Merz: Guten Morgen Frau Durak.
Durak: Nehmen Sie denn die Kritik von Wolfgang Schäuble an der Außendarstellung als Doppelspitze an?
Merz: Das Interview, das Wolfgang Schäuble am letzten Wochenende in der "Rheinischen Post" gemacht hat, auf das Sie ja Bezug nehmen, ist völlig harmlos. Wenn Sie den Wortlaut lesen, dann hat er etwas beschrieben, was der Vergangenheit angehört. Er hat auch in der Vergangenheitsform gesprochen und hat ansonsten darauf hingewiesen, dass Angela Merkel und ich so wie wir in unsere Ämter gewählt worden sind unsere Arbeit machen. Insofern habe ich das gar nicht als Kritik empfunden. Das ist dann anschließend in den Tagen danach etwas überhöht worden, zum Teil auch gar nicht mehr richtig zitiert worden. Wir machen unsere Arbeit ganz ruhig und gelassen, und das wird auch bis zur Bundestagswahl so sein. Dann werden wir versuchen, die rot/grüne Bundesregierung abzulösen. Deswegen bin ich ganz ruhig und konzentriert bei der Arbeit.
Durak: Sie sehen überhaupt gar keinen Anlass zu ein bisschen Selbstkritik?
Merz: Frau Durak, jeder von uns macht Fehler. Ich bin aber zu einer außergewöhnlich schwierigen Zeit in mein Amt gekommen als Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Wolfgang Schäuble hat übrigens in dem Interview auch darauf hingewiesen, dass die CDU die Konsequenzen der Parteispendenaffäre und die Folgen noch nicht überwunden hat, dass uns das alles noch ein bisschen in den Kleidern steckt und deswegen auch manche Reaktionen verständlich sind, die es in der Partei gibt, die es auch in der Öffentlichkeit gibt. Wenn ich zurückblicke auf das letzte Jahr, dann muss ich sagen, wir haben in der Bundestagsfraktion zu fast allen großen Themen, die dieses Land bewegen und beschäftigen, unsere Positionen eingenommen, angefangen von der Rentenversicherung, Rentenreform, ein eigenes Konzept vorgelegt in der Steuerpolitik, in der Außenpolitik, in der Europapolitik bis hin in die jüngsten Tage zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, wo wir mit der Partei zusammen eigene Vorschläge gemacht haben, wie man dieses Gesetz wirklich modernisieren kann. Insofern bin ich von der Sacharbeit gar nicht unzufrieden. Von der Außendarstellung der Fraktion, auch meiner Person ist manches zu verbessern, aber das werden wir in den nächsten 18 Monaten gemeinsam leisten. Deswegen finden Sie mich gar nicht unzufrieden.
Durak: Herr Merz, Herr Schäuble ist ja nicht der einzige, der Kritik geübt hat. Herr Teufel, Wahlkämpfer in Baden-Württemberg, hat vor ein paar Tagen auf den Tisch geschlagen. Heute tut er es wieder, sagt auch noch einmal, die unnötigen Auseinandersetzungen in den vergangenen Monaten hätten der Union insgesamt nicht gut getan. Inwiefern wollen Sie denn Ihre Arbeit verbessern, mit Frau Merkel beispielsweise?
