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Magersucht
Ich esse meine Suppe nicht

Es geht um Disziplin, Kontrolle und die Macht über den eigenen Körper: Von Magersucht Betroffene führen einen täglichen Kampf - mit sich selbst und gegen das Essen, das dennoch irgendwann den ganzen Alltag und das eigene Denken bestimmt. Oft kann dann nur ein Gang in die Klinik helfen.

Von Barbara Weber | 12.03.2019
    Eine junge Frau mit einem Zentimetermaß um den Bauch.
    Viele Magersüchtige ziehen sich bewusst aus dem Alltag zurück, um ihre Krankheit zu verbergen (picture alliance / ZB / Jens Kalaene)
    "Ich habe das gemerkt, als mein ganzer Tagesablauf sich um das Thema Essen gedreht hat, also ich schon nach dem Frühstück ich mich mit dem Gedanken beschäftigt habe, was ich mittags esse, was ich abends esse, was ich vielleicht noch zwischendurch esse."
    Die 20-jährige Studentin ist in stationärer Behandlung.
    "Ich habe richtig bemerkt, dass ich Hilfe brauche, dass ich das nicht alleine schaffe, als ich versucht habe, mein Essen sozusagen wieder aus mir heraus zu holen, weil ich das Gefühl hatte, es wäre zu viel."
    Seit einem Jahr leidet die junge Frau an einer Magersucht. Anfangen hat es mit dem Gefühl, einem vermeintlichen gesellschaftlichen Ideal nicht zu entsprechen.
    "Dieses, dass eine junge Frau perfekt sein sollte und keine Makel haben sollte, so dieses Bild."
    Kontrolle und Diziplin zeigen
    Um diesem Bild zu genügen, versuchte die Studentin abzunehmen.
    "Ja, es hat mit einer bewussten Diät angefangen, so fing das an, mit dem bewussten 'das Essen kontrollieren' und dieser Disziplin."
    Und der zwanghaften Beschäftigung mit dem Essen:
    "Auch dieses restriktive: Ich darf das jetzt nicht mehr essen, oder das ist zu viel, da nehme ich dann direkt zu und diese Angst, die man dann vor gewissen Lebensmitteln entwickelt."
    Restaurant-Besuche können zum Tabu werden
    An Restaurant-Besuche war überhaupt nicht mehr zu denken.
    "Da habe ich dann gemerkt, als es dann schwer wurde, mal spontan essen zu gehen, als ich dann wirklich gemerkt habe, ich kriege Angst davor, da hab ich dann gemerkt, dass irgendwas nicht richtig ist."

    Denn Einladungen zum Essen sagte die Studentin immer häufiger ab.
    "Das war auch schon so, dass ich mal gesagt habe, ich habe keine Zeit oder mir geht’s nicht so gut, ich bin total müde vom Tag und mich dann da so ein bisschen zurückgezogen habe."
    Der Leidensdruck steigt
    Der Leidensdruck stieg. Deshalb suchte die junge Frau eine ambulante Beratung, merkte aber schnell, dass die einmal-wöchentliche Therapie ihr nicht half.
    "Und bin dann in die offene Sprechstunde der Uniklinik Bonn gegangen und habe dann einen Termin ausgemacht für ein längeres Gespräch und bin dann auch ziemlich schnell aufgenommen worden."
    Seit Anfang Januar ist sie jetzt in der Klinik.
    "Hier ist es so, dass ich ja den ganzen Tag Hilfe habe, wenn ich sie brauche, dass das Therapieangebot einfach weiter gefasst ist und mir die Hilfe nehmen, die ich brauche, und das ist wirklich gut."
    Als sie mit ihren Freundinnen über ihre Essstörungen und ihre Behandlung sprach, zeigten die spontan Verständnis.
    "Es gibt auch Freundinnen, die gesagt haben, dass sie mich da gut nachvollziehen können, dass es extrem schnell geht, von diesem Vorhaben gesund zu leben in eine Essstörung zu rutschen, dass das schon sehr, sehr fließend ist, der Übergang."
    Auch wenn die 20-Jährige inzwischen zugenommen hat – vollständig gesund fühlt sie sich noch nicht.
    "Heute ist es so, dass ich das im Spiegel sehe, also ich sehe, dass ich zu dünn bin, ich finde es auch nicht schön und fühle mich damit auch nicht wohl, aber ich merke, dass ich das in mir drin nicht sehe, also ich fühle mich nicht zu dünn."
    Sich Hilfe holen zeigt, wie stark man ist
    Eine Erkenntnis möchte sie allen von einer Essstörung Betroffenen weitergeben:
    "Wenn man merkt, dass irgendwas nicht stimmt, dass man sich die Hilfe holt, weil es nichts damit zu tun hat, schwach zu sein, wenn man Hilfe braucht, sondern es zeigt eher Stärke, wenn man sich diese Hilfe auch holt."