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"Man braucht sich nicht mit Leuten solidarisieren, die einen abgesägt haben"

Er sei nicht zum Spitzenkandidaten seines Wahlkreises aufgestellt worden, weil beim Nominierungsverfahren alles andere als demokratisch verfahren wurde, sagt Siegfried Kauder (CDU). Auch wenn seine Partei über einen Parteiausschluss nachdenke, werde er nicht zurücktreten.

Siegfried Kauder im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Kauder gegen Kauder – klingt nach Rosenkrieg, ist aber ein handfester politischer Streit. Volker Kauder ist CDU-Politiker und Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion. Siegfried Kauder ist Volkers Bruder, ebenfalls CDU-Politiker und Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages. Siegfried geht Volker dermaßen auf die Nerven, dass Volker Siegfried aus der CDU ausschließen möchte. Grund ist Siegfrieds Reaktion auf die Entscheidung in der Südwest-CDU. Die Parteifreunde im Schwarzwald-Baar-Kreis hat nämlich Thorsten Frei und eben nicht abermals Siegfried Kauder als ihren Kandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt, woraufhin der Unterlegene ankündigte, gegen die eigene Partei ins Rennen zu gehen.
    Zwei CDU-Kandidaten sind einer zu viel, deshalb überlegt die Partei nun, Siegfried Kauder den Laufpass zu geben. Heute tagt der zuständige Kreisvorstand der CDU in Villingen-Schwenningen. Dabei wird aber voraussichtlich noch nicht über Siegfried Kauders christdemokratische Zukunft entschieden. – Guten Morgen, Siegfried Kauder!

    Siegfried Kauder: Einen schönen guten Morgen!

    Heinemann: Sind Sie ein schlechter Verlierer?

    Kauder: Nein, glaube ich nicht. Ich nehme nur die mir zustehenden demokratischen Rechte wahr. Ich kandidiere als Einzelkandidat und trete gegen die anderen an. Das ist zulässig, nicht undemokratisch und ich bin auch kein schlechter Verlierer.

    Heinemann: Das sehen Ihre Parteifreunde anders.

    Kauder: Das soll’s geben.

    Heinemann: Demokratie bedeutet, dass man eine Abstimmung akzeptieren muss. Das gilt auch für Niederlagen.

    Kauder: Die habe ich akzeptiert. Ich trete nicht für die CDU an. Aber das Gesetz lässt die Möglichkeit, dass nicht nur Parteien einen Kandidaten nominieren. Da haben sie nicht das Monopol. Ein Kandidat kann auch als Einzelkandidat antreten und genau das tue ich.

    Heinemann: Ist Solidarität für Sie ein Fremdwort?

    Kauder: Nein! Ich weiß sehr wohl, was Solidarität bedeutet.

    Heinemann: Was denn?

    Kauder: Man braucht sich nicht mit Leuten solidarisieren, die einen abgesägt haben.

    Heinemann: Inwiefern sind Sie abgesägt worden?

    Kauder: Weil im Laufe des Nominierungsverfahrens Dinge geschehen sind, die alles andere als christlich und demokratisch sind. Das auszuführen, wäre etwas zu kompliziert. Eine Wahlurne ist verschwunden, man hat mir kein Rederecht eingeräumt unter Hinweis auf ein Urteil, das es nicht gibt, also nicht die feine Art.

    Heinemann: Ob Ihr Verhalten christlich und demokratisch war, darüber kann man auch diskutieren. Sie sollen – das ist der Vorwurf – Mitarbeiter gefeuert haben, darunter die alt gediente Kreisgeschäftsführerin, eine sehr beliebte Frau. Sie hätten ihr ein Hausverbot auferlegt, ohne Begründung, und Sie hätten Ihr Abgeordnetenbüro aus der CDU-Geschäftsstelle in Ihre Rechtsanwaltskanzlei verlegt, wovon die Partei aus der Zeitung erfahren hat. Herr Kauder, Volksparteien lieben keine Formen autistischen Verhaltens.

    Kauder: Hallo!

