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"Mädchen den Weg in die Technik erleichtern"

Die Bezirksleiterin der IG Metall Küste, Jutta Blankau, hat auf die Wichtigkeit des heutigen Girls'Day hingewiesen, um bei jungen Mädchen das Interesse für Technik zu wecken. Nach wie vor interessierten sich eher Jungen für technische Berufe. Mit Blick auf den Fachkräftemangel in Deutschland wies Blankau auf das schlechte Image der Ingenieurswissenschaften hin. Hier müsse über Praktika der Weg in eine gewerblich-technische Ausbildung geebnet werden, betonte die Gewerkschafterin.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: 95.000 Ingenieure fehlen in Deutschland nach eigenen Angaben der Branche. Ein Bereich also, in dem durchaus Arbeitsplätze vorhanden wären und Karrierechancen - anders als in manchen geisteswissenschaftlichen Berufen - durchaus denkbar sind. Vielleicht auch ein Grund, weshalb sich Betriebe sehr offen zeigen, am heutigen Girls'Day auch Mädchen für diese Art der technischen Berufe zu interessieren. Was ein solcher Tag bringt, wozu er nötig ist, darüber habe ich vor der Sendung mit Jutta Blankau gesprochen. Sie ist Bezirksleiterin der IG Metall Küste. Ich habe sie gefragt, ob der Girls'Day auch in ihrer Familie ein Thema ist.

    Jutta Blankau: Meine Tochter wird Blum & Voss kennen lernen, was ich ausgesprochen gut finde, weil als Mädchen hat sie ziemlich wenig mit technischen Dingen zu tun und eine Werft bietet sich aus meiner Sicht ungeheuer gut an, weil man dort die Produkte, das Entstehen eines Produktes sehen kann. Vielleicht entwickelt sie ja ein Interesse, ein stärkeres Interesse als bislang für die Technik.

    Klein: War das Ihre Idee oder hatte sie selbst Lust dazu?

    Blankau: Sie hat gefragt, ob sie in irgendeinen Betrieb der Metall- und Elektroindustrie gehen könnte, und dann habe ich vorgeschlagen, ob sie nicht auf eine Werft gehen wollte.

    Klein: Was ist denn aus Ihrer Sicht das günstige daran, dass sich Mädchen zum Beispiel für Arbeiten auf der Werft interessieren?

    Blankau: Das günstige daran ist, dass aus eigener Erfahrung heraus als Frau der Zugang zur Technik Mädchen meines Erachtens immer noch deutlich schwerer fällt als Jungen. Insofern bietet sich das geradezu an, wenn man die Möglichkeit hat, dann auch dort hineinzugehen und Interesse zu wecken. Es führt natürlich noch gar nicht dazu, dass Kinder dann für sich entscheiden, da möchte ich später arbeiten, aber das ist ein Einstieg und vielleicht auch ein Beitrag, Interesse zu wecken.

    Klein: Das fällt ihnen deutlich schwerer. Weshalb ist das so?

    Blankau: Weshalb ist das so? - Es hat sicherlich auch etwas mit Erziehung zu tun, etwas mit Vorleben zu tun und auch mit Unterrichtsweisen in den Schulen. Da glaube ich muss man in den nächsten Jahren noch viel mehr tun, um Mädchen den Weg in die Technik zu erleichtern.

    Klein: Inwiefern wird ihnen der Weg dort verbaut?

    Blankau: Ich denke, dass Mädchen eher kommunikativer sind. Es fällt ihnen sprachlich alles leichter. Mathematik und Naturwissenschaften sind am Anfang ja eher langweilig, es sei denn man experimentiert viel. Dann kann man schon das Interesse wecken. Die Zugänge zur praktischen Arbeit sind natürlich in der Schule selten gegeben und deswegen fände ich es beispielsweise gut, wenn Schulen sehr viel mehr Praktika anbieten könnten.

    Klein: Jetzt muss ich mal ketzerisch fragen. Weshalb ist es denn ein besonderes Zeichen von Gleichberechtigung, wenn sich Mädchen für technische Berufe interessieren? Eine Karriere als Ärztin, Anwältin oder Journalistin ist doch genauso interessant.

    Blankau: Das ist genauso interessant für Jungen wie für Mädchen. Ich glaube allerdings, wenn man sich anguckt, welche Interessen Mädchen haben und in welche Berufe sie dann später gehen, sind es immer die gleichen. Ich glaube das hat auch etwas damit zu tun, dass sie gar nicht wissen, wie vielfältig beispielsweise das Berufsleben ist. Wenn meine Tochter sich entscheidet wie ich, später Juristin zu werden, ist es auch in Ordnung. Ich finde es aber ganz gut, dass Girls'Days angeboten werden und dass dies die erste Möglichkeit ist, sich damit auseinanderzusetzen.

    Klein: Sie sind zuständig für den Bereich IG Metall Küste. In den Betrieben, die Sie jetzt im Blick haben, wie viel Zuspruch findet dieser Tag denn?

