Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Machtkämpfe vor der Wahl
Ungewisser Kurs der AfD

Während die AfD kurz vor dem Einzug in den Bundestag steht, schwelen die Konflikte: Die Führungsriege ringt um die politische Ausrichtung, den Umgang mit rechtsextremen Tendenzen. Immer wieder kommt es zu Machtkämpfen. Im Dezember werden die Parteichefs neu gewählt - Überraschungen nicht ausgeschlossen.

Von Stefan Maas und Henry Bernhard | 12.09.2017
    Alice Weidel und Alexander Gauland, das Spitzenduo der AfD für den Bundestagswahlkampf.
    Alice Weidel und Alexander Gauland, das Spitzenduo der AfD für den Bundestagswahlkampf. (dpa-Bildfunk / Rolf Vennenbernd)
    "Herr Dr. Gauland, ich glaube, sie sind der wichtigste Gast im Eichsfeld nach dem Papst!"
    Der Auftritt von Alexander Gauland im Eichsfeld ist ein politisches Heimspiel. Das Eichsfeld liegt in Thüringen. Und Thüringen ist Höcke-Land. Der AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke ist in seinem Landesverband nahezu unumstritten. Nach seiner Dresdner Rede im Januar wurde er mit 94 Prozent als Parteichef bestätigt. Nur einen Monat, nachdem er die "dämliche Bewältigungspolitik" Deutschlands kritisiert und eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad"gefordert und erklärt hatte, die Deutschen seien das einzige Volk, das sich ein Denkmal der Schande ins Herz seiner Hauptstadt stelle. Sein Freund Alexander Gauland, der Vizechef der Alternative für Deutschland, steht ihm nach jedem seiner Ausflüge nach extrem Rechts treu zur Seite. Dafür unterstützt Höcke nun den Spitzenkandidaten der Partei auf der Wahlkampfveranstaltung im Eichsfelder Leinefelde.

    "Sehr geehrte Damen und Herren, hier vorne sind noch Plätze. Sie können ruhig noch vorrücken."
    Wartend auf die Erregung des Publikums
    Eine Stadthalle, Samstagmorgens um elf. Knapp einhundert Zuhörer sind gekommen, meist Männer, meist um die 50, 60.
    Gauland kommt schnell zur Sache. Deutschland sei der "Fußabtreter der Welt", die herrschenden Parteien wollten den Deutschen ihr Land wegnehmen, am weltweiten Flüchtlingsstrom sei nur Angela Merkel schuld, das Asylrecht als individuelles Grundrecht müsse komplett abgeschafft werden.
    Alexander Gauland sitzt am 09.02.2014 in Diedersdorf (Brandenburg) auf dem außerordentlichen Parteitag des Brandenburger Landesverbandes der Alternative für Deutschland (AfD) auf dem Podium. 
    Alexander Gauland steht für den nationalkonservativen Teil der Partei. (picture alliance / dpa / Foto: Bernd Settnik)
    "Das Asylrecht ist nicht dafür da, dass wir die Elenden und das Lumpenproletariat der Welt hier aufnehmen."
    Und die Deutschtürken, die für Erdogans Verfassungsänderung abgestimmt haben, sie sollten abhauen nach Anatolien.
    "Wir haben eine Ausländerbeauftragte, Frau Özoğuz. Jetzt habe ich mich endlich mal bemüht diesen Namen auszusprechen."
    Eine beliebte Nummer bei AfD-Veranstaltungen besonders im Osten: Namen von deutsch-türkischen Politikern möglichst lustig oder mit einer bedeutsamen Pause aussprechen und auf die Erregung des Publikums warten.
    "Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist! Danach kommt sie hier nie wieder her und wir werden sie dann auch Gottseidank in Anatolien entsorgen können!"