Merz: Angela Merkel und ich arbeiten gut, freundschaftlich, sehr offen, sehr vertrauensvoll und problemlos zusammen. Es hat einen Punkt gegeben, an dem wir unterschiedlicher Auffassung waren. Der ist allgemein bekannt. Das Thema ist erledigt und insofern ist das, was da jetzt stattfindet, eine Betrachtung der Vergangenheit, nicht eine der Gegenwart und schon gar nicht eine der Zukunft. Ich bin zur Zeit viel in Baden-Württemberg unterwegs, heute wieder. Die Stimmung dort in den Versammlungen ist wesentlich besser als das, was über die Medien zum Teil transportiert wird. Ich bin mir sicher, dass wir in Baden-Württemberg alle Chancen haben, die Wahl so zu gewinnen, dass die Koalition von Erwin Teufel mit der FDP fortgesetzt werden kann. Die CDU dort wird ein ordentliches Ergebnis erzielen. Wir haben in Rheinland-Pfalz ebenfalls alle Chancen, stärkste Fraktion im Landtag zu werden und damit die sozialliberale Koalition abzulösen. Wir müssen jetzt ganz konkret, ganz ruhig und sachlich unsere Themen behandeln und klar machen, wo wir in diesem Lande bessere Politik für notwendig halten, gegen die rot/grüne Bundesregierung, die ja nun wirklich eine große Zahl von Schwächen offenbart in fast allen Politikfeldern. Ich gebe zu, wir haben durch die eigenen Debatten zum Teil abgelenkt von diesen Schwächen der rot/grünen Bundesregierung, die sich sozusagen im Windschatten der Probleme der Opposition relativ unkontrolliert bewegen konnte. Das hat jetzt wieder aufgehört. Wir werden auch in der nächsten beziehungsweise übernächsten Woche im Bundestag Debatten über große und wichtige innenpolitische Themen haben und bei dieser Gelegenheit auch deutlich machen, wo die Fehler der Regierung liegen und welche Alternativen wir für besser halten.
Durak: Herr Merz, mit zwei Themen sind Sie in den letzten Tagen einschließlich heute auf den Markt gekommen sagen wir mal: zum einen Politikverbot für noch nicht anerkannte Asylbewerber, Ihr Vorschlag. Wieso haben Sie eigentlich dieses Thema nicht dem überlassen, der von der Union damit beauftragt wurde, Peter Müller, Einwanderungskommission?
Merz: Das Thema, das ich auf jeder Versammlung anspreche, nämlich Einwanderungsfragen, Integrationsfragen bis hin zum Asyl, ist ein Thema, das wir in der Bundestagsfraktion und in der Partei schon seit langem behandeln. Die Innenminister haben sich in der vorletzten Woche genau mit diesem Thema beschäftigt. Wir haben schon vor zehn oder neun Monaten in einem Papier der Bundestagsfraktion genau über dieses Thema, nämlich politisches Betätigungsverbot für Asylbewerber während der laufenden Verfahren, Vorschläge gemacht, um nachgeschobene Asylgründe zu vermeiden. Ich habe im Grunde nur etwas wiederholt, was schon längst in der Debatte ist. Ich habe ganz aktuell noch einmal etwas deutlich öffentlich ausgesprochen, was wir im Vorstand der Bundestagsfraktion vor langer Zeit miteinander besprochen haben, nämlich die Frage, wie man im Bereich des Arbeitsmarktes wirklich zu besseren Lösungen kommt, wie man das Problem der strukturellen Arbeitslosigkeit in Deutschland überwinden kann, also gar nicht neue Themen, sondern nur das gemacht, was uns in der letzten Zeit leider nicht genügend gelungen ist, nämlich über das, was wir inhaltlich vorbereitet haben, auch die notwendige Kommunikation mit der Öffentlichkeit zu leisten und nachzuholen. Wir müssen auf die aktuellen Themen, die die Menschen bewegen, antworten geben, auch wenn sie noch nicht ganz fertig sind, wenn sie noch nicht Gegenstand eines allumfassenden Konzeptes sind. Ich bin mir in diesen Fragen auch mit Peter Müller einig. Das Gesamtkonzept wird im Frühsommer vorgestellt werden. Es wird dann in entsprechende parlamentarische Initiativen in Berlin umgesetzt werden, aber Einzelaspekte dieses Themas kann man, muss man diskutieren, insbesondere dann, wenn man von den Menschen danach gefragt wird. Ich werde in den Versammlungen gefragt, wie haltet ihr es mit dem Thema Einwanderung, Integration, Asyl, und da kann ich nicht immer nur darauf verweisen, dass wir irgendwann im Sommer dazu ein Konzept vorlegen. Ich antworte auf Einzelfragen, sage dann allerdings immer dazu, das Gesamtkonzept kommt im Sommer.