    Heinemann: Ich bin da. Ich hatte die Frage gestellt, …

    Kauder: Alle drei Informationen, die Sie wiedergegeben haben, sind falsch. Ich habe keine Kreisgeschäftsführerin gefeuert, die war schon pensioniert. Ich habe mein Büro verlagert, das ist zulässig, weil es das Abgeordnetenbüro ist, aber nicht in meine Anwaltskanzlei, sondern in das gleiche Haus wie die Anwaltskanzlei.

    Heinemann: Und Ihre Partei aber davon offenbar nicht informiert?

    Kauder: Ich habe mein Büro umgezogen und das wurde bekannt gegeben. Ich brauche nicht die Partei informieren, weil es das Abgeordnetenbüro ist und nicht die Kreisgeschäftsstelle.

    Heinemann: Herr Kauder, was glauben Sie, wieso wurden Sie abgesägt oder abgewählt, um es demokratisch auszudrücken?

    Kauder: Weil sich einige den Weg für eine eigene Kandidatur freischießen wollten.

    Heinemann: Wer wollte schießen?

    Kauder: Da gibt es mehrere aus Bad Dürrheim, die das eingeleitet haben, eine Frau, die Frau Fink heißt, die da sehr aktiv dran beteiligt war. Das sind schon Hintergründe, die man auch kennen muss.

    Heinemann: Wäre Thorsten Frei ein guter Vertreter der Bürgerinnen und Bürger im Schwarzwald-Baar-Kreis?

    Kauder: Das entscheiden die Bürger am 22. September.

    Heinemann: Und wie sehen Sie das?

    Kauder: Das müssen die Bürger entscheiden, da kommt es nicht auf meine Meinung an.

    Heinemann: Was denken Sie denn über Herrn Frei?

    Kauder: Die Gedanken sind frei, dazu brauche ich mich nicht äußern.

    Heinemann: Ist das einer derjenigen, der Sie abschießen wollte?

    Kauder: Das weiß ich nicht. Vielleicht war er der Dritte, der lachende Dritte.

    Heinemann: Bitte wer ist der lachende Dritte?

    Kauder: Vielleicht war Thorsten Frei, der lachende Dritte.

    Heinemann: Ach so, gut. – Warten Sie, Herr Kauder, auf den Rauswurf aus der CDU, oder wollen Sie selber gehen?

    Kauder: Ich warte auf eine Entscheidung des Kreisverbandes.

    Heinemann: Warum?

    Kauder: Weil die am Zug sind.

    Heinemann: Inwiefern?

    Kauder: Wenn sie der Meinung sind, dass ich für die Partei nicht tragbar bin, müssen die ein Ausschlussverfahren einleiten. So steht es in den Statuten.

    Heinemann: Wieso gehen Sie selber nicht, wenn Sie davon überzeugt sind, dass die CDU mit christlich und demokratisch nicht mehr so viel zu tun hat?

    Kauder: Weil man es ja noch ändern kann.

    Heinemann: Wie wollen Sie das bewerkstelligen?

    Kauder: Indem man versucht, sich mit den Leuten zusammenzutun, die unzufrieden mit der Partei sind. In den letzten Wochen und Tagen haben sich viele bei mir gemeldet, die meine Meinung teilen, dass die Partei zu wenig basisdemokratisch ist, dass man den Mitgliedern die Rechte einräumen muss. Das erste, was der neu gewählte Kreisvorsitzende veranlasst hat, war, öffentliche Kreisvorstandssitzung abzuschaffen, also Mitglieder auszusperren. Das, was ich eingeführt habe, was basisdemokratisch war, hat man nicht mehr zugelassen.

    Heinemann: Widerspricht das den Statuten, oder ist das rechtlich okay?

    Kauder: Das widerspricht dem Demokratiegedanken.

    Heinemann: Wessen Demokratiegedanken? Ihres Demokratiegedanken oder welchem?

    Kauder: Mitglieder von der Meinungsvielfalt auszusperren, ist nicht demokratisch.

    Heinemann: Wie verhalten sich eigentlich Ihre Fraktionskolleginnen und Kollegen im Bundestag?

    Kauder: Da habe ich noch keine Äußerung gehört.

    Heinemann: Keine Einzige? Das kann man sich kaum vorstellen.

    Kauder: Ist aber so. Es ist parlamentarische Sommerpause, die sind alle in den Wahlkreisen und beschäftigen sich mit ihren Wahlkämpfen.

