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"Man hat das Spiel doch weitgehend satt"

Hans-Ulrich Klose (SPD), stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, hat den neuerlichen unterirdischen Atomtest Nordkoreas scharf kritisiert. Es sei zu befürchten, dass Pjöngjang auch weiterhin Raketentests durchführen werde. Die größte Gefahr sei, dass das nordkoreanische Regime bald schon Nukleartechnologie in alle Welt liefern könnte, sagte Klose.

Hans-Ulrich Klose im Gespräch mit Silvia Engels | 25.05.2009
    Silvia Engels: Die nord-koreanische Führung wählt seit Jahren einen ganz besonderen Weg, um international Aufmerksamkeit zu erregen, und dieser Weg ist meist nuklear. Mit einem unterirdischen Atomtest und dem Abschuss von offenbar mindestens zwei Raketen (ebenfalls zu Testzwecken) hat Pjöngjang heute früh die Regierungen weltweit aufgeschreckt. Der EU-Außenbeauftragte Solana nannte das Vorgehen unverantwortlich.

    Es klang schon an: Die internationalen Reaktionen auf den nord-koreanischen Atomtest fallen einhellig negativ aus. US-Präsident Obama nannte das Vorgehen eine Bedrohung für den internationalen Frieden, der britische Premierminister Brown betonte, dies untergrabe den Friedensprozess auf der koreanischen Halbinsel, und die französische Regierung verlangte härtere Sanktionen gegen Nord-Korea.

    Erst vor einigen Wochen hatte Nord-Korea eine Trägerrakete getestet, nun also ein neuer Atomtest und weitere Raketenstarts. - Vor der Sendung sprachen wir mit Hans-Ulrich Klose (SPD), er ist stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. An ihn ging die Frage, ob wir uns nun auf eine längere Phase der aggressiven Außenpolitik Pjöngjangs einstellen müssen?

    Hans-Ulrich Klose: Ich glaube, das müssen wir, denn Pjöngjang hat mit diesem Test eindeutig gegen eine UNO-Resolution verstoßen und deshalb wird es Reaktionen geben und diese Reaktionen werden wieder zu Trotzreaktionen auf koreanischer Seite führen.

    Engels: Wie könnten die aussehen?

    Klose: Es werden weitere Raketentests stattfinden und es entspricht den bisherigen Verhaltensweisen des Regimes in Pjöngjang.

    Engels: Ist das tatsächlich eine Bedrohung des internationalen Friedens, wie US-Präsident Obama in einer ersten Stellungnahme sagte?

    Klose: Na ja, man muss erstens sehen: Pjöngjang ist ein Lieferant von Raketentechnik in alle Welt und wer gibt uns die Garantie, dass sie nicht irgendwann auch Nukleartechnologie weltweit zur Ware machen. Zweitens muss man sehen: wenn ein Land wie Nord-Korea Nuklearmacht wird, ist der Nachahmereffekt nicht auszuschließen, und man muss schließlich die Sicherheitswahrnehmung in der Region sehen. Dabei lohnt sich ein Blick nicht nur auf Süd-Korea, sondern auch auf Japan.

    Engels: Das heißt, die Gefahren, die Nord-Korea möglicherweise heraufbeschwören könnte, sehen eher so aus, dass sie als Händler von möglicherweise spaltbarem Material auf den Markt treten können, als dass sie jetzt wirklich eine militärische Gefahr sind?

    Klose: Na ja, man muss immer unterstellen, dass auch die dortigen Machthaber nicht verrückt genug sind, um Selbstmord zu begehen. Ein Land wie Nordkorea würde bei einer nuklearen aggressiven Aktivität natürlich sofort eine massive Reaktion auslösen, und das könnte nur mit der Selbstvernichtung enden. Aber man weiß es natürlich nie. Ansonsten würde ich sagen, in der Tat sind die Bedrohungen durch Weitergabe von Technologie die wahrscheinlichsten.