Durak: Sie antworten auf Einzelfragen. Sie stellen auch Teile eines Konzeptes vor, wollen offenbar auch Denkanstöße geben. Dazu gehört auch das, was wir heute in der Zeitung lesen können. Da steht als Schlagzeile, "Merz will die Struktur des Arbeitsmarktes verändern". Das haben die Kollegen in der "FAZ" so getitelt. Aber Sie sprechen den Wahlkampf an, den die Union für 2002 führt, und sagen, es braucht ein Gesamtkonzept, das auf die zentralen Fragen Wirtschafts-, Sozial-, Familien- und Umweltpolitik abzielt. Sie schlagen unter anderem vor, dass der soziale Gürtel etwas enger geschnallt werden soll. Zitat
Merz: "Wer nicht leisten will, was er leisten kann, verletzt die Solidarität und verwirkt den Anspruch auf Leistungen". Auch dies ein Konzept im Vorschlag oder schon abgestimmt?
Merz: Das ist genau das, was wir im Vorstand der Bundestagsfraktion im Januar besprochen haben. Ich habe das in Form eines Briefes an die Kolleginnen und Kollegen als Ergebnis zusammengefasst, übrigens mit Angela Merkel zusammen, die auch an dieser Sitzung des Fraktionsvorstandes wie richtigerweise an fast allen teilgenommen hat und an der Debatte teilgenommen hat und das genauso sieht. Wir müssen neue Prioritäten setzen innerhalb des Sozialstaates und wir müssen vor allen Dingen - und das ist mein zentrales Anliegen an dieser Stelle - dazu kommen, dass die Union Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Familienpolitik bis in den Bereich der Umweltpolitik wieder als Gesamtkonzept versteht und nicht einzelne Gruppeninteressen versucht zu bedienen, aus denen heraus sich dann neue Widersprüche ergeben. Die Union ist immer stark gewesen, wenn sie diese ganzheitliche Betrachtung der Wirtschafts- und Sozialpolitik verfolgt.
Durak: Herr Merz, lassen Sie uns bei dem einen Punkt bleiben. Das allgemeine haben wir verstanden. Sie wollen also Langzeitarbeitslosen ein wenig auf die Finger klopfen?
Merz: Wir müssen die Anreize verbessern, eine Beschäftigung anzunehmen. Vollbeschäftigung ist auch in Deutschland möglich. Andere Länder haben es uns längst vorgemacht. Wir müssen für die Familien mehr tun und wir müssen denen sagen, die eine zumutbare Beschäftigung nicht annehmen ohne triftigen Grund, dass sie die Solidarität im Sozialstaat auch verletzen und dann den Anspruch auf Leistungen verwirken. Anders geht es nicht. Das sagt übrigens auch jeder Fachmann, der sich mit den strukturellen Gründen unserer Arbeitslosigkeit beschäftigt. Die Anreize sind die falschen. Derjenige der arbeitet muss grundsätzlich netto mehr im Portemonnaie haben als derjenige, der nicht arbeitet und soziale Transferleistungen bekommt. Das ist zum Teil umgekehrt. Das hängt teilweise auch mit den Leistungen zusammen, die für Kinder in der Arbeitslosigkeit gewährt und in der Beschäftigung nicht gewährt werden. Also neue Prioritäten und Anreizsysteme so ausbauen, dass jemand der eine Beschäftigung angeboten bekommt sie auch annimmt, weil er sich danach besser steht als vorher. Also nicht einfach nur den Gürtel enger schnallen, Frau Durak, sondern ganz konkret es ordnungspolitisch so zu machen, dass eine Beschäftigung angenommen wird. Ich habe ja in diesem Beitrag, der heute in der "FAZ" erscheint, auch auf einige Zahlen hingewiesen: die große Zahl der Überstunden, fast zwei Milliarden, 500.000 offene Stellen. Wir reden über Greencard-Einwanderung, ausländische Beschäftigte und haben gleichzeitig über vier Millionen Arbeitslose in Deutschland. Das passt nicht zusammen, und hier muss über Grundsätzliches gesprochen werden.
Durak: Vorschläge aus dem Hause Merz. - Friedrich Merz, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag, ein Jahr im Amt. Danke für das Gespräch!
Merz: Ich bedanke mich und sagen Sie ruhig dazu: Vorschläge aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und aus beiden Parteien. Frau Durak, es ist nicht nur das Haus Merz!
