Klaus Remme: Kurz vor 18 Uhr war es, als in Nürnberg gestern Abend die iranische Nationalhymne erklang. Eine halbe Stunde später fiel das erste Tor für die Mexikaner, die das Spiel dann auch gewannen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Diplomaten in Deutschland mit einer Selbsteinladung des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad ringen müssen, ist somit unwahrscheinlicher geworden. Im Vorfeld des gestrigen Spieles kam es in Nürnberg zu einer Kundgebung gegen die israelfeindliche Politik Teherans. Bayerns Innenminister nannte Ahmadinedschad einen Verbrecher. Wenn er nach Deutschland käme, würde ihn nur der Diplomatenpass vor einer Verhaftung bewahren, so Günther Beckstein.
Am Telefon ist jetzt Wahied Wahdath-Hagh. Er ist im Iran aufgewachsen, der Politikwissenschaftler, und arbeitet heute für Memri, ein Forschungsinstitut, das Medien im mittleren Osten auswertet. Guten Morgen!
Wahied Wahdath-Hagh: Guten Morgen!
Remme: Herr Wahdath-Hagh, in der 38. Minute fiel gestern das erste Tor für den Iran. Wie haben Sie reagiert?
Wahdath-Hagh: Erstens bin ich tatsächlich in Deutschland aufgewachsen, und in der ersten Sekunde habe ich mich wie viele Iraner und aus dem Iran stammende Menschen irgendwie auch gefreut mit vielen Iranern, dass Iran ein Tor schießt. Das hat nur wenige Sekunden gedauert, denn dann ist mir eingefallen, dass die Neonazis sich mit dem iranischen Regime solidarisiert haben und dass Ahmadinedschad und das iranische Regime Fußball politisiert im Iran und Fußball für die Staatspolitik des Iran instrumentalisiert. Dann trat sehr schnell bei mir eine Ernüchterung ein, dass Fußball nicht nur ein Mittel zur Völkerfreundschaft ist, sondern in der Tat politisch ist.
Remme: Ist dieser internationale Auftritt des Iran in Sachen Fußball in erster Linie eine Propagandachance für das Regime, oder ein innenpolitisches Risiko?
Wahdath-Hagh: Ich würde sagen, leider ist es schon eine große Propagandachance für das Regime. Man würde sich sehr viel vormachen zu glauben, dass durch Fußball im Iran irgendwie etwas bewegt werden kann. Gestern meldeten die iranischen Nachrichtenagenturen, dass der Polizeichef des Iran, Herr Talai, angekündigt hat, dass während der Spiele, wo Iran eben mitspielt, Motorradfahrer in den Städten Fahrverbot haben oder eine eingeschränkte Fahrerlaubnis haben. Im Iran herrscht während der Spiele quasi eine Art polizeiliche Notstandssituation. Motorradfahrer dürfen nicht fahren. Also man sieht: Im Iran ist Fußball politisch. Der Staat hat Angst, dass die Bevölkerung vielleicht doch auf die Straße geht und irgendwie Unmut zeigt. Insofern fürchte ich, dass das Regime mehr Chancen hat, Fußball zu instrumentalisieren, als das Volk.
Remme: Wie wichtig ist denn der Fußball für den durchschnittlichen Iraner?
Wahdath-Hagh: Fußball ist im Iran Volksdroge schon immer gewesen. Schon der Schah hatte vor 30 Jahren eines der größten Fußballstadien mit knapp 100.000 Plätzen in Teheran gebaut vor 30 Jahren. Fußball ist im Iran beliebt. Natürlich, wenn der iranische Fußballchef sagt, wir repräsentieren den Iran und die Welt hat ein falsches Bild vom Iran, distanziert er sich irgendwie vom Regime und von Ahmadinedschad und sagt, wir sind Iran und nicht das Regime ist Iran. Fußball ist quasi der Iran. Aber da sollte man sich nichts vortäuschen. Das reicht nicht aus, wenn man die Dimension des Problems sieht, die nicht nur die israelfeindliche Propaganda des Regimes als Staatspolitik seit 27 Jahren im Iran ist. Die Menschenrechtslage im Iran, die Situation der Frauen im Iran, die Situation der Andersdenkenden, die Situation der Angehörigen der Bahai-Religion im Iran, die sich massiv verschärft hat, das ist alles auch ein Teil im Grunde genommen des Geschehens, und man kann sich nicht nur auf Fußball konzentrieren, wenn Iran spielt, denn die Mannschaft repräsentiert nicht nur das Volk, sondern eine Diktatur. Das darf man nicht vergessen.
