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Madeira
Die Insel am Tropf

Über Jahrzehnte hat die zu Portugal gehörende Insel Madeira von großzügigen EU-Hilfen profitiert und massiv in die Infrastruktur investiert. Dabei häufte sie aber auch gigantische Schulden an: Insgesamt sind es rund 7,5 Milliarden Euro. Wie auch nur die Zinsen bezahlt werden sollen, ist völlig unklar.

Von Tilo Wagner | 18.01.2015
    Felsküste vor Madeiras Halbinsel Ponta de Sao Lourenco
    Felsküste vor Madeiras Halbinsel Ponta de Sao Lourenco (picture-alliance / ZB / Andreas Lander)
    Maurício Marques hat seinen Wagen am Straßenrand abgestellt und schaut Madeiras steile Nordküste hinunter auf einen verwitterten Flachbau direkt am Meer.
    "Hier ist noch eine Kläranlage. Sie steht seit Jahren still. Ich glaube, insgesamt wurden 18 Kläranlagen auf Madeira gebaut, und nur drei sind in Betrieb. Das Geld kam vor allem von der Europäischen Union. Die Anlagen wurden angeblich gebaut, um die Wasserqualität an der Küste zu verbessern. Doch die drei Kläranlagen, die in Funktion sind, garantieren uns eine ausgezeichnete Wasserqualität. Die Frage ist also: Warum hat man eigentlich 18 Kläranlagen gebaut, wenn drei vollkommen ausreichen?"
    Der Unternehmer Marques zählt eine Reihe öffentlicher Einrichtungen auf, die allein in seinem 1000-Seelen kleinen Geburtsort Porto da Cruz beispielhaft für die ruinöse Investitionspolitik auf der portugiesischen Atlantikinsel stehen: eine ungenützte Strandpromenade, ein leer stehendes Gesundheitszentrum und eine verwaiste überdimensionale Kulturhalle. Seit dem Ende der autoritären Salazar-Diktatur Mitte der 1970er Jahre wurde Madeira vor allem von einem Mann regiert: Alberto João Jardim. Der konservative Politiker ist nun nach 36 Jahren an der Spitze der Regionalregierung zurückgetreten – und hinterlässt ein Erbe, das selbst seine politischen Widersacher differenziert betrachten:
    "Alberto João Jardim wollte zu Beginn seiner Amtszeit vor allem die Armut auf Madeira bekämpfen. Viele Gegenden hatten kein fließendes Wasser, keinen Strom, kein Abwassersystem, keine Straßen und manchmal noch nicht einmal richtige Häuser. Diese extreme Rückständigkeit hat er effizient beseitigt. Jardim war der richtige Mann zur richtigen Zeit. Doch ab dem Jahr 1998 hat er schwere politische Fehler gemacht. Und diese sind unverzeihlich. Es kam zu einer vollkommenen Orientierungslosigkeit hinsichtlich der öffentlichen Investitionspolitik und der wirtschaftlichen Ausrichtung."
    Madeiras Regierungschef Alberto Joao Jardim entsteigt in Lissabon einer Limousine.
    Madeiras Regierungschef Alberto Joao Jardim entsteigt in Lissabon einer Limousine. (dapd - Armando Franca)
    Carlos Pereira ist Fraktionsvorsitzender der Sozialisten im Regionalparlament in Funchal. Der Oppositionspolitiker hat ein Buch geschrieben über Madeiras ruinöse Finanzpolitik der letzten 15 Jahre. Das Wirtschaftsmodell von Alberto João Jardim war seit jeher auf zwei Säulen gebaut: Tourismus und öffentliche Investitionen.
    Zu den Vorzeigeprojekten gehört ein 140 Kilometer langes Autobahnnetz, das die bergige Insel mit über einhundert Tunnels durchschneidet. Ziel war es, die entlegeneren Regionen an die Wirtschafts- und Tourismuszentren im Süden anzubinden, um den Bevölkerungsschwund im Norden aufzuhalten. Doch das Gegenteil ist passiert, sagt der Unternehmer Maurício Marques.
    "Wer die Autobahn jeden Tag nutzt, der freut sich natürlich über die kurzen Wege. Aber es gibt auch Nebeneffekte, die man so nicht beachtet hat. Man hat die Straßen gebaut, aber keine Anreize geschaffen, damit in den entlegeneren Gegenden Arbeitsplätze entstehen und die Menschen in ihren Heimatstädten bleiben. Deshalb sind sehr viel nach Funchal gezogen."
