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Luftverschmutzung
Mit Moos gegen Feinstaub

In Laborversuchen wurde schon nachgewiesen, dass Moose etwa Feinstaub aus der Luft elektrostatisch anziehen könnten. Ob das tatsächlich funktioniert, soll jetzt an einer der schmutzigsten Straßen Deutschlands getestet werden, der Cannstatter Straße in Stuttgart. Die Forscher haben nur ein kleines Problem.

Von Leonie Seng | 16.03.2017
    Erstmals in Baden-Württemberg ist eine Wand mit Moosen errichtet worden, um Schadstoffe und Feinstaub aus der Luft zu filtern. Die Mooswand steht an der B 14 / Cannstatter Straße. Bürgermeister Peter Pätzold direkt davor.
    Bürgermeister Peter Pätzold vor der Mooswand, die in Stuttgart Schadstoffe aus der Luft filtern soll. (imago / 7aktuell)
    "Also wir sind jetzt im Schlosspark auf der Rückseite der Betonwand und gehen durch die Tür durch auf die Seite der Bad Cannstatter Straße, wo auch die ganzen Autos fahren."
    "Das ist ja aber kein ganz toller Arbeitsplatz, oder?
    "Naja, es geht, immerhin wird man hier nicht gestört. Und in der Mittagspause kann man in den Park gehen, das ist schon ganz okay."
    Der Mitarbeiter der Firma Vertiko lässt sich von dem immensen Verkehrsaufkommen auf der B 14 nahe des Stuttgarter Neckartors offenbar nicht beeindrucken. Zusammen mit einem Kollegen ist er zur Zeit dabei, die Aluminiumwände aufzubauen, auf denen später Moosmatten angeschraubt werden. Das Ziel der innerstädtischen Begrünungsaktion: Zu testen, ob die Moose die enorme Feinstaubbelastung in der Luft reduzieren können. Bis Ende März soll die 100 Meter lange und drei Meter hohe grüne Wand fertig sein. Zusätzlich mit am Boden ausgelegten Moosmatten ergibt das eine Gesamtfläche von 500 Quadratmetern. Jan Knippers, Leiter des Instituts für Tragkonstruktion an der Fakultät für Architektur und Stadtplanung der Universität Stuttgart koordiniert das viel beachtete Projekt:
    "Ziel des Projektes ist nicht, ein architektonisches Schmuckstück zu schaffen, sondern Ziel ist wirklich, hier die Messung durchzuführen und zu evaluieren und deswegen ist auch die ganze Konstruktion denkbar einfach gehalten. Das ist im Grunde nur ein Bauzaun und Ziel ist eben, für ein gegebenes, begrenztes Budget möglichst viel Moosfläche zu realisieren, um diese Messungen auch wirklich sinnvoll durchführen zu können."
    Probleme bei der Finanzierung führten zu Verzögerungen
    "Rund eine halbe Million Euro investieren die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg in das Projekt. Es ist eine der aktuellen Maßnahmen gegen die Feinstaubbelastung im Stuttgarter Talkessel. Ein ab 2018 geltendes Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge an Tagen mit "Feinstaubalarm" und jüngst eingesetzte Kehrmaschinen, die bis Ende März nachts über die Cannstatter Straße rollen, sollen ebenfalls dazu beitragen, das Problem in den Griff zu bekommen. Zwei Passanten am Stuttgarter Neckartor äußern sich skeptisch, ob all das reichen wird."
    "Ja, ist viel zu laut hier! … Entweder müsste es eine Umgehungsstraße geben, ganz außerhalb der Stadt, so wie in Zürich. Oder einfach, verboten werden. Oder noch niedrigere Geschwindigkeiten."
    "Die sollen nicht für uns machen, sondern für Anwohner, die hier sind. Ne, das ist laut! Dass die nicht krank werden, wundere ich. Vielleicht sind die auch krank. Fenster können die nicht aufmachen!"
    Eigentlich sollte die Mooswand schon im Herbst 2016 aufgestellt werden. Bereits im Jahr 2015 hatte Jan Knippers sich mit dem Vorhaben direkt an den Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn gewandt und daraufhin den Auftrag durch das Amt für Umweltschutz erhalten. Doch die Organisation der Finanzierung führte zu Verzögerungen.
    "Die Stadt wollte das ja immer haben und die hat auch ein großes Interesse daran. Aber die städtischen Mittel alleine reichen nicht aus, das heißt, wir brauchen noch zusätzliche Fördermittel, um auch tatsächlich ein wissenschaftliches Programm durchführen zu können. Und das muss erst mal alles geklärt werden, besprochen werden, beantragt werden und so weiter."
    Die Moose müssen durch den Sommer kommen
    Die Verzögerung um ein halbes Jahr stellt die Forscher nun vor neue Herausforderungen: Sie müssen die Moospflanzen heil über den Sommer bekommen. Denn die nächste Feinstaubsaison, in der die spannendsten Messergebnisse zu erwarten sind, beginnt erst im Winter 2017, erklärt Jan Knippers. Deshalb sollen die Wände bis 2018 stehen bleiben.
    "Also Moose mögen natürlich vor allen Dingen einen feuchten, schattigen Platz, das wissen wir ja alle aus unserem eigenen Garten zuhause. Und hier sind eben die Moose teilweise nach Süden orientiert und auch vertikal angeordnet; das sind natürlich Bedingungen, die Moose eigentlich nicht besonders gern haben."
    Aus diesem Grund haben die Forscher eine Bewässerungsanlage eingebaut, die gegebenenfalls zum Einsatz kommen kann. Obwohl die Methode im Labor bereits erfolgreich getestet wurde, dämpft Jan Knippers übertriebene Erwartungen.
    "Wir sind froh, wenn die Mooswand die Feinstaubbelastung um 10 Prozent, 15 Prozent drücken kann. Die Mooswand ist nur ein Bestandteil einer ganzen Reihe von Maßnahmen, die man ergreifen kann oder muss, um die Feinstaubbelastung zu reduzieren."