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Luxus vor 125 Jahren
Die erste Kreuzfahrt der Augusta Victoria

Bei Kälte sorgten Dampfheizungen in den Kabinen des Schnelldampfers Augusta Victoria für Behaglichkeit, bei Hitze versprachen Deckenventilatoren Linderung. Häufig vergebens. Dennoch wurde die vor 125 Jahren gestartete, weltweit erste Luxus-Kreuzfahrt des modernen HAPAG-Schiffes in den Orient ein voller Erfolg.

Von Mathias Schulenburg | 22.01.2016
    HAPAG, Schnelldampfer Augusta Viktoria
    HAPAG, Schnelldampfer Augusta Viktoria (imago / Arkivi)
    Das war in den Wintermonaten vor 1890 das übliche Schicksal eines vornehmlich für Passagiere eingerichteten deutschen Dampfers einer Amerikalinie: Er fuhr nur zur Hälfte ausgelastet durch den kalten Atlantik und zehrte am Kapital des Reeders. Denn wesentliche Erträge wurden damals mit dem Transport von Auswanderern erzielt; die aber bevorzugten für ihre schwere Reise die Sommermonate, damit zur Ungewissheit nicht noch die Kälte kam.
    Als die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actiengesellschaft HAPAG 1889 hochmoderne Schiffe bekam – das erste wurde nach der deutschen Kaiserin Augusta Victoria genannt, die eigentlich Auguste hieß – hatte der unternehmungslustige Generaldirektor Albert Ballin die Idee, die Wintermonate mit einer Schiffskreuzfahrt in den Orient profitabel zu überbrücken. So wurde die Augusta Victoria zum ersten Luxus-Kreuzfahrtschiff der Welt. Die Betonung liegt auf Luxus – bescheidenere Unternehmen dieser Art hatte es schon vorher gegeben. Ein HAPAG-Prospekt beschwärmte die Spitzenschiffe:
    "Der Comfort und die Eleganz, die auf den Schiffen zur Geltung gebracht sind, stellen Alles in den Schatten, was bisher auf Oceanschiffen geleistet wurde. Die großen und prächtigen Salons, die Damen-, Musik- und Rauchzimmer u. s. w. sind im reichsten Style ausgestattet worden; die besten Künstler wurden herangezogen, sie durch Gemälde, Schnitzereien und Dekorationen zu schmücken."
    Ein Teil des Lobes war sicher branchenüblich übertrieben; eine Kabine für zwei Personen in der ersten Klasse etwa maß gerade mal sechs Quadratmeter. Dafür gab es Waschbecken mit fließend kaltem und warmem Wasser. Bäder und WC waren Gemeinschaftseinrichtungen auf dem Flur. Die Aufteilung der Badezeiten übernahm ein Badesteward.
    Aber dann gab es noch ein wirklich überzeugendes Argument für HAPAGs neue Schiffe: Sie hatten einen Doppelschraubenantrieb. Schiffsschrauben können beschädigt werden oder gar verloren gehen. Dann dümpelte das betroffene Schiff, wenn es (wie damals lange üblich) nur eine Schraube hatte, hilflos auf See und war auf fremde Hilfe angewiesen – nicht leicht zu finden in einer Welt ohne Funkverbindungen.
    HAPAGs Orient-Kreuzfahrt war in kurzer Zeit ausgebucht. Am 22. Januar 1891 stach die Augusta Victoria mit 227 Passagieren an Bord von Cuxhaven aus in See, auch Albert Ballin und Frau. Das "Hamburger Abendblatt" schrieb:
    "Auf ihrer ersten Orientfahrt lief die Augusta Victoria 14-mal Häfen an und wurde überall überschwänglich empfangen. In Piräus ordnete der König 15 Salutschüsse an, in Istanbul, das seinerzeit noch Konstantinopel hieß, machte der Sultan der Türkei seine Aufwartung, von Alexandria aus besuchten die Passagiere Kairo und die Pyramiden."
    Die Unterhaltungsmöglichkeiten auf dem Schiff waren eher bescheiden; ein Prospekt empfahl dem "unbedarften Passagier", er könne Karten spielen, Wetten auf die Geschwindigkeit des Schiffes abschließen oder die Damen an Bord necken, was selbst eingeschworene Feinde zu Komplizen machen könne. Damen waren aber nur 67 an Bord, überwiegend englische. Deutschen Frauen wurden derartige Touren damals noch nicht zugetraut. Manchen Engländerinnen sagte die Reise ausweislich eines Tagebuches sehr zu:
    "Der Mond schien und der majestätische Felsen von Gibraltar erglänzte in seinen Strahlen. Ich war plötzlich traurig und es ärgerte mich, dass Florence Smith ihre Haare hinter mir kämmte und sagte: 'Oh dear, how nicely German men kiss.' Wir sind auf Eseln zu den Pyramiden geritten. Es ist hier so warm, dass ich meinen zweiten Anstandsunterrock ausgelassen habe, obgleich ich schon die dünnere Pikeesorte trug."
    Der Ritt auf Eseln war nicht allein romantischen Neigungen geschuldet. Die Transportmöglichkeiten an den Reisezielen waren einfach sehr beschränkt, sodass die Unternehmungen zu Lande viel Zeit in Anspruch nahmen. Das ganze Unternehmen war denn auch eine logistische Meisterleistung.
    Die Reise wurde ein voller Erfolg und setzte Maßstäbe für die vielen Kreuzfahrten, die noch kommen sollten – als erst der Krieg vorüber war. Albert Ballin, der die Sache in Gang gesetzt hatte, starb am Ende des auch für sein Schiffsimperium verheerenden Ersten Weltkrieges an einer Überdosis Schlaftabletten.