Freitag, 29. März 2024

Stichwahl in Frankreich
Macron bleibt Präsident

Amtshinhaber Emmanuel Macron ist als französischer Präsident wiedergewählt worden. Die Stichwahl gegen Marine Le Pen fiel allerdings deutlich knapper aus als vor fünf Jahren.

24.04.2022
    Emmanuel Macron jubelt mit seiner Frau über den Wahlsieg.
    Amtsinhaber Emmanuel Macron hat erneut die Stichwahl gegen Marine Le Pen gewonnen (IMAGO / PanoramiC)
    Die Franzosen mussten sich wie vor fünf Jahren zwischen dem liberalen Pro-Europäer und der Rechtspopulistin Marine Le Pen entscheiden. 2017 gewann Macron die Stichwahl klar und wurde mit 66 Prozent jüngster Präsident Frankreichs. In diesem Jahr stimmten laut vorläufigem amtlichen Endergebnis 58,5 Prozent der Wähler für Macron.

    Mehr zum Ergebnis der ersten Runde

    Ergebnis der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl

    Der alte und neue Präsident Emmanuel Macron

    Dem wiedergewählten Präsidenten kommt in der internationalen Krise eine Schlüsselstellung zu: Der Staatschef ist auch Chef der Armee und vermittelt gerade das Image des Beschützers, aber auch des Mahners. In einer ersten Fernsehansprache nach Kriegsbeginn sprach Macron von einer „Wende in der Geschichte Europas“.
    Macron brachte sich seit Wochen als internationaler Vermittler in Stellung. Er telefonierte mit zahlreichen Staats-und Regierungschefs, tauscht sich regelmäßig mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus und hielt bisher auch Kontakt zu Russlands Präsident Wladimir Putin. Frankreich hat seit 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft inne. Auch diese Bühne nutzte Macron. Ein unabhängiges Europa, auch bei der Verteidigung, ist schon lange sein Thema. Schon im Wahlkampf 2017 legte er einen Schwerpunkt auf die Europapolitik.
    In seinem aktuellen Wahlprogramm betonte er sein Ziel eines „unabhängigeren Frankreichs in einem stärkeren Europa“. Dafür will er stärker in die französische Armee investieren. Auch in die Landwirtschaft soll mehr Geld fließen, um bei der Produktion von Lebensmitteln Abhängigkeiten zurückzufahren. Und für größere Souveränität bei der Energieerzeugung will Macron die Atomkraft ausbauen. Damit erreiche man gleichzeitig die CO2-Neutralität, erklärt er.
    Der Kandidat für seine Wiederwahl versprach, seinen Landsleuten mit verschiedenen finanziellen Maßnahmen unter die Arme zu greifen. Die Energiepreise will der Präsident weiterhin deckeln. Außerdem sollen Prämien, die Arbeitgeber ihren Beschäftigten auszahlen können, bis zu 6.000 Euro frei von Steuern und Abgaben bleiben. Auch die Renten will Macron schneller als ursprünglich vorgesehen an die Inflation anpassen.
    Von seinem breit gefächerten Wahlprogramm ist vor allem hängen geblieben, dass Macron das Rentenalter schrittweise von 62 auf 65 Jahre erhöhen will. Damit greift er eine Reform wieder auf, die in seiner ersten Amtszeit durch die Proteste der Gelbwesten und die Pandemie gestoppt wurde. Auch, dass Macron Sozialleistungen an berufliche Wiedereingliederungsmaßnahmen koppeln will, empfinden viele als soziale Härte. Macron will in seiner zweiten Amtszeit zudem einen Schwerpunkt auf Reformen des Gesundheitssystems und der Schulen legen.

    Niederlage in den Überseegebieten für Macron

    In den zwölf französischen Überseegebieten wie zum Beispiel Guadeloupe und Martinique in der Karibik sowie Französisch-Polynesien im Südpazifik konnte Macron bei der Wahl nicht punkten. Hier entschied sich eine Mehrheit der Wählerschaft für seine Widersacherin Marine Le Pen. Für Claire Demesmay vom Forschungszentrum Centre Marc Bloch, eine Spezialistin für deutsch-französische Beziehungen, ist der Wahlausgang in den Überseegebieten vor allem Ausdruck von Protest.
    "Dort findet man eine sehr starke Ablehnung gegenüber der Elite generell und insbesondere gegenüber dem Präsidenten, gegenüber Macron, der diese Elite stark verkörpert", sagte Demesmay im Deutschlandfunk (27.04.2022). Für sie war es daher eher eine Wahl gegen Macron als für Le Pen. Trotzdem habe es Themen gegeben, für die sich die Menschen vor Ort interessierten und die vor allem Le Pen angesprochen habe, wie Sicherheit, Arbeitslosigkeit und Kaufkraft.