    Spiel mit Überfremdungsangst
    Nach Gauland ist Höcke an der Reihe. Der hatte im vergangenen Jahr auf einer AfD-Veranstaltung davon gesprochen, dass nach der Machtübernahme der AfD "aufgeräumt" und die angebliche "Alt-Elite" "entsorgt" werden müsse. In seiner Rede beklagt er den Verlust der Meinungsfreiheit in Deutschland. 20 Minuten lang erzählt Höcke vom täglichen islamistischen Terror auf den Straßen, von der Angst, überhaupt noch vor die Tür zu gehen und von den sozialen Wohltaten, die möglich wären, wenn es keine Flüchtlinge gäbe. Er fordert, dass jährlich 200.000 Ausländer Deutschland verlassen sollten.
    Der AfD-Politiker Björn Höcke
    AfD-Politiker Björn Höcke fordert, dass jährlich 200.000 Ausländer Deutschland verlassen. (imago / Jacob Schröter)
    "Denn ich bin nicht der Meinung von Frau von der Leyen, die mal sagte, Migrantenkinder sind unsere Zukunft. Und ich stimme auch nicht Cem Özdemir zu, der einmal freudig ausführte, "Der deutsche Nachwuchs heißt jetzt Mustafa, Giovanni und Ali. Liebe Freunde, ich bin der Meinung, dass in Deutschland deutsche Kinder unsere Zukunft sind."
    Zuweisung der Schuldfrage
    Nach Höcke spricht Jürgen Pohl, die Nummer 2 auf der AfD-Landesliste. Er will nach der Bundestagswahl am 24. September in den Bundestag einziehen.
    Die Chancen dafür stehen gut. 2013 scheiterte die damals noch nicht einmal ein Jahr alte Partei mit 4,7 Prozent knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Dieses Mal könnte die AfD vielleicht sogar zweistellig in den Bundestag einziehen. Im Europaparlament und in 13 Landesparlamenten sitzt sie längst.
    Jürgen Pohls Feld ist die Sozialpolitik.
    "Das Armenhaus Deutschlands ist der Osten Deutschlands. Hier werden die Armen immer ärmer."
    Er beklagt die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich, Leiharbeit, Hartz IV, Zeitverträge, den Mindestlohn, drohende Altersarmut und das skrupellose Großkapital. Er jongliert mit Millionen und Milliarden und findet am Ende die Schuld für all die Probleme bei den Ausländern und denen, die sie ins Land gelassen hätten.
    "Eine freiheitlich konservative, bürgerliche Partei"
    Links, Rechts, in solchen Kategorien will man bei der AfD nicht denken. Und nach rechts gerutscht, sei die Partei schon gar nicht, sagt Parteichef Jörg Meuthen. Die Partei sei seit ihrer Gründung 2013 einfach erwachsener geworden.
    "Wir sind eine freiheitlich konservative, bürgerliche Partei. Das patriotisch ist vielleicht etwas stärker noch in den Vordergrund getreten, das halte ich auch für richtig. Aber ansonsten glaube ich, dass wir in diesem bürgerlich konservativen Bereich stehen wo wir 2013 auch gestanden haben."
    "Die AfD war zu Beginn keine rechtspopulistische Partei."
    Sagt der Politikwissenschaftler Frank Decker von der Universität Bonn, der die Partei schon lange beobachtet.
    "Es war eine Partei, die auf der einen Seite wirtschaftsliberale Positionen vertreten hat, verbunden sehr stark mit dem Eurothema. Auf der anderen Seite das aber auch verknüpft hat mit gesellschaftspolitisch eher konservativen Positionen."
    Zustimmung zur Kritik in der Migrationsfrage
    Schon bei der Bundestagswahl 2013, das zeigten später die Umfragen, sei die Partei aber nicht hauptsächlich wegen ihrer Haltung zum Euro gewählt worden, analysiert Decker. Sondern wegen ihrer kritischen Position in der Migrationsfrage.
    "Insoweit hat sie sich ein Stück weit dann auch angepasst an die Positionen der eigenen Wählerschaft."