    2011 kurz vor dem Bankrott
    Ein Großteil des Geldes für den Straßenbau und andere Projekte kam aus Brüssel. Insgesamt bezog die 800 Quadratkilometer kleine Inselregion mit ihren rund 260.000 Einwohnern seit 1986 schätzungsweise fünf Milliarden Euro an EU-Hilfen. Die Mittel für die nötige Eigenfinanzierung sammelte die konservative Regierung bei den Banken ein. Ende der 1990er Jahre war die Region bereits so hoch verschuldet, dass die Zentralregierung in Lissabon Madeiras Schulden komplett übernehmen musste. Alberto João Jardim konnte von Null anfangen. Und diesmal schlug er über alle Stränge. Im Jahr 2011 stand die Inselregion kurz vor dem Bankrott. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Verdachts auf Finanzbetrug. Jardim hatte durch ein ausgeklügeltes System jahrelang Schulden in Höhe von über einer Milliarde Euro geheim gehalten. Der Finanzexperte Carlos Pereira hat nachgerechnet:
    "Insgesamt hat die Region Madeira Schulden in Höhe von 7,5 Milliarden Euro. Das heißt, unser Schuldenstand in Relation zum Bruttoinlandsprodukt liegt bei knapp 180 Prozent. Das ist eine kolossale Zahl. Wer immer die Insel in Zukunft regieren wird, steht vor einer Mammutaufgabe: Er muss herausfinden, wie die Zinsen für die Schulden bezahlt werden können und gleichzeitig Geld für Bildung, Gesundheit und die öffentliche Verwaltung übrig bleibt. Bisher ist völlig unklar, wie das passieren soll."
    Kaum mehr Handlungsspielraum
    Anfang 2012 musste Jardim ein Rettungspaket mit der Lissabonner Zentralregierung aushandeln. Für den Regionalpolitiker war das kein leichter Schritt, denn nicht selten hatte er in der Vergangenheit die Schuld für die Finanzkrise auf das Festland geschoben. Zwar genießt Madeira Autonomie in wichtigen politischen Bereichen. Die Innere Sicherheit sowie die Verteidigungs- und Fiskalpolitik wird jedoch in Lissabon bestimmt. Die konservative Regierung um Premierminister Pedro Passos Coelho, die selbst seit Mitte 2011 die harten Sparauflagen der internationalen Geldgeber erfüllen musste, griff zu ähnlichen Mitteln, als sie den Finanzierungsplan für die Inselregion entwarf. Madeira habe seinen Entscheidungsspielraum extrem einschränken müssen, sagt der Soziologieprofessor Ricardo Fabrício:
    "Keine der wirklich ausschlaggebenden Entscheidungen wird seitdem hier in Madeira getroffen. Und es gab auch keine echte Alternative. Als die Regionalregierung das Rettungspaket mit Lissabon ausgehandelt hat, wurden die gleichen Bedingungen gestellt, die Lissabon auch erfüllen musste. Madeira konnte ja unmöglich besser gestellt werden als das portugiesische Festland. Die Hierarchie war klar: Die Troika leiht Portugal unter bestimmten Auflagen Geld, und die gleichen Auflagen musste dann Madeira gegenüber seinem Geldgeber in Lissabon leisten."
    Fast zwei Drittel Madeiras stehen unter Naturschutz.
    Fast zwei Drittel Madeiras stehen unter Naturschutz. ( Claudia Kalusky)
    Der Sparkurs hatte auf Madeira verheerende Folgen: Steuern wurden erhöht und Einkommen gekürzt, und nach dem Zusammenbruch der privaten Bauwirtschaft gab es nun kaum noch Geld für öffentliche Bauaufträge. Die alten Profiteure der jahrzehntelangen Investitionspolitik von Alberto João Jardim standen mit leeren Händen da. Bauunternehmen gingen Pleite, Arbeiter verloren ihre Jobs. Und zwei Phänomene kehrten zurück, die die Menschen auf Madeira eigentlich überwunden zu schienen haben: Emigration und Armut. Das sagt José Barbeito, der Präsident der Caritas in Funchal:
    "Wir haben dramatische Momente erlebt. Zu uns kamen jetzt Familien, die sich vor kurzer Zeit noch zur oberen Mittelschicht rechneten. Ihr Unternehmen war Pleite gegangen oder sie hatten ihren gut bezahlten Job verloren und waren nun in einer Situation, die sie noch nie erlebt hatten. Das hatte nicht nur finanzielle Folgen, sondern auch emotionale und psychische. Viele litten nun unter schweren Depressionen. Wir standen also vor einer ganz neuen Form von Armut."