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    Bisherige Präsidentschaft

    Dass Macron von seiner Reformagenda, mit der er zu seiner ersten Kandidatur angetreten war, vieles nicht umsetzen konnte, ging in der aktuellen Lage weitgehend unter. Allerdings haben er und die Regierung zu Beginn ihrer Amtszeit eine Arbeitsmarktreform umgesetzt, die den Arbeitsmarkt flexibler gestaltete. Das schuf Jobs und ließ die Arbeitslosenzahlen sinken. Dass dafür der Kündigungsschutz gelockert wurde und unter Macron zudem die Vermögenssteuer abgeschafft wurde, verpasste ihm jedoch den Stempel, ein „Präsident der Reichen“ zu sein.
    Neben sozialen Protesten und dem Ukraine-Krieg war seine erste Amtszeit geprägt vom Kampf gegen das Coronavirus. Macron hat das Land – nach dem anfänglichen Katastrophenszenario mit überfüllten Krankenhäusern und monatelangem Lockdown –  relativ gut durch die Pandemie gebracht. Er hat im zentralistischen Frankreich großen Spielraum, Maßnahmen gegen die Pandemie zu ergreifen. Kritiker werfen ihm „Alleingänge“ vor. Der strikte Kurs führte aber zu einer hohen Impfquote. Davon hat Frankreich in den vergangenen Monaten profitiert.

    Verliererin der Stichwahl: Marine Le Pen

    Macrons Konkurrentin in der Stichwahl war wieder einmal Marine Le Pen. Die extrem rechte Präsidentschaftskandidatin des Rassemblement National, RN, (früher Front National) hatte einen intensiven Wahlkampf geführt, bei dem sie das Thema Kaufkraft zentral stellte. Neben großen Kundgebungen fuhr Le Pen auch in kleine Orte und zeigte, dass sie sich kümmert. Sie versprach, „den Franzosen ihr Geld und ihr Land zurückzugeben“. Ihre Anhängerinnen und Anhänger, von denen sich manche selbst als „die kleinen Leute“ bezeichnen, sagen: „Marine Le Pen versteht uns.“
    Beim Thema Einwanderung und Islam blieb Le Pen bei dem harten Kurs, den sie seit Jahren vertritt. Die 53-Jährige hat aber ihr Image über die Jahre gewandelt: Sie tritt weniger hart auf als ihr Vater, Jean-Marie Le Pen, der die Partei fast 30 Jahre lang führte. Unter anderem strich Marine Le Pen radikale Positionen, wie den Austritt aus EU oder Eurozone, aus dem Programm. Mit dieser Strategie der Normalisierung wurden sie und ihre Partei für viele Menschen im Land wählbar.
    Nach Beginn des Ukraine-Kriegs musste Le Pen befürchten, ihre Russlandnähe und Bewunderung für Putin könnten ihr im Wahlkampf schaden. Sie verurteilte die russische Aggression deshalb von Beginn an scharf und verteidigte ihre frühere Sympathie für Putin mit dem Argument, dieser sei früher ein anderer gewesen. Auch sprach sie sich schnell dafür aus, dass Frankreich Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen solle. Diese seien - im Gegensatz zu syrischen Flüchtlingen - Europäer, begründete sie den Schwenk in ihrer sonst so ablehnenden Haltung beim Thema Einwanderung.  
    Die extrem rechte Präsidentschaftskandidatin des Rassemblement National, RN, (früher Front National), Marine le Pen
    Die extrem rechte Präsidentschaftskandidatin des Rassemblement National, RN, (früher Front National), Marine le Pen (picture alliance / dpa / Thomas Padilla)

    Im ersten Wahlgang ausgeschiedene Kandidaten:

    Der extrem rechte Publizist Eric Zemmour

    Als der extrem rechte Publizist und Polemiker seine Kandidatur erklärte, warf Marine Le Pen ihm vor, er spalte das nationalistische Lager. Lange Zeit hat Eric Zemmour als Journalist und Kolumnist gearbeitet. In den letzten Jahren sorgte er in Talkshows für hohe Einschaltquoten, seine Bücher verkaufen sich gut. Er ist Anhänger der rechtsextremen Theorie, dass ein „Austauschen der Bevölkerung“ – von weißen Europäern durch nicht-weiße, vor allem arabische und afrikanische Einwanderer – im Gange sei. Seine islamfeindlichen Thesen bringt er auf intellektuellere Art ans Publikum als Marine Le Pen. In Umfragen zog er zeitweise an ihr vorbei. Dann sanken seine Werte nach mehreren missglückten öffentlichen Auftritten wieder. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges schadet auch ihm sein bisheriges Wohlwollen gegenüber Russland und Wladimir Putin. Zemmour benennt den russischen Präsidenten zwar als Aggressor, er hält aber auch die NATO verantwortlich für den Ukraine-Krieg.
    Der extrem rechte Publizist Eric Zemmour tritt bei den Präsidentschaftswahlen 2021 an
    Der extrem rechte Publizist Eric Zemmour tritt bei den Präsidentschaftswahlen 2022 an (dpa / abaca / Blondet Eliot / ABACA)

    Die bürgerlich Rechte: Valérie Pécresse

    Heute heißen sie „Les Républicains“. Davor trugen Frankreichs konservative Parteien die Namenskürzel UMP, UNR oder UDR. Sie stellten über Jahrzehnte zusammen mit den Sozialisten die zwei großen politischen Lager Frankreichs. Aber seit Jahren machen parteiinterne Streitereien den Konservativen zu schaffen. Dann sprengte auch noch Macron als Newcomer mit seiner Bewegung „La République En Marche!“ (Die Republik in Bewegung) bei der Präsidentschaftswahl 2017 das traditionelle Parteienspektrum.
    Kandidatin der bürgerlichen Rechten war Valérie Pécresse. Pécresse ist Regionalpräsidentin der Île de France. Sie leitet damit die politisch wichtige Region um Paris. Zudem hat sie schon als Ministerin unter dem damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy Regierungserfahrung gesammelt. Ihre Kompetenzen konnte sie im Wahlkampf aber kaum vermitteln. Beobachter bescheinigten ihr nur mäßiges Talent für Wahlkampagnen. Nachdem sich die Partei erst hinter Pécresse vereinte, kämpfte die Kandidatin mit interner Kritik, Abtrünnigen, die zu Macron überliefen, und missglückten öffentlichen Auftritten.
    Mit Pécresse schickten die bürgerlich Rechten zum ersten Mal eine Frau ins Rennen um den Elysée. Pécresse versprach im Wahlkampf, alles zu tun, um die illegale Migration zu stoppen, Gettos zu „zerschlagen“, und die Sicherheit wiederherzustellen. In der Diskussion um den Ukraine-Krieg konnte sie kaum punkten, auch wenn sie in staatsmännischen Auftritten den russischen Überfall scharf verurteilte.  

    Die linken Parteien

    Frankreichs politisch linkes Spektrum zerfällt in mehrere Parteien. Mehrere Versuche, einen gemeinsamen Kandidaten oder eine gemeinsame Kandidatin zu küren, scheiterten. Nur einem wurde überhaupt eine Chance, es vielleicht doch noch in die Stichwahl zu schaffen, eingeräumt:

