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LuxLeaks-Prozess
Europa und seine Whistleblower

In Luxemburg stehen ein Journalist und zwei Whistleblower vor Gericht - einer von ihnen ist Antoine Deltour, der bis zu fünf Jahre Gefängnis für die Aufdeckung von Steuertricks großer europäischer Unternehmen riskiert. Ihm und seinem Anwalt geht es im aktuellen Prozess auch darum zu zeigen, wie Europa zukünftig mit seinen Whistleblowern umgehen wird.

Von Tonia Koch | 26.04.2016
    Die Staatsanwaltschaft hat schweres Geschütz aufgefahren. Diebstahl, illegaler Zugriff auf Computersysteme, Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen, Bruch der beruflichen Schweigepflicht und Besitz gestohlener Dokumente. Die Vorwürfe wiegen schwer und sie würden wohl ausreichen, seinen Mandanten, Antoine Deltour, zu verurteilen, sagt Philippe Penning, der Anwalt des ehemaligen Mitarbeiters der Beratungsgesellschaft Price Waterhouse Coopers.
    "Er riskiert bis zu fünf Jahre Gefängnis für einzelne Straftatbestände und wenn man sie dann noch zusammenrechnen würde bis zu zehn Jahre Gefängnis und bis zu einer Million 250.000 Euro."
    Aber, der Verteidigung Antoine Deltours geht es nicht um die einzelnen Straftatbestände, ihr geht es darum, mit Hilfe dieses Prozesses zu klären, wie Europa künftig mit Whistleblowern umgeht.
    "Die ganze Welt wird auf diesen Prozess schauen, es ist das erste Mal, dass in Europa ein Whistleblower vor Gericht steht, alle anderen standen ja noch nicht vor Gericht, der Assange, der Snowden usw."
    Nachdem bereits 2011 der europäische Menschengerichtshof in Straßburg geurteilt hat, dass Menschen zu schützen sind, wenn sie Missstände in ihren Unternehmen, Organisationen oder der öffentlichen Verwaltung anzeigen, dreht sich überall in Europa die Diskussion darum, wie weit der Schutz für die uneigennützig handelnden Hinweisgeber gehen soll. Luxemburg hat ein Gesetz zu ihrem Schutz erlassen, Justizminister Felix Braatz.
    "Unser Gesetz sieht vor, dass Arbeitnehmer oder öffentliche Beschäftigte, die zu Aufklärung von Korruption beitragen, nicht belangt werden können."
    Antoine Deltour wollte nach eigenen Angaben weder seinem Arbeitgeber noch dessen Kunden schaden, sondern auf ein ungerechtes System aufmerksam machen.
    "Meine Motivation war es, dieses System zu entlarven, diese radikale Form der Steueroptimierung, die es den Konzernen erlaubt überhaupt keine Steuern zu zahlen, das hat mir Bauchschmerzen bereitet."
    Gesetz zum Schutz von Whistleblowern greift nur bei Korruption
    In seinem Fall dürfte das luxemburgische Hinweisgeber-Schutz-Gesetz höchst wahrscheinlich zu kurz greifen, denn es ist in erster Linie darauf gerichtet, Korruption zu bekämpfen. Darüber hinaus waren und sind die Steuer-Praktiken von denen Deltour spricht, legal und sie beschränkten sich nicht allein auf Luxemburg. Darauf hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hingewiesen. Lange Jahre war Juncker Premierminister in Luxemburg und erst auf dem Höhepunkt der Lux-Leaks-Enthüllungen kam er als EU-Kommissionpräsident ins Amt.
    "Die Tax-Rulings, die Steuervorbescheide, wurden in 22 europäischen Ländern der Union angewendet."
    Aber, einfach so weiter machen wie bisher, das sah auch die EU-Kommission ein, das würde nicht gehen, sie versprach zu handeln.
    "Ich habe vorgeschlagen, dass wir Regeln ausarbeiten, die einen automatischen Austausch dieser tax-rulings vorsehen. Jeder Steuervorbescheid, der zwischen einem Unternehmen und einem Mitgliedstaat ausgehandelt wird, soll den Steuerverwaltungen der übrigen Staaten im Rahmen dieses automatischen Informationssystems zur Verfügung gestellt werden. Es ist die einzige Möglichkeit für Transparenz zu sorgen."
    Ein Misstrauensvotum im europäischen Parlament hatte Juncker im November 2014 überstanden. Die Richtlinie selbst soll zu Beginn des kommenden Jahres umgesetzt werden. Beim Prozess in Luxemburg geht es aber um mehr als die Frage, welchen Schutz muss die Gesellschaft Menschen angedeihen lassen, die wenn nicht illegale, so doch unmoralische Praktiken zu Lasten der Allgemeinheit aufdecken, es geht auch um die Grenzen der Presse- und Meinungsfreiheit. Denn der französischen Journalist, Edouard Perrin, der 2012 als erster über Lux-Leaks berichtet hat, wird vorgeworfen, die journalistische Ebene verlassen und sich zum Komplizen gemacht zu haben, was dieser bestreitet.