    Die Wirtschaftskrise stellt auch die Erfolge infrage, die in den vergangenen Jahren im Bildungsbereich erreicht wurden. Eine ganze Generation von jungen Fachkräften, die unter anderem an der Universität Funchal ausgebildet wurde, habe die Insel verlassen, sagt der Soziologe Ricardo Fabrício. Und gleichzeitig sei die Arbeitslosigkeit unter den Geringqualifizierten rapide gestiegen:
    "Die hohe Arbeitslosigkeit auf Madeira steht in direkter Verbindung mit dem Ende der öffentlichen Investitionspolitik im Baugewerbe. In diesem Sektor haben früher Geringqualifizierte Jobs gefunden. Von den 22.000 Arbeitslosen, die im Arbeitsamt registriert sind, haben 53 Prozent höchstens die sechste Klasse absolviert. Eine grundlegende Frage wird sein: Wie können wir diese Leute wieder in den Arbeitsmarkt integrieren? Ich sehe nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie finden Beschäftigung in der Landwirtschaft, oder wir brauchen ein groß angelegtes Umschulungsprogramm, um zu verhindern, dass daraus Langzeitarbeitslose werden."
    Politischer Neuanfang nach dem Finanzdesaster
    Das desaströse Ende der Regionalpolitik von Alberto João Jardim hat zumindest einen positiven Nebeneffekt: Madeira steht vor einem politischen Neuanfang. Im Herbst 2013 konnte bei den Kommunalwahlen eine Sechs-Parteien-Koalition unter Führung der Sozialisten das erste Machtmonopol der regierenden konservativen Partei PSD durchbrechen: Die Inselhauptstadt Funchal wird seitdem von einer Gruppe von Unabhängigen regiert, die bisher politisch unbelastet waren. Und in Jardims konservativer Partei rumort es seit 2012, als eine Gruppe von 60 Parteimitgliedern um den damaligen Bürgermeister von Funchal, Miguel Albuquerque, den Machtanspruch des alten Lokalfürsten zum ersten Mal infrage stellte. Jardim ist jetzt von allen Partei- und Regierungsämtern zurückgetreten. Ende Dezember gewann Albuquerque per Direktwahl der PSD-Mitglieder gegen einen Kandidaten, der von Jardim unterstützt wurde. Bei möglichen Neuwahlen, die wahrscheinlich Ende März stattfinden werden, könnte auf Madeira zum ersten Mal seit dem Beginn der Demokratie in Portugal ein neuer Regionalregierungschef gewählt werden. Miguel Albuquerque weiß, dass sein Erfolg auch davon abhängt, wie sehr er sich von der ruinösen Investitionspolitik der vergangenen Jahre zu distanzieren versteht:
    "Es gab eine Reihe von öffentlichen Bauprojekten, die ich nicht für strukturell wichtig halte. Diese Investitionen versprechen keinen Mehrwert für die Wirtschaft und keinen großen Nutzen für die Bevölkerung. Und es sind Altlasten, deren Instandhaltung teuer ist."
    "Am Ende eines politischen Zyklus"
    Der politische Neuanfang ist auch für den Soziologen Fabrício eine notwendige Entwicklung, damit die Inselregion aus der Krise kommt. Madeira brauche vor allem viel mehr diplomatisches Geschick, um eine Aufweichung der harten finanziellen Forderungen in Lissabon zu erreichen, sagt er: "Wir stehen an einem ganz entscheidenden Punkt: Wir haben einen riesigen Schuldenberg, aber wir können die Schulden nicht in dem Rahmen abbezahlen, wie er jetzt existiert. Wir müssen unsere Geldgeber davon überzeugen, dass die Laufzeiten der Kredite verlängert werden müssen. Aber wir werden Lissabon nicht umstimmen, indem wir mit der Faust auf den Tisch hauen. Schließlich haben wir ja nicht einmal mehr den Tisch, auf den wir hauen könnten."