    Jean-Luc Mélenchon

    Jean-Luc Mélenchon, von der Partei „Unbeugsames Frankreich“, gehört zum politischen Urgestein des Landes. Vielleicht ist es seine jahrzehntelange Erfahrung auf der politischen Bühne, die den wortgewaltigen Linkspopulisten vor der Wahl in Umfragen als einzigen aus dem linken Kandidatenfeld hervorstechen ließ.
    Der Abgeordnete der Nationalversammlung wettert gegen soziale Ungerechtigkeiten im Land. Er versprach, das Rentenalter auf 60 Jahre zu senken. Mélenchon Kandidatur bei einer Präsidentschaftswahl war bereits die dritte. Bei seinem traditionellen „Marsch für eine sechste Republik“ brachte er in Paris an die 100.000 Menschen auf die Straßen.
    Mélenchon überspielte im Wahlkampf in öffentlichen Auftritten mehr oder weniger geschickt, dass auch er gegenüber Russlands Putin in der Vergangenheit durchaus wohlgesonnen war. Danach gefragt erklärte er, dass er schon seit Jahren vor einer Eskalation warne, weil über Grenzen und Sicherheit in Europa nicht geredet wurde.    
    Als ehemaliges Mitglied der Sozialistischen Partei kritisierte Mélenchon die Politik des damaligen sozialistischen Präsidenten Francois Hollande (2012-2017) als „zu rechts“.
    Jean-Luc Mélenchon ist Chef der äußersten Linken im französischen Parlament
    Jean-Luc Mélenchon ist Chef der äußersten Linken im französischen Parlament und gilt als erfahrener Politiker (dpa / abaca | Ait Adjedjou Karim/Avenir Pictures/)

    Anne Hidalgo

    Für die sozialistische Partei trat die Pariser Bürgermeisterin, Anne Hidalgo, an. Seitdem Francois Hollande Präsident war, kommt ihre Partei auf Landesebene nicht mehr auf die Beine. Obwohl Hidalgo als Bürgermeisterin der Hauptstadt bekannt ist und in diesem Amt auch zuletzt bestätigt wurde, kam ihre Kampagne für die Präsidentschaft nicht in Schwung. Hidalgo versprach im Wahlkampf eine Verdoppelung der Gehälter von Lehrern und „würdige“ Löhne. Außerdem hatte sie eine Art Klimasteuer für Haushalte mit einer hohen CO2-Bilanz einführen wollen.
    Anne Hidalgo ist Bürgermeisterin von Paris und tritt für die Sozialistische Partei an. Hier bei einer Pressekonferenz im Dezember 2021
    Anne Hidalgo ist Bürgermeisterin von Paris und tritt für die Sozialistische Partei an (dpa / picture alliance / Thibault Camus)

    Yannick Jadot

    Yannick Jadot kämpfte für die Grünen (Europe Ècologie – Les Verts) für das Präsidentenamt. Jadot ist Mitglied des Europäischen Parlaments. In der Partei, die ihren Kandidaten durch eine Urwahl ermittelte, gilt er als pragmatisch. Jadot setzt sich unter anderem dafür ein, dass Unternehmen, die noch auf fossile Energie setzen, kein öffentliches Geld mehr bekommen. Er ist für einen „verantwortungsvollen“ Ausstieg aus der Atomenergie im Laufe von 15 bis 20 Jahren. Auf lokaler Ebene konnten Frankreichs Grüne in den letzten Jahren Wahlerfolge verbuchen. Sie stellen mittlerweile auch in ein paar Großstädten die Bürgermeister. Auf nationalem Niveau hat sich die Partei aber noch nicht so stark etabliert.
    Yannick Jadot tritt für EELV ( Europe Ecologie les Verts ) bei der Präsidentschaftswahl 2022 an.
    Yannick Jadot tritt für EELV ( Europe Ecologie les Verts ) bei der Präsidentschaftswahl 2022 an (picture alliance / abaca / Raphael Lafargue)

    Fabien Roussel

    Der Kandidat der Kommunistischen Partei Frankreichs, Fabien Roussel, plädierte im Wahlkampf für eine massive Reindustrialisierung Frankreichs. Er wollte außerdem die Vermögenssteuer verdreifachen, Löhne und Renten erhöhen und eine Debatte über eine 32-Stunden-Woche führen.  
    Der Nationalist Nicolas Dupont-Aignan, der Gewerkschafter Philippe Poutou, der ehemalige Bürgermeister und Abgeordnete der Nationalversammlung Jean Lassalle sowie Nathalie Arthaud von der linken Partei „Lutte Ouvrière“ wurden ebenfalls für das Rennen um den Elysée zugelassen. Sie spielten im Wahlkampf aber kaum eine Rolle.
    Fabien Roussel tritt für die Kommunistischen Partei Frankreichs an
    Fabien Roussel tritt für die Kommunistischen Partei Frankreichs an (dpa / picture alliance / Le Tellec Stephane /ABACA)
    (Quellen: Christiane Kaess, dpa, AFP, cp)