Samstag, 27. April 2024

Wahlsieg in Frankreich
Was Macron künftig anders machen will

Emmanuel Macron hat erneut die Präsidentschaftswahl in Frankreich gewonnen. Doch viele haben ihn nur gewählt, um einen Sieg der Rechtsextremen Marine Le Pen zu verhindern. Macron will jetzt einiges an seiner Politik und an seinem Regierungsstil ändern - auch im Hinblick auf die Parlamentswahlen im Juni. Ein Überblick.

25.04.2022
    Wahlparty für Emmanuel Macron am Eiffelturm in Paris nach der Präsidentschaftswahl 2022
    Wahlparty für Emmanuel Macron am Eiffelturm in Paris nach der Präsidentschaftswahl 2022 (picture alliance/dpa/MAXPPP/ Sébastien Muylaert)
    In seiner Rede nach seinem Sieg in der Stichwahl gegen Marine Le Pen gab Emmanuel Macron sich selbstkritisch: „Ich weiß, dass viele meiner Landsleute mich gewählt haben, nicht um meine Ideen zu unterstützen, sondern um die extreme Rechte zu blockieren. Ich möchte ihnen danken. Es ist mir bewusst, dass diese Stimmen mich für die kommenden Jahre verpflichten.“
    Wie soll diese Verpflichtung aussehen? Macron hat eine "neue Ära" angekündigt. Die kommenden fünf Jahre sollen keine Fortsetzung seiner ersten Amtszeit sein, sondern mit neuen Methoden gestaltet werden. Schon im Wahlkampf hatte Macron versprochen, die Bürgerinnen und Bürger künftig mehr einzubeziehen. Inhaltlich will er nun vor allem auf die linken Wählerinnen und Wähler zugehen.
    Um sein Programm umzusetzen, braucht Macron allerdings wieder eine parlamentarische Mehrheit. Im Juni stehen in Frankreich Parlamentswahlen an – und Marine Le Pen hat bereits einen "großen Kampf" angekündigt. Sollte Macron keine Mehrheit bekommen, würde seine zweite Amtszeit noch schwieriger, als sich das jetzt ohnehin schon ankündigt.

    Warum steht Macron in der Kritik?

    Nach seinem Wahlsieg 2017 hielt Macron seine Rede alleine auf einer Bühne vor der Glaspyramide des Louvre in Paris und prägte das Bild vom jupiterhaften Präsidenten, der auch seine Entscheidungen alleine trifft. Dieser Regierungsstil ist auch danach noch oft kritisiert worden. Macron wurden häufig arrogantes Auftreten und Entscheidungen von oben herab bescheinigt.
    Insbesondere linke Wählerinnen und Wähler warfen ihm zudem "soziale Kälte" bei seinen Reformprojekten vor. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit haben Macron und seine Regierung eine Arbeitsmarktreform umgesetzt, die den Arbeitsmarkt flexibler gestaltete. Das schuf Jobs und ließ die Arbeitslosenzahlen sinken. Dass dafür der Kündigungsschutz gelockert wurde und unter Macron zudem die Vermögenssteuer abgeschafft wurde, verpasste ihm jedoch den Stempel, ein „Präsident der Reichen“ zu sein. Die Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 65 Jahre wurde in seiner ersten Amtszeit unter anderem durch die Proteste der sogenannten Gelbwesten verzögert. Auch dass Macron Sozialleistungen an berufliche Wiedereingliederungsmaßnahmen koppeln will, empfinden viele als soziale Härte.
    Die sozialen Fragen hatte unter anderem Macrons Konkurrentin Marine Le Pen im Wahlkampf aufgegriffen. Dass sie diesmal 41,5 Prozent der Stimmen erringen konnte, gilt auch als Ausdruck der tiefen Spaltung der französischen Gesellschaft. Hier sei Macron gescheitert, meint der Experte für französische Europapolitik, Joachim Schild. Macron habe als Bilanz seiner ersten Amtszeit gute Wirtschaftsdaten zu bieten gehabt, etwa sinkende Arbeitslosigkeit und Wirtschaftswachstum, das habe aber nicht zu einer Verminderung der gesellschaftlichen Spaltung geführt. „Längerfristig betrachtet sind das sehr große Alarmsignale, die von Frankreich ausgehen“, sagte Schild im Deutschlandfunk. Die traditionellen gemäßigten linken und rechten Parteien in Frankreich seien nicht zuletzt durch Macrons politische Strategie geschwächt worden.

    Was will Macron künftig anders machen?