    In Sachsen holt die Alternative für Deutschland 2014 fast zehn, in Thüringen über zehn und in Brandenburg sogar über zwölf Prozent. Mit diesem Erfolg der relativ kleinen Landesverbände gewinnen ihre Vorsitzenden an Gewicht in der Partei. Luckes Co-Sprecherin Frauke Petry, Björn Höcke und Alexander Gauland. Und vor allem mit den beiden letztgenannten werden die Stimmen des nationalkonservativen Flügels immer stärker wahrnehmbar. Bernd Lucke sieht diese Entwicklung mit Sorge.
    Luckes Versuch, den Rechtsruck zu stoppen
    Ein besonderer Problemfall für Lucke: Björn Höcke. Und so kommt ihm Recht, dass der in einem Interview sagt, nicht jedes NPD-Mitglied könne als extremistisch eingestuft werden. Die Mehrheit im Bundesvorstand schließt sich Lucke an und stimmt für ein Amtsenthebungsverfahren. Höcke soll alle Parteiämter verlieren. Luckes Co-Sprecherin Frauke Petry und Parteivize Alexander Gauland sind dagegen. Und unterliegen. Noch.
    Bernd Lucke, ehemaliger Vorsitzender der AfD, klatscht am 19.07.2015 in Kassel (Hessen) zu Beginn einer Versammlung von Teilnehmern des Vereins "Weckruf 2015". 
    Der ehemalige AfD-Chef Bernd Lucke gründet eine neue Partei und wird deren Vorsitzender. (dpa/ Uwe Zucchi)
    Um den von ihm ausgemachten Rechtsruck in der AfD zu stoppen, gründet Lucke gemeinsam mit einigen anderen den Verein "Weckruf". Als die Kritik an ihm und seinen Mitstreitern in der AfD immer lauter wird – und auch die Vermutung die Runde macht, die Weckrufler wollten sich abspalten, erklärt sich der Parteichef. Nein, keine Spaltung, keine Neugründung, er wolle auch nicht austreten.
    "Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die große, große Mehrheit der Parteimitglieder genau diese Art von AfD bewahren will, die wir 2013 gegründet haben."
    2015 wird die Islamkritik das beherrschende Thema
    Auf dem Sonderparteitag Anfang Juli 2015 in der Grugahalle in Essen muss der Parteichef aber feststellen: Er hat sich verrechnet. Das Thema Islamkritik ist längst das beherrschende geworden.
    "Was für eine Konsequenz soll das denn für die Muslime in Deutschland haben? Wollen wir denn hier einen Teil der Bevölkerung bewusst verletzen, bewusst ausgrenzen? Wollen wir denn tatsächlich dahin gehen, dass wir in eine gespaltene Gesellschaft kommen…"
    Später an diesem Tag wird Frauke Petry zur neuen Parteichefin gewählt. Ihr Co-Sprecher wird der baden-württembergische Wirtschaftswissenschaftler Jörg Meuthen, der als Vertreter des liberalen Flügels gilt.
    Petry ist der Coup gelungen - mit Unterstützung von Alexander Gauland, Björn Höcke und André Poggenburg, dem Landeschef von Sachsen Anhalt. Der Weg ist frei für einen neuen Kurs. Hauptthema wird die Islamkritik. Zuvor wird noch schnell das Amtsenthebungsverfahren gegen Björn Höcke zurückgezogen.
    2000 Mitglieder verlassen mit Lucke die AfD
    Mit Bernd Lucke verlassen nach Parteiangaben rund 2000 Mitglieder die AfD. Weit weniger als gedacht, aber in den Umfragen fällt und fällt die Partei. Frauke Petry, nun die dominierende Figur, wird nicht müde zu erklären:
    "Die AfD war nie eine extremistische Partei und wird es auch nie sein."
    Ab 2015 ist jedenfalls das Image der Professorenpartei, das die AfD zu Beginn geprägt hat, Geschichte. Eine Partei der kleinen Leute, wie Alexander Gauland 2016 behauptet, ist die AfD aber auch nicht, sagt Knut Bergmann. Er leitet das Hauptstadtbüro des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln und hat gemeinsam mit Kollegen ausgewertet, was im Laufe der Jahre an Daten über AfD-Wähler erhoben wurde.
