Heinlein: Deutschland und Russland pflegen seit Jahren ein enges Verhältnis. Die Männerfreundschaften Kohl/Gorbatschow und später zwischen Schröder und Putin sorgten für weitgehend harmonische Beziehungen. Auch Merkel und Steinmeier sind bemüht um einen engen Draht zum Kreml. Im aktuellen Konflikt sucht die Bundesregierung noch nach der richtigen Tonlage gegenüber Moskau.
Die zögerliche Haltung der Deutschen und Europäer sorgt nicht nur für Enttäuschung in Tiflis. Auch in anderen ehemaligen GUS-Staaten wächst die Sorge, vom Westen in Zukunft alleine gelassen zu werden. Dazu jetzt am Telefon der ukrainische Journalist Juri Durkot. Guten Tag nach Lemberg.
Durkot: Guten Tag.
Heinlein: Berlin fällt es also schwer, Russland zu kritisieren. Wie groß ist die Ernüchterung in Kiew über die zögerliche Haltung der deutschen und der europäischen Politik in diesem Konflikt?
Durkot: In der Ukraine ist man sehr besorgt über die aktuelle Situation im Kaukasus-Konflikt, und zwar aus dem Grund, weil man sieht, Russland kann im Grunde genommen dort schalten und walten nach seinem eigenen Belieben. Man fürchtet, dass auch in der Zukunft, wenn die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine sich möglicherweise vergrößern, die Ukraine alleine gelassen werden wird. Im Übrigen hält man die westliche Politik gegenüber Russland schon lange für falsch und das sind heute auch teilweise die Resultate dieser EU-Politik gegenüber Russland.
Heinlein: Vor diesem Hintergrund, welche Lehren wird denn die politische Führung in Kiew aus diesem Konflikt ziehen?
Durkot: Das ist schwierig zu sagen. Die Ukraine braucht natürlich Europa als Partner und wir sind auch darauf angewiesen, dass die Europäer die Ukraine besser auf ihren Radarschirmen haben. Im Grunde genommen war man schon nach dem NATO-Gipfel in Bukarest sehr enttäuscht darüber, dass die Ukraine und Georgien nicht in den Mitgliedschaftsaktionsplan aufgenommen wurden, und jetzt ist diese Perspektive in die weite Ferne gerückt angesichts des Konflikts im Kaukasus.
Heinlein: Fühlt man sich vom Westen, Herr Durkot, ein wenig im Stich gelassen? Wird man sich in Zukunft deshalb vielleicht ein wenig mehr an den Kreml, an Russland anlehnen?
Durkot: Das glaube ich nicht. Das zeigt auch ziemlich deutlich die heutige Haltung der ukrainischen Führung. Präsident Juschtschenko hat ganz deutlich seine Solidarität mit Georgien gezeigt, indem er mit anderen osteuropäischen Präsidenten nach Tiflis gereist ist. Auch gibt es eine Erklärung der Regierung in Kiew, dass man solidarisch mit Georgien ist und dass die Souveränität und territoriale Integrität Georgiens nicht in Frage gestellt werden dürfen. Im Übrigen, wie ein ukrainischer Journalist heute auf der Internet-Seite von "Ukrainska Prawda" geschrieben hat, darf Gas nicht gegen Demokratie getauscht werden.
Heinlein: Gibt es denn die Angst in der Ukraine, der nächste zu sein, von Moskau in die Enge gedrängt zu werden und den Kurs, den es ja gibt, in Richtung Westen, in Richtung NATO zu verlassen?
Durkot: Diese Angst gibt es auf jeden Fall und viele sehen im Kaukasus-Konflikt einen Präzedenzfall. Das heißt man sieht deutlich, dass die geopolitische Situation sich verändert hat. Leider befindet sich das internationale Recht heute in der Krise und die internationalen Institutionen sind eigentlich machtlos. Das heißt die Gewalt ist in der Welt jetzt wieder zurückgekehrt. Im Grunde genommen war man in der Ukraine auch schon immer der Meinung, dass Russland im postsowjetischen Gebiet sehr oft verschiedene separatistische Tendenzen unterstützt hat. So war es übrigens auch Mitte der 90er Jahre auf der Krim. Deswegen ist die Angst in der Ukraine, in Kiew zwischen den Politikern, aber auch in der Bevölkerung ziemlich groß. Die Bedrohung ist heute real wie nie zuvor geworden.
Heinlein: Warum ist diese Bedrohung so real? Wo gibt es Spannungen zwischen der Ukraine und Russland, die ja vielleicht dann auch in einen Krieg wie jetzt in Georgien münden könnten?
Durkot: Ich würde so einen Krieg wie jetzt in Georgien zwischen Russland und der Ukraine eigentlich ausschließen. Es gibt aber ziemlich viele Spannungsfelder - angefangen mit den Gaslieferungen und letztendlich auch die Schwarzmeer-Flotte und die russischen Stützpunkte auf der Krim, aber auch die gesamte Krim-Politik von Russland spielen hier ebenso eine Rolle. Für Russland war die orange Revolution sowieso immer ein Dorn im Auge und danach hat sich die russische Politik gegenüber der Ukraine eigentlich verschärft. Die Situation mit der Schwarzmeer-Flotte ist vielleicht eines der größten Konfliktfelder, weil die Ukraine darauf besteht, dass die Russen bis 2017, wie es in dem bilateralen Vertrag steht, den Stützpunkt Sewastopol verlassen. Das kann ich mir aber nicht vorstellen, dass die Russen sich damit einverstanden erklären.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Mittag der ukrainische Journalist Juri Durkot. Herr Durkot, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Lemberg.