    Heinemann: Und es hat sich niemand bei Ihnen gemeldet?

    Kauder: So ist es.

    Heinemann: Herr Kauder, Wahlkampf kostet Geld. Wie wollen Sie Ihre Eigenwerbung finanzieren?

    Kauder: Man braucht Wahlkampf nicht immer mit riesigen finanziellen Mitteln zu absolvieren. Da sollte man sich auch mal Gedanken machen, ob das mit der Parteienfinanzierung so alles richtig ist, ob man das nicht anders gestalten könnte. Mit schmalem Budget lässt sich auch Wahlkampf machen.

    Heinemann: Und das fällt Ihnen jetzt nach so und so vielen Legislaturperioden ein, wo es Sie selber trifft?

    Kauder: Man muss mit den Mitteln leben, die man hat. Das wäre auch für den Staat ein guter Gedanke.

    Heinemann: Herr Kauder, sollte die CDU häufiger mit zwei Kandidaten in einem Wahlkreis antreten?

    Kauder: Das entscheiden die Kandidaten und die Mitglieder.

    Heinemann: Und was denken Sie darüber?

    Kauder: In Singen wurde das auch praktiziert, da sind zwei OB-Kandidaten aus der gleichen Partei gegeneinander angetreten. Einer gewinnt!

    Heinemann: Und finden Sie das gut?

    Kauder: Ich finde das nicht schlecht. Das belebt die Demokratie.

    Heinemann: Die Stimmen, die Sie einfahren werden, die werden Thorsten Frei fehlen. Sollte die SPD Ihnen schon mal Blumen schicken?

    Kauder: Dazu wird es nicht kommen. Ich hoffe auf ein eindeutiges Ergebnis. Es gehört nun mal zur Demokratie, dass man erst nach der Wahl weiß, wer der Sieger gewesen ist, und der kriegt Blumen.

    Heinemann: Herr Kauder, Sie haben Ihre politische Karriere der CDU zu verdanken. Sind Sie undankbar?

    Kauder: Das bin ich nicht. Ich habe mich auch sehr stark in die CDU eingebracht. Ich war lange Jahre ehrenamtlich Kreisvorsitzender, ohne ein Parteiamt eingenommen zu haben. Da brauche ich mir, glaube ich, nichts vorrechnen zu lassen.

    Heinemann: Konnte Volker Kauder anderes tun, als Ihren Ausschluss aus der CDU zu fordern?

    Kauder: Mein Bruder darf seine Meinung äußern wie jeder andere auch. Auf die kommt es nicht an, weil nicht der CDU-Fraktionsvorsitzende für das Ausschlussverfahren zuständig ist, sondern der Kreis- oder der Landesvorstand.

    Heinemann: Hätten Sie an seiner Stelle genauso gehandelt?

    Kauder: Das weiß ich nicht, weil ich nicht an seiner Stelle bin.

    Heinemann: Und wenn Sie sich in seine Rolle hineinversetzen würden oder versuchten, sich hineinzuversetzen?

    Kauder: Das muss ich nicht.

    Heinemann: Könnten Sie aber heute Morgen mal versuchen.

    Kauder: Ja, dann werden wir es mal üben.

    Heinemann: Herr Kauder, Ihr Privatleben geht uns nichts an. Aber bei so zwei politischen Brüdern sei dennoch die Frage gestattet: Wie muss man sich künftig Familienfeiern bei Kauders vorstellen?

    Kauder: Ich werde Sie bestimmt dazu nicht einladen, weil das Privatleben ist.

    Heinemann: Das ist richtig. Aber Sie haben gegenüber der "Bild"-Zeitung gestern das relativ offen beschrieben. Ich zitiere mal: "Wir treffen uns ab und zu sonntags auf dem Flughafen Stuttgart. Das sind unsere Familientreffen. In unserem Verhältnis ist nicht viel Luft für Bruderliebe." – wird das in Zukunft eher noch schwieriger werden?

    Kauder: Glaube ich nicht.

    Heinemann: Gut. – Siegfried Kauder, noch CDU, noch Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages und Kandidat für die Bundestagswahl im südwestdeutschen Schwarzwald-Baar-Kreis. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Kauder: Bitte schön, schönen Tag.


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