    "AfD-Wähler verdienen, soweit wir das an den Daten sehen können, die wir haben, verdienen immer noch überdurchschnittlich gut. Nicht viel, aber immer noch ein bisschen über dem Durchschnitt, das war in den Anfangstagen der Partei deutlich besser. Da konnte man von der Partei als einer Partei der Besserverdienenden sprechen."
    Gutverdienend, männlich, niedrige bis mittlere Bildung
    Das formale Bildungsniveau der AfD-Anhänger ist eher niedrig bis mittel, Männer sind unter den AfD-Wählern deutlich häufiger zu finden. Vor allem aber, sagt Bergmann:
    "Bei dem, was wir in den Daten sehen, haben tatsächlich die AfD-Anhänger Angst vor dem sozialen Abstieg. Das sind die, die etwas zu verlieren haben. Und dazu kommt auch noch, dass die AfD-Anhänger, und zwar mit großem Abstand zu den Anhängern aller anderen Parteien, eine ausgesprochen pessimistische Weltsicht haben. Sie glauben selber nicht, dass sie irgendetwas verändern können, sie fühlen sich wirklich ausgeliefert."
    Dieses Gefühl nimmt im Laufe des Jahres 2015 sprunghaft zu. Hunderttausende Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Vor allem Muslime.
    "Und daraus ergibt sich für die AfD natürlich eine wunderbare Gelegenheit, sich als die einzige, wahre Opposition gerade in dieser Frage dazustellen."
    Die AfD vermischt Konflikte miteinander
    Sagt Politikwissenschaftler Decker. Die Umfragewerte der AfD beginnen deutlich zu steigen. Bei den Landtagswahlen 2016 kommt sie auf hohe zweistellige Ergebnisse. Doch mit dem zunehmenden Erfolg treten auch die Spannungen innerhalb der Partei wieder deutlicher zutage.
    "Was die Sache etwas schwierig macht, ist, dass sich in der AfD unterschiedliche Arten von Konflikten miteinander verquicken.", sagt Decker.
    "Also, wir haben auf der einen Seite programmatische Konflikte. Eher liberal oder dann doch eher national-konservativ? Dann haben wir natürlich das Problem, wie geht man mit den rechtsextremen Tendenzen in der Partei um? Duldet man die, oder grenzt man sich strikt von ihnen ab?"
    Höcke-Ausschlussverfahren mit Spannung erwartet
    Derzeit beschäftigen mehrere Ausschlussverfahren die Schiedsgerichte der Partei. Jenes, dessen Ausgang wohl mit der meisten Spannung erwartet wird, ist das nun zweite gegen Thüringens Landeschef Björn Höcke.
    Als er im Dezember 2015 – nur wenige Monate nachdem das erste Verfahren gegen ihn abgeräumt worden war - bei einem Vortrag vom "afrikanischen Ausbreitungstyp" spricht, kommt er dank der schützenden Hand von Parteichef Meuthen und Parteivize Gauland mit einer Ermahnung davon. Doch nach seiner Dresdner Rede vom Januar dieses Jahres können ihn nicht einmal mehr die beiden schützen. Dieses Mal ist es Frauke Petry, zusammen mit Alice Weidel, heute die Spitzenkandidatin der Partei, die den Ausschluss fordern. Und dafür die Mehrheit im Vorstand bekommen. Die Parteischiedsgerichte prüfen ein Parteiausschlussverfahren. Höcke reagiert enttäuscht.
    "Die heute vom Bundesvorstand getroffene Entscheidung ist unverhältnismäßig und geeignet, der Partei großen Schaden zuzufügen. Der Beschluss ist in meinen Augen machtpolitisch motiviert."
    Machtkämpfe innerhalb der AfD-Führung
    Machtkonflikte. Ein weiteres Problemfeld, das mit den anderen – Abgrenzung nach rechts und politische Positionierung - eng verknüpft sei, sagt Politikwissenschaftler Decker.