Durkot: Auf Wiederhören!
Die zögerliche Haltung der Deutschen und Europäer sorgt nicht nur für Enttäuschung in Tiflis. Auch in anderen ehemaligen GUS-Staaten wächst die Sorge, vom Westen in Zukunft alleine gelassen zu werden. Dazu jetzt am Telefon der ukrainische Journalist Juri Durkot. Guten Tag nach Lemberg.
Durkot: Guten Tag.
Heinlein: Berlin fällt es also schwer, Russland zu kritisieren. Wie groß ist die Ernüchterung in Kiew über die zögerliche Haltung der deutschen und der europäischen Politik in diesem Konflikt?
Durkot: In der Ukraine ist man sehr besorgt über die aktuelle Situation im Kaukasus-Konflikt, und zwar aus dem Grund, weil man sieht, Russland kann im Grunde genommen dort schalten und walten nach seinem eigenen Belieben. Man fürchtet, dass auch in der Zukunft, wenn die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine sich möglicherweise vergrößern, die Ukraine alleine gelassen werden wird. Im Übrigen hält man die westliche Politik gegenüber Russland schon lange für falsch und das sind heute auch teilweise die Resultate dieser EU-Politik gegenüber Russland.
Heinlein: Vor diesem Hintergrund, welche Lehren wird denn die politische Führung in Kiew aus diesem Konflikt ziehen?
Durkot: Das ist schwierig zu sagen. Die Ukraine braucht natürlich Europa als Partner und wir sind auch darauf angewiesen, dass die Europäer die Ukraine besser auf ihren Radarschirmen haben. Im Grunde genommen war man schon nach dem NATO-Gipfel in Bukarest sehr enttäuscht darüber, dass die Ukraine und Georgien nicht in den Mitgliedschaftsaktionsplan aufgenommen wurden, und jetzt ist diese Perspektive in die weite Ferne gerückt angesichts des Konflikts im Kaukasus.
Heinlein: Fühlt man sich vom Westen, Herr Durkot, ein wenig im Stich gelassen? Wird man sich in Zukunft deshalb vielleicht ein wenig mehr an den Kreml, an Russland anlehnen?
Durkot: Das glaube ich nicht. Das zeigt auch ziemlich deutlich die heutige Haltung der ukrainischen Führung. Präsident Juschtschenko hat ganz deutlich seine Solidarität mit Georgien gezeigt, indem er mit anderen osteuropäischen Präsidenten nach Tiflis gereist ist. Auch gibt es eine Erklärung der Regierung in Kiew, dass man solidarisch mit Georgien ist und dass die Souveränität und territoriale Integrität Georgiens nicht in Frage gestellt werden dürfen. Im Übrigen, wie ein ukrainischer Journalist heute auf der Internet-Seite von "Ukrainska Prawda" geschrieben hat, darf Gas nicht gegen Demokratie getauscht werden.
Heinlein: Gibt es denn die Angst in der Ukraine, der nächste zu sein, von Moskau in die Enge gedrängt zu werden und den Kurs, den es ja gibt, in Richtung Westen, in Richtung NATO zu verlassen?
Durkot: Diese Angst gibt es auf jeden Fall und viele sehen im Kaukasus-Konflikt einen Präzedenzfall. Das heißt man sieht deutlich, dass die geopolitische Situation sich verändert hat. Leider befindet sich das internationale Recht heute in der Krise und die internationalen Institutionen sind eigentlich machtlos. Das heißt die Gewalt ist in der Welt jetzt wieder zurückgekehrt. Im Grunde genommen war man in der Ukraine auch schon immer der Meinung, dass Russland im postsowjetischen Gebiet sehr oft verschiedene separatistische Tendenzen unterstützt hat. So war es übrigens auch Mitte der 90er Jahre auf der Krim. Deswegen ist die Angst in der Ukraine, in Kiew zwischen den Politikern, aber auch in der Bevölkerung ziemlich groß. Die Bedrohung ist heute real wie nie zuvor geworden.
Heinlein: Warum ist diese Bedrohung so real? Wo gibt es Spannungen zwischen der Ukraine und Russland, die ja vielleicht dann auch in einen Krieg wie jetzt in Georgien münden könnten?
Durkot: Ich würde so einen Krieg wie jetzt in Georgien zwischen Russland und der Ukraine eigentlich ausschließen. Es gibt aber ziemlich viele Spannungsfelder - angefangen mit den Gaslieferungen und letztendlich auch die Schwarzmeer-Flotte und die russischen Stützpunkte auf der Krim, aber auch die gesamte Krim-Politik von Russland spielen hier ebenso eine Rolle. Für Russland war die orange Revolution sowieso immer ein Dorn im Auge und danach hat sich die russische Politik gegenüber der Ukraine eigentlich verschärft. Die Situation mit der Schwarzmeer-Flotte ist vielleicht eines der größten Konfliktfelder, weil die Ukraine darauf besteht, dass die Russen bis 2017, wie es in dem bilateralen Vertrag steht, den Stützpunkt Sewastopol verlassen. Das kann ich mir aber nicht vorstellen, dass die Russen sich damit einverstanden erklären.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Mittag der ukrainische Journalist Juri Durkot. Herr Durkot, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Lemberg.
Durkot: Auf Wiederhören!