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Luxemburg
Kein Religionsunterricht an staatlichen Schulen

In Luxemburg werden Kirche und Staat getrennt. Eine Folge: An staatlichen Schulen gibt es keinen Religionsunterricht mehr, stattdessen wird das Fach "Leben und Gesellschaft" angeboten. Religionslehrerinnen und Religionslehrer müssen sich neue Jobs suchen.

Von Tonia Koch | 24.10.2017
    Eine leere Schultafel und eine Schultasche.
    In Luxemburg gibt es künftig an staatlichen Schulen keinen Religionsunterricht mehr. (imago / Ute Grabowsky)
    39 Jahre lang war Jean-Marie Boumanns Religionslehrer an luxemburgischen Grundschulen. Die politische Entscheidung, die katholische Religionslehre aus dem Unterrichtsangebot zu streichen, traf ihn daher hart. Jean-Marie Boumanns:
    "Boah, das war ein fieses Gefühl, klar, Rausschmiss!"
    Betroffen davon sind insgesamt 200 Lehrerinnen und Lehrer. Die meisten hatten wie Boumanns nach dem Abitur eine dreijährige Ausbildung zum Religionslehrer beim Bistum absolviert und wurden dann an die Schulen abgeordnet. Andere Fächer durften sie nicht unterrichten. Das Angebot des Bildungsministeriums, ein pädagogisches Studium drauf zu satteln, hat kaum einer genutzt. Stattdessen ließen sich die Klassenlehrer fortbilden, um das neue Fach "Leben und Gesellschaft" zu vermitteln, erläutert Bildungsminister Claude Meisch:
    "Ich finde das sehr positiv, denn der Klassenlehrer hat damit die Möglichkeit auch einmal den Schüler von einer anderen Seite kennenzulernen, wenn es um Fragen wie unterschiedliche Lebensweisen, unterschiedliche Glaubens- und Denkrichtungen geht, anstatt ihn nur aus dem Mathe- oder Sprachenunterricht zu kennen."
    "Sehr durchwachsen das Ganze"
    Dem ursprünglichen Konzept, die Religionslehrer einzubinden, entspricht das nicht. Trotzdem sind viele in den Schulen geblieben und arbeiten nun als Assistenzlehrer, die etwa in der Nachmittagsbetreuung eingesetzt werden. Für Jean-Marie Boumanns kam das nicht in Frage, er hat sich für einen Job im Rahmen der Jugendhilfe entschieden und berufsbegleitend ein einjähriges sozialpädagogisches Kurzstudium absolviert.
    "Das hat schon viel Arbeit und Mühe gekostet. Neben der Arbeit in der Schule musste ich ja das ganze Studium bewältigen und für einen alten Mann von 59 Jahren war das dann doch nicht so leicht, ich hatte mir das einfacher vorgestellt."
    Aber die Anstrengung habe sich gelohnt, er habe seine Lücke gefunden. Für andere gelte das nicht, sagt Boumanns.
    "Eine ganze Reihe Mails habe ich in den letzten Wochen durchgelesen von früheren Kollegen. Einige fanden ihren neuen Job wirklich ansprechend auch von den Anforderungen, andere sind sehr unzufrieden und wissen nicht, wo ihr Platz ist und finden sich auch nicht in ihrer Arbeit zurecht, also ist sehr durchwachsen das Ganze."
    Neues Katechese-Konzept
    48 Lehrerinnen und Lehrer sind beim Bistum verblieben. Diese werden vom Staat bezahlt und stellen in den 33 Kirchengemeinden des Erzbistums Luxemburg den Religionsunterricht sicher. Das neue Katechese-Konzept richte sich zwar an alle Altersgruppen, im Moment aber hätten die 6- bis 12-jährigen Kinder Priorität, sagt der zuständige Direktor Patrik de Rond.
    "Die katechetischen Angebote sehen vor, dass die Kinder in Gruppen unterwegs sind und jeweils zwei Mal im Monat anderthalb Stunden zusammenkommen. Das heißt, wir sind momentan in der Lage ein flächendeckendes Angebot von drei Stunden Katechese im Monat pro Pfarrei anzubieten, was im Stundenumfang wesentlich geringer ist als das, was wir vorher im Religionsunterricht hatten."
    Die Nachfrage sei da und erreiche augenblicklich etwa 20 Prozent der Kinder. Und klar sei auch, dass diejenigen, die zur Erstkommunion gehen möchten über einen längeren Zeitraum an der außerschulischen religiösen Erziehung teilnehmen müssten, so de Rondt.
    Im Moment gibt es die Regel, dass wir sagen: drei Jahre Weg sind Voraussetzung für die Erstkommunion."
    In dieser Zeit sollen die Kinder mit dem neuen Format vertraut werden, damit sie langfristig dabei bleiben. Ob das gelingen wird, ist fraglich, das weiß auch das Bistum. An der politischen Entscheidung ist nicht mehr zu rütteln und Proteste gegen die Einführung des Unterrichtsfachs "Leben und Gesellschaft", in dem das Wissen auch um religiöse Zusammenhänge vermittelt wird, sind ausgeblieben. Für Privatschulen gelten anderen Regeln. Sie dürfen das neue Fach Leben und Gesellschaft zwar nicht unberücksichtigt lassen. Aber von den zwei dafür vorgesehenen Wochenstunden darf eine in klassischen Religionsunterricht umgewandelt werden. Claude Meisch:
    "Das haben jetzt einige Privatschulen ausgenutzt und das führt dazu, dass vielleicht der eine oder andere Schüler dann eher dorthin geht. Aber wir wollen in Luxemburg unterschiedliche Schulen, wir wollen eine Vielfalt an Bildungsangeboten haben und dazu zählen unterschiedliche Angebote an den Privatschulen."