Koczian: Ist die personelle Trennung von Kanzleramt und SPD-Vorsitz wirklich eine gute Idee, wenn man auf die nun ausbrechende Diskussion in der Partei blickt?
Maget: Es kann eine sehr sinnvolle Idee sein, wenn man gut zusammenarbeitet und sich beide dann auf ihre Aufgabe konzentrieren. Der Kanzler auf das Regierungsgeschäft und der Parteivorsitzende darauf, die Partei mitzunehmen in einen notwendigen Reformprozess - und diesen auch in die Partei hinein besser zu vermitteln.
Koczian: Aber man darf sich dann nicht überraschen lassen, wenn die Interessen nicht identisch sind.
Maget: Sicherlich, deswegen muss man die dann auch immer austarieren und mehr miteinander reden als in der Vergangenheit. Ich finde, es gehört zu Reformprozessen nicht nur, dass man sie durchsetzt, sondern dass man für sie auch die Werbetrommel rührt und zwar in der Partei ebenso wie in der Bevölkerung. Es ist nicht nur so, dass manche Schritte von Teilen der Partei kritisch begleitet werden, sondern auch von großen teilen der Öffentlichkeit. Deswegen muss ich die Menschen mitnehmen und ihnen erläutern, warum ich die eine oder andere Entscheidung zu treffen habe.
Koczian: Nun haben wir eine Schlagzeile im Personellen, aber wer A sagt, soll auch B sagen: Welche Forderungen nach Korrekturen in der Sache könnten Sie unterstützen?
Maget: Ich würde den Reformprozess, den wir begonnen haben, nicht zurücknehmen. Ich würde zwei Dinge empfehlen: erstens - das kennen wir aus Bayern ganz gut - wenn man auf einen Berg steigt: Zwischendurch ist es ratsam, mal eine Verschnaufpause einzulegen, neue Kräfte zu sammeln und dann den weiteren Anstieg zu beginnen. Das ist kein Rückschritt, sondern die Vorbereitung auf den nächsten Teil des Weges. Das wäre mein erster Rat: Eine Pause einlegen, um mit den Menschen das bisher zurückgelegte Stück des Weges noch einmal nachzuarbeiten und dann mit neuem Schwung den nächsten Schritt zu gehen. Meine zweite Empfehlung wäre jetzt, dem Reformprozess Dinge hinzuzufügen, die die Menschen dringend erwarten, nämlich Dinge, die etwas mehr soziale Ausgewogenheit signalisieren. Ich denke etwa an die Vorhaben, die wir im Erbschaftsrecht für die ganz großen Vermögen ja schon beschlossen haben, die auch Teil der Agenda sind. Die würde ich als nächste Schritte hinzufügen oder auch eine Verbesserung der Finanzsituation der Städte und Gemeinden. Auch das, glaube ich, wäre ein positives Signal in wichtige gesellschaftliche Bereiche hinein. Also ja kein Zurück, sondern ein geordnetes und überlegtes "Weiter-nach-vorne".
Koczian: Wie sehen Sie eine Kabinettsumbildung? Man rührt ja nicht etwa die Honorigkeit eines Manfred Stolpe an, wenn man die Konsequenz daraus zieht, dass die kabarettreife Geschichte der Maut nicht der Effizienz entspricht, die eine Regierung vorweisen will.
Maget: Herr Stolpe trägt vielleicht am wenigsten Schuld daran selber, aber es ist schon richtig, dass die Pleite bei der LKW-Maut geradezu zu einem Symbol für Ungeschicklichkeiten geworden ist und da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man korrigiert das und bekommt das schnell auf die Reihe, das wäre das Allerbeste. Oder man zieht die Konsequenzen. Ich setze immer noch auf das erste, nämlich, dass man eine vernünftige Regierungsarbeit abliefert, die Zustimmung bringt. Persönlich denke ich, ist Herr Stolpe ja unbescholten und deswegen kann er auch meiner Meinung nach im Amt bleiben.
Koczian: Aber noch nie hat ein Geschäftspartner einer Regierung so wenig Respekt erwiesen wie in diesem Fall.
Maget: Sehen Sie, das ist eine Diskussion, die leider auf dem Rücken der Politik ausgetragen wird, die aber zuallererst in die Wirtschaft hineingehört. Wenn ein großes deutsches Unternehmen, beziehungsweise Konsortium aus den wichtigsten deutschen Unternehmen einen Regierungsauftrag mit der Sicherheit an Land zieht, die Aufträge gar nicht erfüllen zu können und die Verträge nicht einhalten zu können, dann finde ich das industrie- und wirtschaftspolitisch einen der größten Skandale, den ich in den letzten Jahren erlebt habe. Das ist eigentlich das Thema. Was sind in den letzten Jahren eigentlich für Sitten in unsere Wirtschaft eingetreten? Und wie kommen wir dem bei? Ich bedauere da ein wenig, dass man nur auf die Politik schaut. Die anderen sind ja auch dem Gemeinwohl verpflichtet.
Koczian: Edmund Stoiber gibt sich geradezu atemberaubend links, spricht von der Leberkäs-Etage und tritt gegenüber der CDU als soziales Gewissen auf. Kann er die SPD beerben?
Maget: Nein, denn in jeder einzelnen Reformdiskussion, hatte er jeweils die unsozialere Variante parat. Ich erinnere nur an die Gesundheitsreform. Wir leiden als Sozialdemokraten jetzt zum Beispiel unter der Entscheidung für die Praxisgebühren. Wenn man sich die Geschichte aber genau anschaut, weiß man, dass wir Praxisgebühren gar nicht haben wollten, wenn man zuerst zum Hausarzt geht. Jetzt muss man immer Praxisgebühren bezahlen, auch wenn man als erstes zum Hausarzt geht. Das ist die schlechtere und unsozialere Variante und die wurde von Stoiber und Seehofer im Vermittlungsausschuss durchgesetzt. Wir verweisen nur zu wenig auf die Urheberschaft vieler unsozialer Entscheidungen der letzten Monate.
Koczian: Stoiber erwärmt sich auch für schwarz-grüne Koalitionen. Nun sind, was die Bodenständigkeit angeht, die Grünen gewissermaßen die Erben der Bayern-Partei bei Ihnen unten, im Bund vertreten sie wiederum stellenweise Positionen, auf die die FDP das Copyright hat. Gerät die politische Landschaft im Ganzen nicht doch durcheinander?
Maget: Ich glaube, dass die Trennlinien nicht mehr so scharf sind wie vielleicht vor zehn oder zwanzig Jahren. Auch die Grünen sind zu einer normalen Partei geworden, die ja koalitionsfähig ist. Wir haben auf kommunaler Ebene bereits schwarz-grüne Bündnisse, die beispielsweise jetzt in Nordrhein-Westfalen zur Abstimmung stehen. Insofern ist die politische Farbenlehre anders geworden, und ich kann mir natürlich Koalitionen aller Parteien im demokratischen Spektrum miteinander vorstellen. Was ich mir aber nicht vorstellen kann, ist eine Koalition von CSU und den Grünen. Wir kennen in Bayern beide Parteien sehr genau, und ich kann der bundesdeutschen Öffentlichkeit eine CSU-Regierung für Deutschland nun wirklich nicht empfehlen.
Koczian: In den Informationen am Mittag hörten Sie den SPD-Fraktionsvorsitzenden Franz Maget. Danke nach München.
Maget: Herzlichen Dank, auf Wiederschauen.