundesverkehrsminister Scheuer sei nun endgültig gescheitert.