Donnerstag, 25. April 2024

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Macron besucht Trump
"Die Iran-Frage kann den Westen spalten"

Die unterschiedlichen Positionen beim Iran-Atomabkommen spielen eine zentrale Rolle beim Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Washington. Es sei zu einem Symbolthema für die USA geworden, bei dem die US-Regierung nicht schwach aussehen dürfe, sagte Jan Techau vom German Marshall Fund im Dlf.

Jan Techau im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 24.04.2018
    Trump und Macron schreiten durch den Park vor dem Weißen Haus
    Trump und Macron "Die persönliche Chemie kann eine große Rolle spielen" (Jan Techau) (dpa / Martin H. Simon)
    Jörg Münchenberg: Seit Monaten wird um den Fortbestand des Iran-Atomabkommens gerungen, und zwar zwischen der EU und den USA. Während der US-Präsident hat durchblicken lassen, dass er von dem Deal herzlich wenig hält, wollen die Europäer unbedingt daran festhalten. Das ist ein zentrales Thema beim Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei Donald Trump, aber bei weitem nicht das einzige. Hilfreich für einen Kompromiss könnte vielleicht die ausgewiesene Männerfreundschaft sein, die beide verbindet.
    Wir wollen das Thema weiter vertiefen mit Jan Techau vom German Marshall Fund in Berlin. Herr Techau, ich grüße Sie.
    Jan Techau: Hallo! Ich grüße Sie auch.
    "Macron hat sehr viel in die persönliche Chemie investiert"
    Münchenberg: Herr Techau, Macron und Trump scheinen, sich ja gut zu verstehen. Da wird auch eine gewisse Männerfreundschaft öffentlich zelebriert. Könnte das bei einem möglichen Kompromiss, wenn man jetzt auf den Iran-Deal schaut, vielleicht helfen?
    Techau: Ja, es könnte vielleicht helfen, wenn diese Männerfreundschaft und diese Bereitschaft auch von Präsident Macron, auf die besonderen Bedürfnisse Trumps so einzugehen, wenn das ein Vertrauen zwischen den beiden erzeugt, dass Trump das Gefühl bekommt, wenn er mit ihm, mit Macron einen Deal macht, dass das etwas ist, was verträglich ist, wo er nicht übers Ohr genauen wird, etwas flapsig formuliert. Die persönliche Chemie kann eine ganz große Rolle spielen und Macron hat sehr viel in diese persönliche Chemie investiert.
    Jan Techau  in der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" am 20.11.2014 in Berlin.
    "Die Männerfreundschaft kann helfen" - Jan Techau vom German Marshall Fund Berlin. (imago - Müller Stauffenberg)
    Münchenberg: Nun spricht Trump selber von einem sehr wichtigen Besuch. Wieviel Einfluss hat der französische Präsident Ihrer Einschätzung nach auf den US-Präsidenten? Gibt es so was überhaupt?
    Techau: Ja, das gibt es. Es ist erst mal so, dass diese Chemie tatsächlich von Anfang an da war und dass Trump Macron anerkannt hat als jemand, der auf seiner Augenhöhe spielt. Und Macron hat sich ja auch bereitwillig auf diese Spiele, will ich mal sagen, eingelassen. Vom Händeschütteln bis hin zur Militärparade wurde ja sehr gezielt in dieses Verhältnis investiert.
    Die Franzosen haben einen weiteren Trumpf im Ärmel. Die Amerikaner nehmen Frankreich als Militärmacht ernst. Die wissen zwar, dass Frankreich nicht dieselbe Kampfkraft aufbringen kann, wie das natürlich Amerika könnte, aber dass Frankreich bereit ist, in Einsätze zu gehen, auch für eine gewisse Ordnung einzustehen. Das sorgt dafür, dass man Frankreich gerade in dieser Administration sehr genau zuhört, und das ist etwas, was dann auch sich in diplomatisches Gewicht ummünzen lässt.
    Europäer und Amerikaner sind ungleiche Verhandlungspartner
    Münchenberg: Nun gibt es ja angeblich diverse Treffen jetzt zwischen US- und EU-Diplomaten hinter den Kulissen. Da wird um einen möglichen Kompromiss verhandelt in Sachen Atom-Deal Iran. Angeblich soll es dort um mögliche neue Teilsanktionen gehen.
    Techau: Ja, das ist in der Tat die große Befürchtung, dass Donald Trump zwar das Abkommen als solches möglicherweise unbeschadet lässt, aber auf der Sanktionenseite noch mal Druck ausüben will, um nachzuverhandeln. Die Europäer hatten ja bisher ganz klar die geschlossene Position, neue Sanktionen gibt es nicht, wir müssen zu unserem Wort aus diesem Abkommen stehen und wir können uns jetzt nicht von Amerika in die Position manövrieren lassen, wo wir hier noch mal draufsatteln.
