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Mali
Der ungelöste Konflikt im Norden

Die Militärmission "Serval" in Mali hat Frankreich soeben für beendet erklärt. Aber friedlich geworden ist es in dem westafrikanischen Land nicht. Im Norden Malis sind wieder Tuareg-Rebellen auf dem Vormarsch. Und auch was die Rolle Frankreichs angeht, gibt es Zweifel.

Von Alexander Göbel | 19.07.2014
    Malische Soldaten patrollieren am 07.02.2013 auf einem Markt in Gao (Nord Mali).
    Der Norden Malis gilt als der gefährlichste Ort Westafrikas. (dpa / Seb Crozier)
    Ende Mai 2014: Während das Weltgeschehen anderswo Schlagzeilen macht, erlebt Mali ein Dejà-Vu: Im Norden des Landes liefern sich Tuareg-Milizen schwere Kämpfe mit malischen Regierungstruppen. Die Rebellen fügen der Armee eine bittere Niederlage zu. In der Tuareg-Hochburg Kidal töten sie über 50 malische Soldaten und nehmen Dutzende Geiseln. Sie erbeuten Kleinlastwagen, Waffen und tonnenweise Munition.
    Genau so hatte vor zweieinhalb Jahren der Bürgerkrieg begonnen, als Tuareg-Rebellen eine nordmalische Stadt nach der anderen erobern konnten - mit Islamisten von Al Kaida und Co im Schlepptau. Auch bei den jüngsten Gefechten im Mai waren wieder Fahnen von Ansar Dine zu sehen. Offenbar kämpfen die radikalislamischen Tuareg neben neuen Splittergruppen weiter an der Seite der MNLA, der sogenannten "Nationalen Bewegung für die Befreiung von Azawad".
    Es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der Konflikt wieder ausbricht, meint Pierre Boilley, Professor am Pariser Zentrum für Afrikastudien. Seit Malis politischem Neustart im letzten Jahr habe es keinen ernsthaften Versuch gegeben, im Norden nach einer Lösung der Tuareg-Frage zu suchen. Das Vertrauen zwischen dem malischen Staat und den Tuareg-Separatisten sei zerstört.
    "Damals haben sich alle selbst gratuliert, als alle Seiten angeblich zum Dialog bereit waren - aber niemand hat das wirklich ernst gemeint, auch der neu gewählte Präsident Ibrahim Boubacar Keita hat zu keiner Zeit den Eindruck gemacht, als nehme er die Probleme der Tuareg-Separatisten im Norden Malis wirklich ernst. Es wurde viel Zeit verschwendet, und gleichzeitig war der Ton der öffentlichen Reden immer sehr kriegerisch."
    Verhandlungen sind unumgänglich
    Immerhin herrscht inzwischen ein Waffenstillstand, vermittelt durch Mauretanien und die Afrikanische Union. Längst sollten malische Behörden auf dem gesamten Staatsgebiet wieder die Kontrolle übernommen haben, die Rebellen sollten entwaffnet werden, geregelt im sogenannten Abkommen von Ouagadougou. Doch das scheint Makulatur. Stattdessen: neue Gespräche, diesmal in Algier. Unterhändler der malischen Regierung haben es mit sechs verschiedenen Rebellengruppen zu tun. Bamako sei bereit, für einen Friedensvertrag "so weit wie möglich" zu gehen, sagt Abdoulaye Magassouba von der Präsidentenpartei RPM. Aber es gebe eine rote Linie:
    "Die Frage ist doch, wie Mali im Norden wieder zu Ruhe, Sicherheit und Stabilität zurückfindet. Söhne dieses Landes haben ihre Brüder angegriffen, und das muss aufhören. Sie müssen miteinander sprechen. Nur ist die territoriale Einheit Malis nicht verhandelbar - dazu hat auch der Präsident eine klare Haltung. Über alles andere kann man reden."
    Daouda Maiga, Tuareg-Aktivist aus dem Süden Malis, ist überzeugt: Mehr eigenständige "gouvernance", mehr Selbstverwaltung für die Bevölkerungen im Norden, das wäre das richtige Signal, um den Rebellen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dieser Konflikt sei nur politisch zu lösen.
    "Das Volk kann nicht auf irgendwelche Siege der einen oder der anderen Seite warten, so kann es in diesem Land nicht weitergehen. Es können nicht weiter Malier gegen Malier kämpfen - denn auch die Tuareg sind Malier. Verhandlungen sind daher unumgänglich."
    Staunen über Verbindungen der Rebellen nach Frankreich
    Andere Beobachter glauben, man dürfe den Tuareg keine Zugeständnisse machen - sie seien nicht die Fürsprecher der Menschen im Norden Malis, außerdem wollten sie die riesige Sahel-Region nur wegen der lukrativen Drogen- und Waffengeschäfte kontrollieren. Dazu sei ihnen jedes Mittel recht - auch der Kontakt zu radikalislamischen Gruppen. Schluss mit Verhandlungen, rufen einige Demonstranten in Bamako, der Hauptstadt 1500 Kilometer südlich. "Libérez Kidal!", - "Befreit Kidal von den Rebellen der MNLA!"
    Seit Monaten überschlagen sich die Spekulationen darüber, welche Rolle Frankreich im Norden Malis tatsächlich spielt. Viele behaupten: Die ehemalige Kolonialmacht unterstütze die Tuareg-Milizen, um eigene - wirtschaftliche - Interessen zu wahren. Es heißt, der Zugang zu Uran- und Ölvorkommen spiele eine Rolle in diesem Konflikt. Beweisen kann das niemand, auch nicht der Oppositionspolitiker Adama Dramé - aber auch er ist sicher: Frankreich sei schon lange kein ehrlicher Makler mehr in Mali.
    "Die MNLA will doch gar nicht verhandeln. Im Übrigen können wir nur staunen, was diese Leute für Verbindungen nach Frankreich haben. Wir sehen sie im französischen Fernsehen, da beeinflussen sie die öffentliche Meinung und stellen sich als Opfer der malischen Regierung dar - während ihre bewaffneten Kämpfer in Mali Krieg führen! So geht das nicht weiter, wir verlangen, dass Frankreich uns in Mali klar und unmissverständlich unterstützt. Die Dschihadisten müssen verschwinden, damit Mali sich mit sich selbst versöhnen kann!"