    Macron hat signalisiert, dass er auf seine Kritiker aus dem linken Lager zuzugehen gedenkt. Mit welchen Schritten?
    Regierungsstil
    Am Abend seines Wahlsiegs hat Macron sich diesmal vor dem Eiffelturm mit jungen Leuten umgeben, viele Hände geschüttelt und bewusst ein anderes Bild vermittelt als vor fünf Jahren. Er hat von einer "neuen Ära" gesprochen, in der er mit anderen Methoden regieren wolle – offenbar eine Reaktion auf die Kritik, dass er zu stark alleine regiert habe. Schon im Wahlkampf hatte Macron versprochen, die Bürgerinnen und Bürger mehr einzubeziehen, etwa mit großen nationalen Debatten.
    In seiner Rede hat er zudem die vielen Nichtwähler ebenso wie die Wählerinnen und Wähler von Marine Le Pen angesprochen und betont, er sei jetzt Präsident von allen. Er versucht zu vereinen.
    Joachim Schild, Experte für französische Europapolitik, sieht darin auch die größte Herausforderung für Macron: die Spaltung der französischen Gesellschaft zu überwinden. Diese sei auch Ausdruck einer politischen Repräsentationskrise. Viele haben weiße oder ungültige Stimmzettel eingeworfen, weil sie sich von keinem der Kandidatinnen und Kandidaten repräsentiert fühlten. Macron könne hier versuchen, die Spaltung unter anderem durch politisch-institutionelle Reformen zu überwinden.
    Umwelt- und Klimapolitik
    Macron hat in seiner Rede am Wahlabend angekündigt, aus Frankreich solle eine große umweltfreundliche Nation werden. Das Thema Umwelt- und Klimaschutz hatte er bereits auf den letzten Metern des Wahlkampfs gesetzt und angekündigt, der künftige Premierminister oder die künftige Premierministerin werde sich schwerpunktmäßig darum kümmern.
    Nach Ansicht des Frankreich-Experten Joachim Schild ist bislang allerdings nicht erkennbar, inwieweit dieses Engagement über das hinausgehen soll, was bereits im Wahlprogramm angeboten wird: den Ausbau von Atomkraft und von Offshore-Windparks etwa oder die Gebäudesanierung. Schild verwies darauf, dass Macron auch in seiner ersten Amtszeit bereits ein ambitioniertes Programm der schrittweisen Erhöhung der CO2-Steuer verfolgt hat, was dann aber die Protestbewegung der sogenannten Gelbwesten auslöste. "Vor diesem Dilemma wird er auch wieder stehen, einerseits junge Wähler mobilisieren zu wollen, die stark an Umweltthemen interessiert sind, gleichzeitig aber auch nicht das ländliche Frankreich zu vergraulen, wo teures Benzin ein Thema ist", so Schild.
    Wirtschafts- und Sozialpolitik
    In seiner Rede nach der Stichwahl sprach Macron auch von einer gerechteren Gesellschaft, an der er weiterarbeiten wolle - ein Hinweis an die linken Wähler, die ihm "soziale Kälte" vorwerfen, aber auch an die Wähler der extremen Rechten: Er müsse eine Antwort für jene finden, deren Unmut und Wut dazu geführt habe, Marine Le Pen zu wählen.
    Macron hatte bereits ein außerordentliches Maßnahmenpaket zur Stärkung der Kaufkraft angekündigt. Ein Thema, das den Menschen besonders wichtig ist und im Wahlkampf vor allem von Marine Le Pen besetzt worden ist. Macron hat versprochen, seinen Landsleuten angesichts hoher Energiepreise durch den Krieg in der Ukraine mit verschiedenen finanziellen Maßnahmen unter die Arme zu greifen. Die Energiepreise will der Präsident weiterhin deckeln. Außerdem sollen Prämien, die Arbeitgeber ihren Beschäftigten auszahlen können, bis zu 6.000 Euro frei von Steuern und Abgaben bleiben. Auch die Renten will Macron schneller als ursprünglich vorgesehen an die Inflation anpassen. Allerdings will er auch die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 65 Jahre wieder angehen.
    Europapolitik
    Ein unabhängiges Europa, auch bei der Verteidigung, ist schon lange Macrons Thema. Schon im Wahlkampf 2017 legte er einen Schwerpunkt auf die Europapolitik.In seinem aktuellen Wahlprogramm betont er das Ziel eines „unabhängigeren Frankreichs in einem stärkeren Europa“. Dafür will er stärker in die französische Armee investieren. Macron ist überzeugt davon, dass ein starkes Europa auch Frankreich stark macht. Die Wahl war für ihn auch eine Art Referendum über Europa. Anlass für eine Kursänderung sieht er in diesem Politikfeld nicht.

    Wie sind die Aussichten für die Parlamentswahl im Juni?

    Sowohl die linken Parteien mit Jean-Luc Mélenchon als auch das rechte Lager mit Marine Le Pen und dem Rechtsextremen Eric Zemmour mobilisieren bereits für die Parlamentswahlen im Juni. Macrons Bewegung "La République en marche" hat keine Favoritenrolle bei dieser Wahl. Den Bonus des Newcomers habe sie inzwischen verloren, sagt Frankreich-Experte Joachim Schild. Eine zentrale Frage wird seiner Einschätzung nach sein, ob Macron bereit ist, seine politische Mehrheit stärker zu öffnen, das heißt jenseits der Mitte-Partei "MoDem" von Francois Bayrou noch stärker auf die konservativen Republikaner zuzugehen. Diese seien gespalten in ein Macron nahestehendes Lager und eins, das Macron ablehne. "Hier wäre ein Möglichkeit, die politische Basis zu verbreitern."
    Quellen: Christiane Kaess, Anne Raith, Nina Voigt