    Münchenberg: Aber müssen die Europäer nicht auch ein bisschen was liefern, damit Trump auch gesichtswahrend vom Feld gehen könnte?
    Techau: Ja, das ist genau der Punkt – aus zwei Gründen. Erstens, weil Trump gesichtswahrend irgendwie vom Feld gehen können muss, und andererseits natürlich auch, weil es ungleiche Verhandlungspartner sind, die Europäer und die Amerikaner. Die Europäer bleiben abhängig von der amerikanischen Sicherheitsdienstleistung, von der Sicherheitsgarantie. Sie können nicht denselben Hebel ansetzen. Sie bleiben am Ende Empfänger amerikanischer Dienstleistungen und das bedeutet immer, dass derjenige, der in der abhängigen Position ist, diplomatisch natürlich dann auch in der schwächeren Position ist. Das ist ganz klar: Hier wird man irgendwie nachgeben müssen. Wie man das so verträglich hinbekommt, dass beide Seiten damit leben können, ist jetzt die große chemische Frage hier.
    Münchenberg: Haben denn die Europäer überhaupt ein Drohpotenzial gegenüber Trump? Es gibt ja die Ankündigung, dass man schon gesagt hat, wenn Trump aussteigt, dann werden wir einfach nicht folgen.
    Techau: Ja. Das ist allerdings nicht so richtig ein Drohpotenzial. Das ist ja eher auch eine relativ schwache Position. Damit isoliert man dann zwar Amerika, aber gleichzeitig isoliert man sich selbst auch. Denn dann steht man plötzlich an der Seite Irans und möglicherweise Russlands in einer zentralen strategischen Frage, und das ist ja eigentlich nicht, wo die transatlantischen Partner stehen wollen. Das hat dann auch psychologische Auswirkungen. Wer sich da mal hineinmanövriert, kommt schlecht wieder raus, und das hätte dann Auswirkungen auf das Verhältnis möglicherweise auch in anderen Themenbereichen.
    Früh zum Wahlkampf-Thema gemacht
    Münchenberg: Ist aber nicht auch das Problem ein bisschen, Herr Techau, dass man eigentlich gar nicht so genau weiß, ob Trump das Iran-Abkommen wirklich kippen will oder nicht?
    Techau: Ja, man weiß es nicht ganz genau. Man kennt von ihm ja auch seine Rückzüge, die innerhalb kürzester Zeit erfolgen können. Aber solange diese nicht erfolgt sind, muss man das erst mal ernst nehmen. Trump hat das Iran-Thema zu einem Wahlkampfthema schon sehr früh gemacht. Es gibt drei oder vier Kernthemen und bei diesen Kernthemen steht er auch innenpolitisch unter Druck, dann liefern zu müssen. Das Iran-Thema, wenn man in Washington sich umhört, ist zu einem Symbolthema geworden. Weit über den eigentlichen politischen Wert dieser Frage hinaus ist das mittlerweile ein Leistungsmerkmal dieser Administration geworden, dieser amerikanischen Regierung, die da einfach jetzt nicht mehr schwach aussehen darf, und so kriegt so ein Thema dann eine Bedeutung, die es eigentlich vielleicht nicht unbedingt haben müsste.
    Münchenberg: Wir haben ja vorhin darüber gesprochen, Herr Techau, dass es im Augenblick Verhandlungen gibt auf diplomatischer Ebene zwischen der EU und den USA über mögliche Teilsanktionen. Ist aber die Gefahr nicht sehr groß, dass sich die Diplomaten am Ende einigen, aber der US-Präsident dann einfach einen ganz eigenen Kurs fährt?
    Techau: Ja, auch das ist nicht ausgeschlossen, obwohl man natürlich im Moment schon auch sagen muss, dass das Spekulation ist. Es ist ganz klar, dass der amerikanische Präsident für die politische Lage zuhause etwas Vorzeigbares nachhause tragen muss. Ob das neue Verhandlungen sind, ob das Teilsanktionen sind, oder ob es in irgendeiner Form auch ein iranisches Einlenken in einem bestimmten Bereich ist, das ist etwas, was nicht ganz klar ist. Die Iraner haben sich da ja nun auch wirklich sehr fest gegeben.
    Das Problem für die Europäer ist, dass sie eigentlich vor allen Dingen ja an diesem Abkommen festhalten, weil sie es für das gegebene Wort halten, weil sie sagen, in den internationalen Beziehungen, auch im Völkerrecht muss man stehen zu den Abkommen, die man getroffen hat. Hier kann man nicht einseitig aufkündigen. Nicht nur richtet das diplomatischen Schaden an, sondern es wirft ein schlechtes Licht auf die Verlässlichkeit des Westens. Darüber sind sie vielleicht noch am meisten besorgt und das jetzt Donald Trump vielleicht auch klarzumachen, ist die Aufgabe von Macron und auch von der Bundeskanzlerin, die ja später in der Woche auch nach Washington fährt.