    Im Gegensatz zur alten Garde unterhält der neue Parteichef Albuquerque gute Beziehungen zu seinem Parteifreund Passos Coelho in Lissabon und versucht sich nun bewusst als Reformer innerhalb der konservativen Partei zu positionieren:
    "Wir stehen am Ende eines politischen Zyklus. Wir müssen uns bemühen, gegenüber dem Festland und dem Ausland ein positiveres Image zu entwickeln. Mit Madeira hat man in der jüngsten Vergangenheit vor allem finanzielle Probleme und Naturkatastrophen wie Sturzfluten und Waldbrände in Zusammenhang gebracht. Wir müssen uns auf unsere Stärken besinnen und zeigen, für was Madeira wirklich steht."
    Es gibt jedoch berechtigte Zweifel, ob der neue konservative Parteichef den politischen Neuanfang schafft. Albuquerque stand seit Mitte der 1990er Jahre dicht an der Seite von Alberto João Jardim, zuerst als Chef der Jungkonservativen, später als Bürgermeister von Funchal.
    Vor wenigen Wochen ist in Funchal eine neue Uferpromenade eingeweiht worden mit breiten Blumenbeeten, flachen Treppen, die zum Wasser führen, und Rasenflächen. Das Geld für die Bauarbeiten kam aus Lissabon und Brüssel und ist Teil eines Solidaritätsfonds. Im Februar 2010 hatte Starkregen eine schwere Flutkatastrophe auf der ganzen Insel ausgelöst. 42 Menschen starben, Häuser wurden wegerissen, die Promenade in Funchal wurde zerstört. Die Stadt hat sich davon gut erholt. Ein neuer Kai wird gerade ins Hafenbecken gezogen, der künftig Yachten und Kleinboote vor dem Meer schützen soll. Raimundo Quintal sitzt auf einer Steinbank, schaut auf die Bagger und Betonmischmaschinen und schüttelt mit dem Kopf.
    Verschüttete Autos in Funchal, der Hauptstadt von Madeira
    Verschüttete Autos in Funchal, der Hauptstadt von Madeira (AP)
    "Zum Zeitpunkt der Flutkatastrophe wussten wir bereits, dass Madeira bankrott war, und wir wussten auch, dass man dieser Regionalregierung selbst im Namen der Solidarität kein Geld mehr in die Hand geben durfte. Denn diese Regierung würde das Geld wieder genau an die gleichen Bauunternehmen weiterleiten, die seit jeher von dem Bauboom profitiert haben. Leider ist es genauso gekommen. Und die Katastrophe hat neue Chancen geschaffen, damit die Zentralregierung, die Regionalregierung und die Bauunternehmen hier ein weitere Hochzeit feiern können."
    Der Umweltschützer und Geograf hatte dafür plädiert, dass die Hilfsfonds von einer unabhängigen Kommission verwaltet werden sollten. Denn dann, so Raimundo Quintal, hätten schwerwiegende Planungsfehler verhindert werden können, zum Beispiel die Erweiterung eines Kraftwerkes und Gasdepots, die direkt an der Mündung einer der gefährlichen Sturzbäche gelegen sind. Die Krise auf Madeira hat eine breite Debatte angestoßen über die Zukunft der Insel und die Fehler der Vergangenheit. Der Unternehmer Maurício Marques, der für Projekte seines kleinen Kulturvereins auch immer wieder Anträge in Brüssel gestellt hat, kritisiert, wie leicht es der Regionalregierung jahrelang gemacht wurde, EU-Hilfen zu beantragen.
    Keine realistischen Pläne für die Nutzung der Infrastruktur
    "Unser ganzes Entwicklungsprojekt der vergangenen 30 Jahre basierte darauf, dass wir in die öffentliche Infrastruktur investiert haben, damit Jobs im Baugewerbe entstehen und so der Lebensstandard der Bevölkerung erhöht wird. Deshalb hat man sich Projekte ausgedacht, für die man EU-Hilfen und Bankkredite beantragen kann. Leider ging es dabei fast ausschließlich um den Bau. Das heißt, es gab keine realistischen Businesspläne, wie die Infrastruktur nach dem Tag der Eröffnung genutzt werden könnte, wie sie mittel- und langfristig rentabel bleiben würde, wie wir sie erhalten können und wie sie der Bevölkerung hinsichtlich einer nachhaltigen Entwicklung helfen kann."