    Engels: Nordkorea begründet sein Vorgehen mit "der Politik der Einschüchterung aus Washington". Die Machthaber drohen mit weiteren Tests. Haben Sie eine Erklärung, warum Pjöngjang Präsident Obama derzeit so aggressiv gegenübertritt? Warum jetzt?

    Klose: Mag sein, dass sie glauben, dass sie ihn austesten können, und dass Obama nachgiebig ist, das halte ich für einen großen Irrtum. Zweitens ist es das bekannte Verhalten. Sie versuchen, immer Zugeständnisse zu erzwingen. Sie verhalten sich, wenn ich das jetzt wohlwollend formuliere, wie ein bockiges Kind, im Glauben, dass sie mit Trotz Vorteile einhandeln können. Das wird aber, glaube ich, nicht gelingen. Es ist in der Vergangenheit vielfach versucht worden, die Nordkoreaner mit Zugeständnissen, mit Warenlieferungen, Energielieferungen zu besänftigen, aber inzwischen hat man das Spiel doch weitgehend satt.

    Engels: Man hat das Spiel satt. Es ist nicht gelungen, Nordkorea auf einen berechenbaren Kurs zu bringen. Was bleibt denn dann?

    Klose: Zunächst einmal wird es eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates geben. So weit ich es mitbekommen habe, hat sich Russland schon so geäußert. Frankreich hat es beantragt, Russland hat sich so geäußert. Russland hat im Augenblick den Vorsitz. Ich rate sehr dazu, darüber hinaus intensive diplomatische Aktivitäten zu entfalten, insbesondere im Dreiecksverhältnis zwischen Washington, Moskau und Peking, aber ich denke, man muss auch Südkorea und unbedingt Japan einbeziehen, die eine besondere Sicherheitswahrnehmung haben, und da könnte es möglicherweise zu Reaktionen kommen, die schwierig werden.

    Engels: Was könnte da eine Antwort gerade aus Tokyo sein?

    Klose: Tokyo hat schon erklärt, man überlege, die eigenen japanischen Sanktionsmaßnahmen zu verschärfen. Das, glaube ich, ist eine naheliegende Überlegung. Ich erinnere aber daran, dass es immer mal wieder Stimmen in Japan gegeben hat, die über eigene Nuklearaktivitäten nachdenken. Die nehme ich nicht ernst in dem Sinne, dass da irgendetwas bevorstünde, aber man muss immer bedenken, Japan ist ein Land, in dem Atombomben gefallen sind und die deshalb spezifische Reaktionen haben.

    Engels: Der engste Verbündete Nordkoreas ist traditionell China, manchmal auch der einzige Verbündete. Erwarten Sie einen mäßigenden Einfluss, oder hat Peking auch ein Interesse, Nordkorea so etwas unberechenbar zu lassen?

    Klose: Ich glaube, Nordkorea wird den Chinesen allmählich selbst ein bisschen unheimlich. Es ist ja nicht unbedingt angenehm, in der unmittelbaren Nachbarschaft eine nicht berechenbare Regierung, ein nicht berechenbares Regime zu haben. Ich glaube, dass die Chinesen daran interessiert sind, Nordkorea unter Kontrolle zu halten, und deshalb rate ich noch mal zu stiller Diplomatie in dem von mir genannten Dreiecksverhältnis.

    Engels: Herr Klose, bleiben da der deutschen Außenpolitik oder der europäischen Außenpolitik irgendwelche Möglichkeiten, mit zu moderieren?

    Klose: Ich glaube, unmittelbar nicht. Wir sollten uns da nicht überheben. Wir, Deutschland, haben keinen unmittelbaren Einfluss dort in der Region und auf Nordkorea und die Europäische Union muss aufpassen, dass sie nicht einmal mehr sich verbal sehr stark äußert, um hinterher relativ bescheiden zu agieren.

    Engels: Hans-Ulrich Klose, stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses (SPD). Herzlichen Dank für das Gespräch.

    Klose: Nichts zu danken. Auf Wiederhören!