    "Und da haben wir die Situation, dass jemand wie Jörg Meuthen, den man eigentlich eher zu den liberaleren, gemäßigten Teilen der Partei rechnen würde, überhaupt keine Probleme hat, sich mit Björn Höcke gegen Frauke Petry zu verbünden.
    Dies zeigt sich etwa bei der Frage der Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl. Meuthen will zwar selbst nicht in den Bundestag. Wie Gauland und Höcke wäre ihm eine alleinige Spitzenkandidatin Petry aber gar nicht recht. Die drei fürchten, Petry könne damit noch mehr Einfluss auf den Kurs der Partei gewinnen, sie auf sich zuschneiden. Denn Petry agiert zunehmend autark, stimmt sich nicht mehr mit den anderen Vorstandsmitgliedern ab.
    Showdown Kölner Parteitag: Petry zieht zurück
    Frauke Petry, AfD-Parteivorsitzende, und Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag von Brandenburg, unterhalten sich
    AfD Bundesparteitag: Frauke Petry und Alexander Gauland (Rolf Vennenbernd/dpa)
    Zum Showdown kommt es im April auf dem Parteitag in Köln. Dort will die Partei ihr Wahlprogramm beschließen und den oder die Spitzenkandidaten wählen. Frauke Petry hat angekündigt, sie stehe dafür nicht mehr zur Verfügung. Nicht im Team, nicht alleine. Dafür hat sie zwei Anträge im Gepäck. Die AfD soll irgendwann koalitionsfähig werden. Also: weg vom Kurs der Fundamentalopposition. Der fällt – auch nach heftiger Gegenrede Meuthens - ebenso von der Tagesordnung wie der zweiter, in dem Petry eine klare Abgrenzung nach rechts fordert. Dieselbe Petry, die einmal den Begriff "völkisch" wieder positiv besetzen wollte und mit ausländischen Rechtspopulisten auftrat. Viele in der Partei deuten ihre Anträge deshalb als Instrument zum Kaltstellen parteiinterner Widersacher. Anschließend erklärt Petry vor der Saaltür, sie ziehe sich erst einmal aus dem Wahlkampf zurück. Grund dafür sei nicht nur die bevorstehende Geburt ihres Sohnes.
    "Solange die Partei nicht erkennen lässt, wohin sie tatsächlich gehen möchte, müssen Protagonisten diesen Wahlkampf anführen, die mit dieser Nichtentscheidung sehr viel besser leben können als ich das tue."
    Frauke Petry, AfD-Parteivorsitzende, geht am 22.04.2017 beim Bundesparteitag der Alternative für Deutschland im Maritim Hotel in Köln (Nordrhein-Westfalen) über das Podium. 
    Frauke Petry beim AfD-Bundesparteitag in Köln (Michael Kappeler/dpa)
    Gauland und Weidel unter Druck
    Die Protagonisten, das sind Alexander Gauland, der für den nationalkonservativen Teil der Partei steht. Und Alice Weidel. Sie will neben Gauland Fraktionschefin im Bundestag werden und soll eigentlich den liberaleren Teil der Partei verkörpern. Sie hat für das Verfahren gegen Björn Höcke gestimmt, weicht jüngst aber – mit Verweis auf das Parteiprogramm - meist einer klaren Ansage zur Abgrenzung nach rechts aus. Und schreibt zum Beispiel in einem Facebook-Post vom Juni selbst vom "Schuldkult". Sie will Merkel vor Gericht sehen und verteidigt Gaulands Forderung, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung nach Anatolien zu entsorgen, zunächst als "Geschmackssache". Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Gauland wegen des Verdachts auf Volksverhetzung. Weidel selbst macht gerade ein Bericht über eine E-Mail zu schaffen, die sie 2013 geschrieben haben soll, wie ein Bekannter in einer eidesstattlichen Erklärung angibt. Darin findet sich unter anderem die von Reichsbürgern vertretene Behauptung, Deutschland sei kein souveräner Staat. In beiden Fällen gilt: Ausgang offen.