    Blankau: Es ist in den letzten Jahren immer sehr gut angenommen worden. Anfänglich auch so, wie der Girls'Day eigentlich entstanden ist, dass die Väter insbesondere ihre Töchter mit in die Berufe nehmen, die Mädchen selten wahrnehmen. Das ist nach wie vor so. Die Anmeldungen sind sehr hoch, auch bei Blum & Voss, und das ist sicherlich auch bei Airbus wie in den letzten Jahren so, dass dort auch wieder viele hingehen. Die Betriebe bieten das an; das finde ich gut. Ich finde beispielsweise auch die Weiterentwicklung im Schiffbau, die wir ja haben, mit Image-Wochen, die jetzt jährlich stattfinden, ausgesprochen gut, dass beiden Geschlechtern, sowohl Schülern wie Schülerinnen die Möglichkeit gegeben wird, sich einfach mal umzuschauen.

    Klein: Das Interesse wecken und dort einen Einblick verschaffen, das ist sicherlich in jeder Beziehung hilfreich oder auch interessant. Die Frage ist: Gibt es schon eine Art von Niederschlag in den Anmeldungen zum Beispiel für Lehrberufe oder auch für das Studium der Ingenieurwissenschaften? Kann man schon nachvollziehen, ob dieser Tat tatsächlich etwas bringt, wenn das Ziel sein soll, wir bringen Mädchen mehr in Ingenieurberufe als bisher?

    Blankau: Die Zahlen sind jetzt ja angestiegen. Es studieren jetzt mehr junge Frauen auch in den Bereichen. Das sind nicht so viele wie junge Männer. Ich glaube, dass es nicht wesentlich etwas mit dem Girls'Day zu tun hat, aber dass der Girls'Day einen Beitrag dazu leistet, tatsächlich Mädchen stärker in andere Bereiche hineinzubringen.

    Klein: Es ist auch ein bisschen seltsam, dass man ja eigentlich sagen kann, dass auf dem Arbeitsmarkt die Berufschancen für Absolventen der Ingenieurstudiengänge doch relativ gut sind - ich sage mal im Vergleich zu Männern und Frauen, die Germanistik oder Geschichte studiert haben - und dennoch ein wirklicher Run auf diese Berufe zumindest beim weiblichen Geschlecht nicht vorhanden ist. Was ist die tiefere Ursache dafür? Sind wir da wieder bei der Schule und der Ausbildung?

    Blankau: Ich denke schon, dass es etwas damit zu tun hat: Elternhaus, Schule. Ich glaube allerdings auch, dass es etwas damit zu tun hat, dass einige Jahre, gerade in den 80er Jahren die Ingenieursberufe auch nicht so beworben wurden und auch die Arbeitgeberverbände damals immer darauf hingewiesen haben, dass man sich in eine Dienstleistungsgesellschaft hin entwickelt. Damit verliert man natürlich an Image selbst und das kann man ganz kurzfristig nicht aufholen. Es ist ja auch nicht so, dass jetzt alle männlichen Bewerber tatsächlich dann in Ingenieurstudiengänge gehen. Wenn man sich das anguckt, könnten das auch noch wesentlich mehr tun.

    Klein: Was tun denn die Betriebe, was tun die Gewerkschaften zum Beispiel, abgesehen davon, dass sie einen Girls'Day veranstalten?

    Blankau: Wir haben beispielsweise die Konsequenz daraus gezogen - da nehme ich wieder den Bereich des Schiffbaus -, dass dort einerseits die Ingenieurszahlen deutlich geringer geworden sind, gerade die Studienanfänger geringer geworden sind, und hier ein hoher Bedarf an Ingenieursnachwuchs einfach da ist - und Fachkräftemangel wird perspektivisch dort auch entstehen -, dass wir uns entschlossen haben, gemeinsam mit dem Verband für Schiffbau und Meerestechnik, also dem Arbeitgeberverband, jährlich eine Image-Woche zu machen und für die Berufe im Schiffbau zu werben. Das ist sehr erfolgreich angelaufen. Auch da gehen Schulen in die Betriebe. Das findet in einer Woche statt. Es werden Angebote gemacht, wo auch in Lehrwerkstätten Schüler und Schülerinnen die Möglichkeit haben, etwas zu tun. Es finden Veranstaltungen statt, wo über diese Berufe informiert wird. Das muss mehr gemacht werden und ich denke auch, dass es sehr sinnvoll ist, Praktika an Schulen viel früher viel stärker anzubieten. Das gilt nicht nur für den technischen Bereich, sondern für alle Berufszweige, damit junge Leute mehr Möglichkeiten haben, sich zu entscheiden, was sie dann später mal machen wollen.

    Klein: Werben, Frau Blankau, ist das eine. Aber es wären ja zum Beispiel auch spezielle Förderprogramme denkbar, wenn man dieses Ziel erreichen will.

    Blankau: Wir haben auch mit Betrieben in der Metall- und Elektroindustrie in Hamburg und Schleswig-Holstein Projekte gefahren, wo wir gerade so genannten noch nicht ausbildungsfähigen jungen Menschen gemeinsam angeboten haben, tatsächlich über Praktika in eine gewerblich-technische Ausbildung hineinzuwachsen. Das ist sehr erfolgreich gewesen. Das sind Dinge, die man machen kann. Man kann das alles auch verbreitern, aber man muss halt auch die Möglichkeiten nutzen, die Betriebe angeboten haben. In Hamburg gibt es einzelne Betriebe, die auch Angebote an Schulen machen, Praktika stärker bei ihnen zu machen. Das muss man noch deutlich ausbauen.

    Klein: Ein Gespräch mit Jutta Blankau, Leiterin des IG-Metall-Bezirks Küste.