Remme:! Es wäre ja nicht das erste Mal, dass der Sport als eine Art Brücke dienen würde, die Verständigung zwischen Konfliktpartnern möglich macht, die bisher nicht miteinander reden konnten. Warum kann das im Fall Iran nicht klappen?
Wahdath-Hagh: Können Sie die Frage noch mal stellen?
Remme: Ich denke an Parallelen, wo der Fußball oder nicht nur der Fußball, auch der Sport als eine Art erste Verständigungsmöglichkeit auf einer nicht ganz so prominenten Bühne wie der großen Politik gedient hat und somit eine Art Brückenfunktion wahrgenommen hat. Warum kann das mit dem Regime in Teheran nicht klappen?
Wahdath-Hagh: Weil das nicht in der Natur des Regimes liegt. Stellen Sie sich vor, Neonazis solidarisieren sich mit Ahmadinedschad, mit dem iranischen Regime. Wie soll da Völkerfreundschaft entstehen? Im Grunde genommen müsste man zu dem Schluss kommen, wenn eine Mannschaft, die ein Regime vertritt, sich mit den Neonazis solidarisiert, dass im Grunde genommen genau das Gegenteil von dem geschieht, was man erreichen will, nämlich Völkerfreundschaft. Neonazis und das iranische Regime sät Hass, sät eine Politik, die zum Krieg führt, zum Terrorismus führt und so weiter und so fort. Nicht von Ungefähr hatten viele, auch offizielle Stellen in Deutschland Angst, dass aus dem Iran vielleicht doch hier in Deutschland etwas organisiert wird, was zur Gewalt führt parallel zu den Spielen. Wenn Fußball als Instrument einer Diktatur geführt wird, gespielt wird, kann es meines Erachtens nicht zu einer friedlichen Politik oder zur Völkerfreundschaft führen, sondern eigentlich genau das Gegenteil bewirken, nämlich Völkerhass schüren. Leider ist es so, dass der Fußball im Iran zwar tatsächlich vom Volk geliebt wird, aber das Regime hat dort Überhand und erlaubt es dem Volk nicht, frei zu sein. Entsprechend repräsentiert ein Fußballspiel eher das Regime und nicht das Volk.
Remme: Der Politikwissenschaftler Wahied Wahdath-Hagh. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Am Telefon ist jetzt Wahied Wahdath-Hagh. Er ist im Iran aufgewachsen, der Politikwissenschaftler, und arbeitet heute für Memri, ein Forschungsinstitut, das Medien im mittleren Osten auswertet. Guten Morgen!
Wahied Wahdath-Hagh: Guten Morgen!
Remme: Herr Wahdath-Hagh, in der 38. Minute fiel gestern das erste Tor für den Iran. Wie haben Sie reagiert?
Wahdath-Hagh: Erstens bin ich tatsächlich in Deutschland aufgewachsen, und in der ersten Sekunde habe ich mich wie viele Iraner und aus dem Iran stammende Menschen irgendwie auch gefreut mit vielen Iranern, dass Iran ein Tor schießt. Das hat nur wenige Sekunden gedauert, denn dann ist mir eingefallen, dass die Neonazis sich mit dem iranischen Regime solidarisiert haben und dass Ahmadinedschad und das iranische Regime Fußball politisiert im Iran und Fußball für die Staatspolitik des Iran instrumentalisiert. Dann trat sehr schnell bei mir eine Ernüchterung ein, dass Fußball nicht nur ein Mittel zur Völkerfreundschaft ist, sondern in der Tat politisch ist.
Remme: Ist dieser internationale Auftritt des Iran in Sachen Fußball in erster Linie eine Propagandachance für das Regime, oder ein innenpolitisches Risiko?
