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Mäßigung, Energie-Effizienz, erneuerbare Energien

Frankreich setzt wie kein anderes Land auf die Atomenergie. Doch nicht alle Franzosen wollen mitmachen. Die Suche nach Alternativen hat begonnen. Stützpfeiler beim geplanten Kurswechsel: die grundsätzliche Reduzierung des Energieverbrauchs.

Von Suzanne Krause |
    In zwei bunten Grafiken, die an die Übersichtskarte eines U-Bahn-Netzes erinnern, macht der Verein Négawatt seine Vorstellungen zum Thema Energiewende bildhaft. Linker Hand sind die Energiequellen aufgelistet, rechter Hand die Bedarfsbereiche: Wärme, Mobilität, Strom für den sonstigen Bedarf. In der ersten Grafik, dem Istzustand in Frankreich, sind die wichtigsten Energiequellen als dicke Balken dargestellt: Erdöl, Erdgas, Uran.

    Sämtliche erneuerbare Energien hingegen tauchen lediglich als dünne Striche auf: Die derzeitige Produktion ist marginal. Der heutige Energieverbrauch des Landes wird mit 1927 Terawattstunden chiffriert. Lediglich noch 849 Terawattstunden, also weit weniger als die Hälfte, sind es beim Szenario für das Jahr 2050. Und dicke Balken im Feld Energiequellen gibt es in diesem Bild nicht mehr.

    Die wichtigsten Energiegeber sind nun: solide Biomasse, Windkraft, Biogas. Laut diesem Szenario ist Uran, also Atomstrom, in vierzig Jahren keine Energiequelle mehr. Yves Marignac leitet das Pariser Büro von WISE, dem unabhängigen Welt-Informationsdienst Energie, und ist der Atomexperte beim Szenario Négawatt. Er sagt: In gut 20 Jahren muss Frankreich den Atomausstieg gepackt haben.

    "80 Prozent der französischen Atomkraftwerke sind zwischen 1977 und 1987 ans Netz gegangen. Das bedeutet: Geht man von einer Lebensdauer von 40 Jahren aus, rennen wir 2027 mit Atomstrom gegen die Wand. Bis dahin muss die große Mehrheit der Reaktoren abgeschaltet sein. Und um 2033 herum muss der Ausstieg perfekt sein. Früher ist das kaum machbar, weil die erneuerbaren Energiequellen erst hochgefahren werden müssen, länger warten kann man nicht wegen absehbarer Sicherheitsprobleme der atomaren Anlagen."

    Mit seinem Szenario Négawatt rüttelt der Expertenverein an einem Thema, das zumindest für die Regierung noch tabu ist. Zwar hat Staatspräsident Sarkozy im vergangenen Juni öffentlich angekündigt, der Anteil der Atomenergie an der Stromproduktion im Land würde mittelfristig auf 40 Prozent, also um die Hälfte zurückgehen. Doch dabei verschweigt er, dass der allgemeine Strombedarf weiter steigt. Eine Tendenz, die die Organisation Négawatt umkehren will. Dank dreier Leitworte: Mäßigung, Energie-Effizienz, erneuerbare Energien, sagt Marc Jedliczka:

    "Der Energiebedarf lässt sich zum einen mit technischen Mitteln sehr stark senken, unabdingbar erscheint uns eine gute Wärmeisolierung für alle Gebäude im Land. Elektrische Geräte, Autos lassen sich sparsamer machen. Und mit unserem Schlagwort mehr Mäßigung fordern wir die Bürger und die Gemeinschaft zum Umdenken auf. Beispielsweise sollte sich die Stadtpolitik ändern, um die Wege zwischen Wohnung und Arbeit zu verkürzen."

    Die deutsche Energiewende dient dem französischen Verein als Vorbild. So erhofft sich Négawatt viel vom derzeit im Nachbarland diskutierten Verfahren, mit synthetisch erzeugtem Methangas Energievorräte anzulegen.

    "Die Deutschen haben im operationellen Bereich einen großen Vorsprung, bei ihnen ist der politische Kontext ein anderer. Sie beschäftigen sich zwar mit den Themen erhöhte Energieeffizienz, erneuerbare Energien, aber unserer Meinung nach keineswegs mit dem Bereich Mäßigung beim Energieverbrauch. Und das ist in unserem Szenario einer der Stützpfeiler beim Kurswechsel."

    Der Verein Négawatt setzt nun auf den anstehenden Präsidentschaftswahlkampf, um Anhänger für die geforderte Energiewende in Frankreich zu finden.