    Partei in der Partei: Alternative Mitte
    Ausgang offen. Das gilt auch für den Kurs der Partei. Und das beschäftigt Berengar Elsner. Er ist einer der Vorsitzenden des Konvents – zwischen den Parteitagen das höchste Gremium der Partei – und will über die Landesliste NRW in den Bundestag einziehen. Er gehört zu den Mitbegründern der Alternativen Mitte, einer parteiinternen Interessensgemeinschaft, die sich in den vergangenen Monaten in mehreren Bundesländern gegründet hat.
    "Innerparteilich merken wir es auch, dass schon die Sorge da ist, dass die Partei sich in eine Richtung entwickeln könnte, die die Mehrzahl nicht mehr mittragen möchte."
    Die Partei selbst sei nicht rechts, sagt er.
    "Da kann ich wirklich aus meiner Erfahrung sprechen, da ich ja sehr viel herumkomme, dass die Mehrzahl wirklich ganz normale bürgerliche gemäßigte Parteimitglieder sind."
    Aber einzelne sehr wahrnehmbare Figuren seien ein Problem – auch im Wahlkampf. Die Alternative Mitte soll deshalb ein Gegengewicht bilden gegen die Gruppierungen des rechten Parteiflügels wie die Patriotische Plattform oder der "Flügel". Ein neuer Weckruf sei die Alternative Mitte nicht. Anfeindungen gebe es trotzdem viele:
    "Letztendlich ist die Bezeichnung Spalter, die Bezeichnung Luckist, das ist so etwas wie die innerparteiliche Nazikeule."
    Auch Parteichef Jörg Meuthen, der inzwischen in seinen Reden auch schon mal völkische Töne anschlägt, beobachtet die Alternative Mitte kritisch. Er hält die Sichtweise ihrer Mitglieder auf die Partei für falsch:
    "Weil die unterstellt eine Rechtsdrift von der ich sage, die haben wir gar nicht. Und von daher ist das im Prinzip entbehrlich."
    Frauke Petry hingegen sieht die Gründung positiv. Die Alternative Mitte selbst ist eifrig bemüht, sich nicht in den Machtkampf an der Spitze hineinziehen zu lassen.
    "Meine Damen und Herren, die Sache ist viel ernster als sie auf den ersten Blick scheint…."
    Mit Petry muss man rechnen
    Ein Dienstag im September. Petry tritt in Leipzig auf. Während Jörg Meuthen häufiger mit dem Spitzenteam auf der Bühne steht, ist Petry alleine unterwegs. Das Publikum in der Alten Börse ist eher bürgerlich, lauscht den Ausführungen der "lieben Dr. Frauke Petry".
    "Frau Özuguz"…
    …kommt auch bei Ihr vor. Insgesamt aber will sie den Eindruck vermitteln: Bierzelt ist mit ihr nicht zu haben, sie ist für die leisen, die nachdenklichen Töne.
    "Ich habe den Eindruck, dass wir uns inmitten eines Prozesses der Entwurzelung befinden. Die Verneinung unserer Kultur ist dabei nur ein Aspekt…."
    Dr. Frauke Petry, Bundesvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), spricht am 09.03.2017 in Berlin bei einem Pressegespräch über das Programm ihrer Partei für die anstehende Bundestagswahl.
    Dr. Frauke Petry, Bundesvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    Petry bekommt viel Applaus. An der Basis ist sie bei vielen noch beliebt. Doch auch sie weiß: Ihre Zukunft in der Partei ist ungewiss. Die Staatsanwaltschaft in Sachsen ermittelt wegen des Verdachts auf Meineid. Mit ihr in der Bundestagsfraktion werden viele Petry-Gegner sitzen. Mindestens einer dürfte die Fraktion führen. Vor allem aber: im Dezember werden die Parteichefs neu gewählt. Eine Neuauflage Meuthen-Petry haben beide ausgeschlossen. Während ihr Co-Chef schon angekündigt hat, wieder zu kandidieren, will Petry dazu noch nichts sagen. Sie hat schon häufiger bewiesen, dass man mit ihr rechnen muss. Auf die Unterstützung von Gauland und Höcke kann sie dafür aber dieses Mal nicht hoffen.