Wahdath-Hagh: Ich würde sagen, leider ist es schon eine große Propagandachance für das Regime. Man würde sich sehr viel vormachen zu glauben, dass durch Fußball im Iran irgendwie etwas bewegt werden kann. Gestern meldeten die iranischen Nachrichtenagenturen, dass der Polizeichef des Iran, Herr Talai, angekündigt hat, dass während der Spiele, wo Iran eben mitspielt, Motorradfahrer in den Städten Fahrverbot haben oder eine eingeschränkte Fahrerlaubnis haben. Im Iran herrscht während der Spiele quasi eine Art polizeiliche Notstandssituation. Motorradfahrer dürfen nicht fahren. Also man sieht: Im Iran ist Fußball politisch. Der Staat hat Angst, dass die Bevölkerung vielleicht doch auf die Straße geht und irgendwie Unmut zeigt. Insofern fürchte ich, dass das Regime mehr Chancen hat, Fußball zu instrumentalisieren, als das Volk.
Remme: Wie wichtig ist denn der Fußball für den durchschnittlichen Iraner?
Wahdath-Hagh: Fußball ist im Iran Volksdroge schon immer gewesen. Schon der Schah hatte vor 30 Jahren eines der größten Fußballstadien mit knapp 100.000 Plätzen in Teheran gebaut vor 30 Jahren. Fußball ist im Iran beliebt. Natürlich, wenn der iranische Fußballchef sagt, wir repräsentieren den Iran und die Welt hat ein falsches Bild vom Iran, distanziert er sich irgendwie vom Regime und von Ahmadinedschad und sagt, wir sind Iran und nicht das Regime ist Iran. Fußball ist quasi der Iran. Aber da sollte man sich nichts vortäuschen. Das reicht nicht aus, wenn man die Dimension des Problems sieht, die nicht nur die israelfeindliche Propaganda des Regimes als Staatspolitik seit 27 Jahren im Iran ist. Die Menschenrechtslage im Iran, die Situation der Frauen im Iran, die Situation der Andersdenkenden, die Situation der Angehörigen der Bahai-Religion im Iran, die sich massiv verschärft hat, das ist alles auch ein Teil im Grunde genommen des Geschehens, und man kann sich nicht nur auf Fußball konzentrieren, wenn Iran spielt, denn die Mannschaft repräsentiert nicht nur das Volk, sondern eine Diktatur. Das darf man nicht vergessen.
Remme:! Es wäre ja nicht das erste Mal, dass der Sport als eine Art Brücke dienen würde, die Verständigung zwischen Konfliktpartnern möglich macht, die bisher nicht miteinander reden konnten. Warum kann das im Fall Iran nicht klappen?
Wahdath-Hagh: Können Sie die Frage noch mal stellen?
Remme: Ich denke an Parallelen, wo der Fußball oder nicht nur der Fußball, auch der Sport als eine Art erste Verständigungsmöglichkeit auf einer nicht ganz so prominenten Bühne wie der großen Politik gedient hat und somit eine Art Brückenfunktion wahrgenommen hat. Warum kann das mit dem Regime in Teheran nicht klappen?
Wahdath-Hagh: Weil das nicht in der Natur des Regimes liegt. Stellen Sie sich vor, Neonazis solidarisieren sich mit Ahmadinedschad, mit dem iranischen Regime. Wie soll da Völkerfreundschaft entstehen? Im Grunde genommen müsste man zu dem Schluss kommen, wenn eine Mannschaft, die ein Regime vertritt, sich mit den Neonazis solidarisiert, dass im Grunde genommen genau das Gegenteil von dem geschieht, was man erreichen will, nämlich Völkerfreundschaft. Neonazis und das iranische Regime sät Hass, sät eine Politik, die zum Krieg führt, zum Terrorismus führt und so weiter und so fort. Nicht von Ungefähr hatten viele, auch offizielle Stellen in Deutschland Angst, dass aus dem Iran vielleicht doch hier in Deutschland etwas organisiert wird, was zur Gewalt führt parallel zu den Spielen. Wenn Fußball als Instrument einer Diktatur geführt wird, gespielt wird, kann es meines Erachtens nicht zu einer friedlichen Politik oder zur Völkerfreundschaft führen, sondern eigentlich genau das Gegenteil bewirken, nämlich Völkerhass schüren. Leider ist es so, dass der Fußball im Iran zwar tatsächlich vom Volk geliebt wird, aber das Regime hat dort Überhand und erlaubt es dem Volk nicht, frei zu sein. Entsprechend repräsentiert ein Fußballspiel eher das Regime und nicht das Volk.
Remme: Der Politikwissenschaftler Wahied Wahdath-Hagh. Ich bedanke mich für das Gespräch.