    "Richtige Gewinner-Strategie gibt es eigentlich nicht mehr"
    Münchenberg: Aber heißt das nicht im Umkehrschluss, dass die Europäer am Ende auf jeden Fall mit einer Blessur vom Platz gehen werden? Denn entweder sie sagen, wir folgen Trump nicht, oder sie machen Zugeständnisse, und dann sind sie in jedem Fall beschädigt.
    Techau: Ja. Eine richtige Gewinner-Strategie gibt es eigentlich nicht mehr, außer man würde Trump vollkommen umstimmen können, was auch unwahrscheinlich ist. Am Ende ist es so, dass man vermutlich wieder genau das Gegenteil von dem erreicht aus amerikanischer Sicht, was man eigentlich erreichen will, nämlich man wertet im Grunde Iran auf.
    Die Iran-Frage kann den Westen spalten und bei fester Opposition des Irans gegen Amerika und gegen Trump lassen sich natürlich auch regionale Sympathien gewinnen. Wir sehen da schon erste Beispiele, zum Beispiel auf der palästinensischen Seite, die sich jetzt plötzlich zum Iran hingezogen fühlen – eine Allianz, die früher völlig undenkbar war. Das heißt, am Ende verliert man vermutlich, kann man nur verlieren in dieser strategisch sehr, sehr schwierigen Frage im Nahen Osten, um die es ja letztlich geht.
    Münchenberg: Herr Techau, Sie haben den Besuch der Bundeskanzlerin angesprochen. Die kommt ja Ende der Woche nach Washington. Ihr Verhältnis zu Donald Trump gilt eher als schwierig. Was ist denn dann von diesem Besuch überhaupt zu erwarten?
    Techau: Erst mal wird es sicher einen Versuch geben, dieses Verhältnis ein bisschen zu verbessern. Wir hatten ja gerade am Anfang schon das Thema der Atmosphäre. Da wird man versuchen, dieses frostige Verhältnis ein bisschen aufzuwärmen, vielleicht auch ein bisschen Symbolpolitik zu machen - nicht die ganz große Show wie für Macron, aber wenigstens ein bisschen. Und dann geht es natürlich um zwei oder drei verschiedene Themen, die da eine Rolle spielen.
    Für die Amerikaner ist gerade mit Bezug auf Deutschland sehr wichtig die Frage nach den Verteidigungsausgaben. Das wird sehr stark betont in Washington: Zwei Prozent innerhalb der NATO. Und auch die Frage nach der Northstream-II-Pipeline, die den Amerikanern aus strategischen Gründen ein Dorn im Auge ist. Für die Europäer steht ganz klar die Handelsfrage im Vordergrund. Da werden sich Macron und Merkel sehr eng abgestimmt haben, dass sie da vom gleichen Blatt singen, wenn sie Trump treffen, denn da steht richtig, richtig viel auf dem Spiel und potenziell viel mehr als bei allen anderen Themen vielleicht zusammen genommen.
    Merkel - "Ich glaube, die Chemie bleibt schwierig"
    Münchenberg: Noch kurz zum Atmosphärischen. Die Kanzlerin ist ja nicht dafür bekannt, dass sie den Pomp liebt. Sie geht eher nüchtern an solche Treffen heran. Wird das mit der Chemie nicht ein bisschen schwierig?
    Techau: Ja. Ich glaube, die Chemie bleibt schwierig. Das liegt schon in den Persönlichkeiten begründet und auch letztlich darin, dass Trump auch wiederum sehr früh im Wahlkampf schon eine ganz, ganz offensive und auch aggressive Linie gegenüber Deutschland gefahren hat – in der Flüchtlingsfrage, in den Handelsfragen, bei den Verteidigungsthemen und so weiter. Er hat sich sehr früh auf Kosten Deutschlands profiliert. Das vergisst natürlich die Kanzlerin nicht.
    Das bleibt als Bürde in dieser Beziehung drin. Und auch die Kanzlerin hat ja unmittelbar nach Trumps Wahlsieg im Grunde es für ihre eigene politische Heimat gebraucht, für die Diskussion zuhause, sich von ihm zu distanzieren. Auch das wird dort nicht vergessen. Die Hürden für eine richtige Verbesserung der Chemie sind sehr, sehr hoch. Andererseits sind es auch Profis, die sich brauchen. Ein bisschen was geht da vielleicht nach oben hin schon.
    Münchenberg: Die Einschätzung von Jan Techau vom German Marshall Fund. Herr Techau, besten Dank für das Gespräch.
    Techau: Vielen herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.