Link: Interview als RealAudio
Durak: Nehmen Sie denn die Kritik von Wolfgang Schäuble an der Außendarstellung als Doppelspitze an?
Merz: Das Interview, das Wolfgang Schäuble am letzten Wochenende in der "Rheinischen Post" gemacht hat, auf das Sie ja Bezug nehmen, ist völlig harmlos. Wenn Sie den Wortlaut lesen, dann hat er etwas beschrieben, was der Vergangenheit angehört. Er hat auch in der Vergangenheitsform gesprochen und hat ansonsten darauf hingewiesen, dass Angela Merkel und ich so wie wir in unsere Ämter gewählt worden sind unsere Arbeit machen. Insofern habe ich das gar nicht als Kritik empfunden. Das ist dann anschließend in den Tagen danach etwas überhöht worden, zum Teil auch gar nicht mehr richtig zitiert worden. Wir machen unsere Arbeit ganz ruhig und gelassen, und das wird auch bis zur Bundestagswahl so sein. Dann werden wir versuchen, die rot/grüne Bundesregierung abzulösen. Deswegen bin ich ganz ruhig und konzentriert bei der Arbeit.
Durak: Sie sehen überhaupt gar keinen Anlass zu ein bisschen Selbstkritik?
Merz: Frau Durak, jeder von uns macht Fehler. Ich bin aber zu einer außergewöhnlich schwierigen Zeit in mein Amt gekommen als Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Wolfgang Schäuble hat übrigens in dem Interview auch darauf hingewiesen, dass die CDU die Konsequenzen der Parteispendenaffäre und die Folgen noch nicht überwunden hat, dass uns das alles noch ein bisschen in den Kleidern steckt und deswegen auch manche Reaktionen verständlich sind, die es in der Partei gibt, die es auch in der Öffentlichkeit gibt. Wenn ich zurückblicke auf das letzte Jahr, dann muss ich sagen, wir haben in der Bundestagsfraktion zu fast allen großen Themen, die dieses Land bewegen und beschäftigen, unsere Positionen eingenommen, angefangen von der Rentenversicherung, Rentenreform, ein eigenes Konzept vorgelegt in der Steuerpolitik, in der Außenpolitik, in der Europapolitik bis hin in die jüngsten Tage zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, wo wir mit der Partei zusammen eigene Vorschläge gemacht haben, wie man dieses Gesetz wirklich modernisieren kann. Insofern bin ich von der Sacharbeit gar nicht unzufrieden. Von der Außendarstellung der Fraktion, auch meiner Person ist manches zu verbessern, aber das werden wir in den nächsten 18 Monaten gemeinsam leisten. Deswegen finden Sie mich gar nicht unzufrieden.
Durak: Herr Merz, Herr Schäuble ist ja nicht der einzige, der Kritik geübt hat. Herr Teufel, Wahlkämpfer in Baden-Württemberg, hat vor ein paar Tagen auf den Tisch geschlagen. Heute tut er es wieder, sagt auch noch einmal, die unnötigen Auseinandersetzungen in den vergangenen Monaten hätten der Union insgesamt nicht gut getan. Inwiefern wollen Sie denn Ihre Arbeit verbessern, mit Frau Merkel beispielsweise?
