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"Made in Bangladesh"
Tanzfabrik und Nähtheater

Die Choreografin Helena Waldmann ist dorthin gereist, wo viele Billigtextilien herkommen: Sie hat sich in Bangladesh Fabriken angeschaut und Tänzer gecastet für ihr neues Stück "Made in Bangladesh", das die Ausbeutung in den Fabriken thematisiert. Nun hat es in Ludwigshafen Premiere.

Von Oliver Kranz |
    Szene aus "Made in Bangladesh"
    Szene aus "Made in Bangladesh" (Helena Waldmann / Georgia Foulkes-Taylor)
    Tänzerinnen in bunten indischen Gewändern stehen nebeneinander und stampfen mit nackten Füßen auf den Boden. Hinter ihnen werden Nähmaschinennadeln auf eine große Leinwand projiziert.
    "Wenn man weiß wie Nähmaschinen funktionieren, dann tackern die und stechen die in den Stoff hinein und üben einen Druck aus auf den Stoff, um Nähte herzustellen. Ich habe beim Kathak das Gefühl gehabt, dass die Tänzer mit den Füßen auf dem Boden das machen, was die Nadeln mit dem Stoff machen."
    Kathak ist ein indischer Tanz mit jahrhundertealter Tradition. Helena Waldmann lässt ihre Akteure nur die Bewegungen ausführen, die an die Arbeit in der Textilfabrik erinnern - und das mit fast schon maschineller Präzision.
    Während der Rhythmus immer schneller wird, ist aus dem Off die Stimme eines Vorarbeiters zu hören: Wir müssen besser werden. Helena Waldmann hat solche Ansagen in Bangladesch selbst gehört.
    "Wenn ihr euer Tagesergebnis nicht gemacht habt, dann lasse ich euch nicht in die Mittagspause und ich lasse euch auch nicht nach Hause gehen. Das führt dazu, dass die Arbeiter in Bangladesch sowieso acht Stunden am Tag arbeiten müssen. Zu diesen acht Stunden gehören ganz normal zwei Stunden Überstunden dazu, was nicht extra bezahlt ist, also könnte man von Anfang an sagen, sie arbeiten sowieso 10 Stunden, was die Tänzer und wir hier alle auch tun."
    Prekär auf der Bühne
    Im zweiten Teil der Vorstellung wechseln die Tänzer die Kostüme und spielen eine europäische Ballettcompagnie. Während sie Schrittfolgen einstudieren, erläutert ihnen ein Manager die Vertragsbedingungen: Die Probenzeiten werden nicht bezahlt, für jede getanzte Vorstellung gibt es 45 Euro.
    "Das sind Bedingungen, die wir hier im Theater immer wieder vorfinden, dass Tänzer für null Euro mehrere Monate proben, dass sie für ganz wenig Geld Vorstellungen tanzen. Also es ist eine Verbindung hergestellt zwischen denen, die in Bangladesch nähen und denen, die auf dieser Bühne tanzen."
    Und das ist gewagt: Helena Waldmann prangert nicht nur die Zustände in Bangladesch an, sondern auch die in der hiesigen Tanzszene. Ausbeutung gibt es ihrer Meinung nach hier wie dort. Ihr indischer Ko-Choreograf Vikram Iyengar ist da schon vorsichtiger:
    "Viele der Textilarbeiterinnen, mit denen wir gesprochen haben, sagen, sie seien glücklich. Sie verdienen Geld, das sie ihren Familien schicken können - das ist das, was für sie zählt. Natürlich sehen wir als Außenstehende, dass sie ausgebeutet werden, aber ob sie sich auch ausgebeutet fühlen, ist schwer zu sagen."
    Ausbeutung und Selbstausbeutung
    Auf dieses Paradox weist auch die Inszenierung hin. Die Tänzer verausgaben sich, bis zum Letzten, und trotzdem beteuern sie, glücklich zu sein. Im dritten Teil der Inszenierung gibt es keine Manager und keine Vorarbeiter mehr. Trotzdem drosseln die Akteure nicht das Tempo.
    "Der dritte Teil fängt schon damit an, dass die Tänzer vorne an der Bühnenkante stehen und sich selbst den Puls messen. Im Hintergrund laufen zwölf Kurven, die die Frequenz des Pulses messen. Gleichzeitig sind sie sehr viel schneller als im ersten Teil, als in beiden anderen teilen. Und dann ist hinter ihnen ein Foto zu sehen, wo man einen Mann sieht, der ein menschliches Wesen näht."
    Helena Waldmann will darauf hinweisen, dass Menschen, die wie Maschinen funktionieren, kaum noch Menschen sind - ganz gleich ob sie in einem asiatischen Billiglohnland arbeiten oder in unserer europäischen Hochleistungsgesellschaft.