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Magdeburg oder Halle
Wer darf sich als europäische Kulturhauptstadt 2025 bewerben?

Seit vielen Jahren streiten sich die beiden Städte Halle und Magdeburg in Sachsen-Anhalt darüber, wer die schönste, attraktivste, lebenswertere ist. Jetzt droht der Zwist zu eskalieren, denn beide wollen sich um den Titel Kulturhauptstadt Europas 2025 bewerben.

Von Christoph D. Richter | 29.09.2016
    Das Zentrum von Halle (Saale) mit der Marktkirche, dem Roten Turm und dem Händel-Denkmal
    Das Zentrum von Halle (Saale) mit der Marktkirche, dem Roten Turm und dem Händel-Denkmal. (dpa / picture alliance / Hendrik Schmidt)
    Wenn Du nicht mehr weiter weißt, dann bilde einen Arbeitskreis, so lautet eine saloppe Weisheit. So in etwa hat gestern auch der Stadtrat in Halle an der Saale - der allmonatlich in einem neo-barocken Festsaal tagt - entschieden. Eine Arbeitsgruppe will den Zustand der halleschen Kultur evaluieren, um so die Chancen einer möglichen Bewerbung Halles um den Titel der europäischen Kulturhauptstadt 2025 auszuloten, wie es wörtlich heißt. Im Juni 2017 will man dann endgültig entscheiden, ob sich Halle dann auch bewerben wird.
    "Dass es nur funktioniert, wenn es hier eine große Zustimmung, eine große Mitnahme, eine große Bereitschaft gibt", betont der Hallenser Theatermacher Tom Wolter. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Freien Theater in Deutschland ist Stadtrat für die Fraktion "Mitbürger für Halle/Neues Forum". Ein Mann, der die Menschen schnell duzt, auf die Leute zugeht. "Die Tendenz in den Gesprächen, die ich hier in der Stadt führe, ist eher so, dass da eine hohe Skepsis und eine Frage der Professionalität liegt. Dass es einerseits Finanzmittel braucht, dass es eine klare Organisationsform braucht und das es auch Zeit braucht. Und das ist alles gegenüber andern Mit-Bewerbern derzeit nicht gegeben." Unsinn sagen andere, das wird schon.
    Ansicht des Magdeburger Doms
    Der Magdeburger Dom. (Deutschlandradio / Ulf Dammann)
    Der Hintergrund der Debatte ist der ewige Streit um Magdeburg und Halle. Im Kern geht es darum, wer nun die schönste, die attraktivste, die lebenswertere Metropole in Sachsen-Anhalt sei. Ein Streit, der seit 26 Jahre die Gemüter bewegt. So kann es einem sogar passieren, das man in der Hallenser Innenstadt nicht mal eine Magdeburger Tageszeitung zu kaufen bekommt, mit dem Verweis darauf, dass man das hier nicht wolle. "Für mich als Erwachsenen ist das lustig, ich kann mich darüber amüsieren. Aber klar es ist albern, weil ganz viel Zusammenarbeit auf vielen Ebenen schon seit Jahren stattfindet."
    Das Thema Halle oder Magdeburg wird höchst emotional diskutiert
    Arbeitslosigkeit, Niedriglohnjobs, Kinderarmut: Themen, die Sachsen-Anhalt beschäftigen. Themen, bei denen viele Sachsen-Anhalter allerdings nur müde lächeln. Denn wenn das Gespräch auf Magdeburg oder Halle zusteuert, dann wachen alle auf. Dann wird höchst emotional diskutiert. Davon sind nicht mal Minister frei, wie CDU-Bildungsminister Marco Tullner. Ein Hallenser, der großen Wert darauf legt, das sein Dienstwagen kein Magdeburger, sondern ein Hallenser Kennzeichen trägt. "Ich lebe in Halle, fühle mich wohl, kann mir keine schönere Stadt in Sachsen-Anhalt vorstellen."
    Als Tullner dann noch – sowas wie der Halle-Minister in der schwarz-roten-grünen Kenia-Koalition - kürzlich sagte, dass man aufpassen müsse, dass Halle in der Landespolitik noch auftauche, war das Geschrei groß. Der parteilose Hallenser Oberbürgermeister Bernd Wiegand nahm es als Aufforderung, dass man doch mal prüfen müsse, ob es sich nicht lohne, sich um den Titel Kulturhauptstadt 2025 zu bewerben. Um die Stadt auch international mehr in den Fokus zu stellen. "Also man sieht ja in einigen Umfragen, dass die Reaktion sehr positiv ist. So ca. 70 Prozent der Bevölkerung begrüßt diesen Vorschlag."
    Der Bewerbungsgedanke Halles ist nicht nur ein Muskelspiel, sondern auch der Unmut darüber, dass sich die Landesregierung sehr früh auf die Seite Magdeburgs geschlagen hat. Denn im Koalitionsvertrag der Kenia-Koalition steht auf Seite 85: "Die Koalitionspartner werden die Bewerbung der Stadt Magdeburg 2025 als europäische Kulturhauptstadt unterstützen." Ein Satz, der für höchste Erregung sorgt. Eine Mini-Straßenumfrage: "Die bestimmen, die machen die Kulturhauptstadt Magdeburg, da könnt ihr in Halle dagegen demonstrieren wie ihr wollt", "Brauch ich nicht viel zu sagen, das ist auch meine Meinung."
    Eine Provinzposse zweier Städte in einem kleinen Land
    In Magdeburg dagegen ist man über das Bewerbungsansinnen Halles höchst irritiert. Seit vier Jahren ist man an der Elbe dabei, einen Bewerbungs-Plan, ein Motto auszutüfteln. Mit dem Wermutstropfen, bis dato kein konkretes Ergebnis zu haben. Einem, dem das besonders am Herzen liegt, ist Norbert Pohlmann. Ein Endfünfziger, ein umtriebiges Enfant terrible in der Kulturszene Magdeburgs, der dem Streit zwischen Halle und Magdeburg nicht viel abgewinnen kann. "Man tut der ganzen Bewerbung unrecht, wenn man in dieser kleingeistigen Art und Weise jetzt versucht Städte gegeneinander auszuspielen."
    Pohlmann ergänzt süffisant, dass man sich in Halle mal erinnern solle, das man bereits 2010 ohne Erfolg, sich um den Titel Kulturhauptstadt beworben habe: "Ein bisschen kommt es mir vor, als ob ein Landespokalsieger, den DFB-Pokal beansprucht. Aber so geht ja das Spiel nicht."
    Eine Provinzposse zweier Städte in einem kleinen Land. Beobachter rümpfen die Nase, schütteln den Kopf. Die Gefahr sei groß – so der Magdeburger Germanist Norbert Pohlmann –, dass das Land Sachsen-Anhalt am Ende mit leeren Händen da stehe, möglicherweise nur Verlierer hat. Denn es gibt nicht nur Halle oder Magdeburg, sondern auch Städte wie Nürnberg, Dresden, Kassel oder Würzburg, die auch Interesse haben, 2025 die europäische Kulturhauptstadt zu werden. "Wenn die Jury merkt, dass es keine Landesunterstützung findet, weil sich zwei streiten, dann ist es sowieso vergebene Liebesmühe, die da von statten geht."