Merz: Angela Merkel und ich arbeiten gut, freundschaftlich, sehr offen, sehr vertrauensvoll und problemlos zusammen. Es hat einen Punkt gegeben, an dem wir unterschiedlicher Auffassung waren. Der ist allgemein bekannt. Das Thema ist erledigt und insofern ist das, was da jetzt stattfindet, eine Betrachtung der Vergangenheit, nicht eine der Gegenwart und schon gar nicht eine der Zukunft. Ich bin zur Zeit viel in Baden-Württemberg unterwegs, heute wieder. Die Stimmung dort in den Versammlungen ist wesentlich besser als das, was über die Medien zum Teil transportiert wird. Ich bin mir sicher, dass wir in Baden-Württemberg alle Chancen haben, die Wahl so zu gewinnen, dass die Koalition von Erwin Teufel mit der FDP fortgesetzt werden kann. Die CDU dort wird ein ordentliches Ergebnis erzielen. Wir haben in Rheinland-Pfalz ebenfalls alle Chancen, stärkste Fraktion im Landtag zu werden und damit die sozialliberale Koalition abzulösen. Wir müssen jetzt ganz konkret, ganz ruhig und sachlich unsere Themen behandeln und klar machen, wo wir in diesem Lande bessere Politik für notwendig halten, gegen die rot/grüne Bundesregierung, die ja nun wirklich eine große Zahl von Schwächen offenbart in fast allen Politikfeldern. Ich gebe zu, wir haben durch die eigenen Debatten zum Teil abgelenkt von diesen Schwächen der rot/grünen Bundesregierung, die sich sozusagen im Windschatten der Probleme der Opposition relativ unkontrolliert bewegen konnte. Das hat jetzt wieder aufgehört. Wir werden auch in der nächsten beziehungsweise übernächsten Woche im Bundestag Debatten über große und wichtige innenpolitische Themen haben und bei dieser Gelegenheit auch deutlich machen, wo die Fehler der Regierung liegen und welche Alternativen wir für besser halten.
Durak: Herr Merz, mit zwei Themen sind Sie in den letzten Tagen einschließlich heute auf den Markt gekommen sagen wir mal: zum einen Politikverbot für noch nicht anerkannte Asylbewerber, Ihr Vorschlag. Wieso haben Sie eigentlich dieses Thema nicht dem überlassen, der von der Union damit beauftragt wurde, Peter Müller, Einwanderungskommission?
Merz: Das Thema, das ich auf jeder Versammlung anspreche, nämlich Einwanderungsfragen, Integrationsfragen bis hin zum Asyl, ist ein Thema, das wir in der Bundestagsfraktion und in der Partei schon seit langem behandeln. Die Innenminister haben sich in der vorletzten Woche genau mit diesem Thema beschäftigt. Wir haben schon vor zehn oder neun Monaten in einem Papier der Bundestagsfraktion genau über dieses Thema, nämlich politisches Betätigungsverbot für Asylbewerber während der laufenden Verfahren, Vorschläge gemacht, um nachgeschobene Asylgründe zu vermeiden. Ich habe im Grunde nur etwas wiederholt, was schon längst in der Debatte ist. Ich habe ganz aktuell noch einmal etwas deutlich öffentlich ausgesprochen, was wir im Vorstand der Bundestagsfraktion vor langer Zeit miteinander besprochen haben, nämlich die Frage, wie man im Bereich des Arbeitsmarktes wirklich zu besseren Lösungen kommt, wie man das Problem der strukturellen Arbeitslosigkeit in Deutschland überwinden kann, also gar nicht neue Themen, sondern nur das gemacht, was uns in der letzten Zeit leider nicht genügend gelungen ist, nämlich über das, was wir inhaltlich vorbereitet haben, auch die notwendige Kommunikation mit der Öffentlichkeit zu leisten und nachzuholen. Wir müssen auf die aktuellen Themen, die die Menschen bewegen, antworten geben, auch wenn sie noch nicht ganz fertig sind, wenn sie noch nicht Gegenstand eines allumfassenden Konzeptes sind. Ich bin mir in diesen Fragen auch mit Peter Müller einig. Das Gesamtkonzept wird im Frühsommer vorgestellt werden. Es wird dann in entsprechende parlamentarische Initiativen in Berlin umgesetzt werden, aber Einzelaspekte dieses Themas kann man, muss man diskutieren, insbesondere dann, wenn man von den Menschen danach gefragt wird. Ich werde in den Versammlungen gefragt, wie haltet ihr es mit dem Thema Einwanderung, Integration, Asyl, und da kann ich nicht immer nur darauf verweisen, dass wir irgendwann im Sommer dazu ein Konzept vorlegen. Ich antworte auf Einzelfragen, sage dann allerdings immer dazu, das Gesamtkonzept kommt im Sommer.