    Die EU-Mittel fließen seit 2007 nicht mehr im großen Umfang, weil Madeira aus der Gruppe der ärmsten Regionen aufgestiegen ist. Dabei werden in die Wirtschaftsleistung der Insel jedoch auch die Gewinne der internationalen Unternehmen miteingerechnet, die sich in der Freihandelszone Madeira niedergelassen haben. Die Firmen können das von der EU genehmigte Niedrigsteuergebiet nutzen, wenn sie Arbeitsplätze auf der Insel schaffen; sie zahlen dann nur fünf Prozent Ertragssteuer. Bisher sind bei den internationalen Unternehmen rund 2.000 Arbeitsplätze geschaffen worden. Der Finanzexperte und Oppositionsführer Carlos Pereira glaubt jedoch, dass Madeira mit seinen Standortvorteilen noch nicht genügend geworben hat.
    "Ich bin mir sicher: Wenn wir an die Tür von internationalen Großunternehmen klopfen würden und ihnen niedrige Steuern, preiswerte Büros und Telekommunikation, ein angenehmes Klima, Stipendien und eine enge Zusammenarbeit mit unserer Universität bieten, dann kommt irgendwann auch jemand."
    Eindruckvolle Felsküste vor Madeiras Halbinsel "Ponta de Sao Lourenco"
    Eindruckvolle Felsküste vor Madeiras Halbinsel "Ponta de Sao Lourenco" (picture alliance / dpa / Andreas Lander)
    Für viele Politiker aus Regionalregierung und Opposition ist das internationale Businesscenter, das rund um die Freihandelszone entsteht, ein wichtiges Element auf dem Weg aus der Krise. Doch die verfehlte Investitionspolitik macht sich auch hier bemerkbar: Die einzige Kabelverbindung auf das europäische Festland ist in den Händen eines privatisierten Staatsunternehmens, das die Preise für die Telekommunikation sehr hoch hält. Der Soziologe Ricardo Fabrício glaubt, dass sowohl auf Madeira als auch in Lissabon und Brüssel eine neue Strategie entwickelt werden muss, wie die Insel in der äußersten Peripherie der Europäischen Union in Zukunft überleben kann:
    "Die Freihandelszone kann nicht die einzige Lösung sein, aber sie muss Teil der Lösung sein. Denn was bleibt uns ohne das Niedrigsteuergebiet? Wenn wir keine Möglichkeit haben, über die Ertragssteuern der internationalen Unternehmen an Einnahmen zu kommen, dann wird es schwierig für uns. Das internationale Businesscenter auf Madeira muss auch näher an den Tourismus gebunden sein, um zusätzliche Einnahmen zu generieren. Und für die EU kann Madeira auch eine neue Funktion bekommen – zum Beispiel als Brücke nach Südamerika, wohin viele Inselbewohner ausgewandert sind."
    Bewusst ohne EU-Hilfen
    Es gibt jedoch auf Madeira mittlerweile auch Projekte, die bewusst ganz ohne die EU-Hilfen auskommen wollen. Raimundo Quintal arbeitet mit seinem lokalen Naturschutzverbund an einer Lösung, wie die Naturkatastrophen auf Madeira in Zukunft eingedämmt werden können. Die Umweltschützer pflanzen in den Hochgebirgsregionen Bäume und Vegetation, die bei Starkregenfällen die erste natürliche Barriere sein sollen.
    "Die EU unterhält in Brüssel ein Förderzentrum für viele, die so schlau und unverfroren sind, um mit ihren Scheinprojekten Geld einzusammeln. Unsere Reaktion auf dieses Verhalten ist von kleinem Ausmaß, denn wir können ja nicht die ganzen Berge neu bewalden. Wir wollen jedoch ein Zeichen setzen: Wir hätten für unser Projekt in Brüssel rund 250.000 Euro beantragen können. Aber wir wollen das Geld nicht. Damit werden wir die Art und Weise, wie Europa funktioniert, natürlich nicht verändern können. Aber wir können zeigen, dass man auch mit relativ wenig Geld etwas erreichen kann."