Durak: Sie antworten auf Einzelfragen. Sie stellen auch Teile eines Konzeptes vor, wollen offenbar auch Denkanstöße geben. Dazu gehört auch das, was wir heute in der Zeitung lesen können. Da steht als Schlagzeile, "Merz will die Struktur des Arbeitsmarktes verändern". Das haben die Kollegen in der "FAZ" so getitelt. Aber Sie sprechen den Wahlkampf an, den die Union für 2002 führt, und sagen, es braucht ein Gesamtkonzept, das auf die zentralen Fragen Wirtschafts-, Sozial-, Familien- und Umweltpolitik abzielt. Sie schlagen unter anderem vor, dass der soziale Gürtel etwas enger geschnallt werden soll. Zitat
Merz: "Wer nicht leisten will, was er leisten kann, verletzt die Solidarität und verwirkt den Anspruch auf Leistungen". Auch dies ein Konzept im Vorschlag oder schon abgestimmt?
Merz: Das ist genau das, was wir im Vorstand der Bundestagsfraktion im Januar besprochen haben. Ich habe das in Form eines Briefes an die Kolleginnen und Kollegen als Ergebnis zusammengefasst, übrigens mit Angela Merkel zusammen, die auch an dieser Sitzung des Fraktionsvorstandes wie richtigerweise an fast allen teilgenommen hat und an der Debatte teilgenommen hat und das genauso sieht. Wir müssen neue Prioritäten setzen innerhalb des Sozialstaates und wir müssen vor allen Dingen - und das ist mein zentrales Anliegen an dieser Stelle - dazu kommen, dass die Union Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Familienpolitik bis in den Bereich der Umweltpolitik wieder als Gesamtkonzept versteht und nicht einzelne Gruppeninteressen versucht zu bedienen, aus denen heraus sich dann neue Widersprüche ergeben. Die Union ist immer stark gewesen, wenn sie diese ganzheitliche Betrachtung der Wirtschafts- und Sozialpolitik verfolgt.
Durak: Herr Merz, lassen Sie uns bei dem einen Punkt bleiben. Das allgemeine haben wir verstanden. Sie wollen also Langzeitarbeitslosen ein wenig auf die Finger klopfen?
Merz: Wir müssen die Anreize verbessern, eine Beschäftigung anzunehmen. Vollbeschäftigung ist auch in Deutschland möglich. Andere Länder haben es uns längst vorgemacht. Wir müssen für die Familien mehr tun und wir müssen denen sagen, die eine zumutbare Beschäftigung nicht annehmen ohne triftigen Grund, dass sie die Solidarität im Sozialstaat auch verletzen und dann den Anspruch auf Leistungen verwirken. Anders geht es nicht. Das sagt übrigens auch jeder Fachmann, der sich mit den strukturellen Gründen unserer Arbeitslosigkeit beschäftigt. Die Anreize sind die falschen. Derjenige der arbeitet muss grundsätzlich netto mehr im Portemonnaie haben als derjenige, der nicht arbeitet und soziale Transferleistungen bekommt. Das ist zum Teil umgekehrt. Das hängt teilweise auch mit den Leistungen zusammen, die für Kinder in der Arbeitslosigkeit gewährt und in der Beschäftigung nicht gewährt werden. Also neue Prioritäten und Anreizsysteme so ausbauen, dass jemand der eine Beschäftigung angeboten bekommt sie auch annimmt, weil er sich danach besser steht als vorher. Also nicht einfach nur den Gürtel enger schnallen, Frau Durak, sondern ganz konkret es ordnungspolitisch so zu machen, dass eine Beschäftigung angenommen wird. Ich habe ja in diesem Beitrag, der heute in der "FAZ" erscheint, auch auf einige Zahlen hingewiesen: die große Zahl der Überstunden, fast zwei Milliarden, 500.000 offene Stellen. Wir reden über Greencard-Einwanderung, ausländische Beschäftigte und haben gleichzeitig über vier Millionen Arbeitslose in Deutschland. Das passt nicht zusammen, und hier muss über Grundsätzliches gesprochen werden.
Durak: Vorschläge aus dem Hause Merz. - Friedrich Merz, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag, ein Jahr im Amt. Danke für das Gespräch!
Merz: Ich bedanke mich und sagen Sie ruhig dazu: Vorschläge aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und aus beiden Parteien. Frau Durak, es ist nicht nur das Haus Merz!
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