In Brennpunktschulen vor allem in Großstädten werden deutsche Mitschüler von ihren ausländischen Klassenkameraden gemobbt und schikaniert. Fremdenfeindlichkeit einmal umgekehrt.
Stefan Heinlein: Heute berät die Kultusministerkonferenz in Berlin zusammen mit den Migrantenverbänden über das Thema Deutschenfeindlichkeit an Schulen, und den Kultusministerkonferenz-Vorsitzenden Ludwig Spaenle von der CSU begrüße ich jetzt am Telefon. Er ist Kultusminister in Bayern. Guten Morgen, Herr Spaenle!
Ludwig Spaenle: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Ist der Islam verantwortlich für die Deutschenfeindlichkeit auf unseren Schulhöfen?
Spaenle: Monokausale Erklärungen gibt es nicht, das Phänomen ist Wirklichkeit. Es muss gelten, dass gleich welcher Nationalität oder Herkunft Mobbing mit allen zur Verfügung stehenden pädagogischen Mitteln, wo nicht anders möglich auch mit möglichen Ordnungsmaßnahmen, unterbunden wird. Wenn kulturelle Herkunft eine Rolle spielt, dann muss das auch mit ins Kalkül gezogen werden.
Heinlein: Spielt denn die kulturelle Herkunft eine Rolle?
Spaenle: Es spielt eine Rolle, dass wir in bestimmten Schullandschaften wohl Mehrheitssituationen haben, die dann eine entsprechende Minoritätssituation für deutsche Kinder und Jugendliche erzeugt. Das kann nationale, aber auch möglicherweise kulturelle Hintergründe haben, das muss vom Einzelfall sicher her jeweils betrachtet werden.
Heinlein: Herr Spaenle, es gibt aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen aus den vergangenen Tagen, aus denen geht hervor, junge Türken und Araber sind bei deutschen Jugendlichen besonders unbeliebt. Erkennen Sie hier Ursache und Wirkung?
Spaenle: Es ist die zentrale Situation, dass an solchen Schulen durch eben Sprengelbildung oder andere Brennpunktsituationen Minoritäten in Mehrheit sind. Das heißt, dass wir Zuwandererfamilien oder Kinder aus Zuwandererfamilien hier in einer Position haben, die sonst natürlich die Mehrheitsgesellschaft einnimmt, und das führt dann eben zu solchen Situationen. Dem muss entgegengewirkt werden durch Schule, durch Sozialarbeit im Zusammenwirken in der Regel von Jugendarbeit, Jugendhilfe, wo nicht anders möglich, also zwischen Kommunen und Schule.
Heinlein: Ist es nachvollziehbar für Sie, Herr Spaenle, dass manche ausländische Jugendliche sagen, hey, ihr mögt uns nicht, also lehnen wir euch auch ab und beschimpfen euch?
Spaenle: Das Problem, das sich letztlich darin ausdrückt, ist das, dass wir verfestigte Parallelgesellschaften haben. Das ist die Ursache im ganz Wesentlichen und dem muss entgegengetreten werden. Ein zentrales Instrument ist der Spracherwerb. Dem muss systematisch von der Kita an große Aufmerksamkeit geschenkt werden. Und natürlich das Thema soziale Teilhabe. Wir in Bayern haben keine Klasse mehr über 25 Schüler, in denen der Migrantenanteil über 50 Prozent liegt. Das sind allein für die Landeshauptstadt München im vergangenen Schuljahr 100 zusätzliche Klassen gewesen. Da sind die Betreuungsrelationen besser. Man kann dann natürlich auch solchen Situationen gegebenenfalls ein Stück weit besser entgegenwirken.
Heinlein: Sie sagen, Parallelgesellschaften. Gibt es deshalb bei vielen Migrantenkindern das Grundgefühl der Ablehnung durch die deutsche Gesellschaft, gerade in diesen Tagen, wo so viel über Integration geredet wird?
Spaenle: Es ist ganz natürlich, dass ich mich einem kulturellen Umfeld, wenn ich es kenne, anschließe. Es ist Aufgabe strategischer Bildungs- und natürlich Sozial-, Gesellschaftspolitik in den Kommunen, solchen Verfestigungen entgegenzuwirken. Dass dann Gefühle entstehen der Solidarisierung, die nach außen dann möglicherweise mit solchen negativen Erscheinungen in Zusammenhang auftreten, ist auch klar. Dem muss konsequent durch Spracherwerb, erklärend die eigene gesellschaftliche, kulturelle Identität, auch die Mehrheitsgesellschaft erklärend, entgegengewirkt werden, und da sind zunächst einmal auch die Elternhäuser in besonderer Pflicht, sich mit einzubringen. Bildung ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe. Da brauche ich ein positives Klima auch in den Familien, etwa auch in den Migrantenfamilien.
Heinlein: Ihr Parteivorsitzender Seehofer hat vor wenigen Tagen erklärt, man brauche keine Zuwanderung mehr aus anderen Kulturkreisen. Herr Spaenle, wie wirkt denn eine solche Aussage auf Kinder und Jugendliche aus der Türkei oder aus arabischen Ländern?
Spaenle: Zunächst einmal hat er nicht gesagt, dass wir generell keine Zuwanderung brauchen, sondern die Tatsache, dass wir qualifizierte Zuwanderung brauchen, ist völlig unbestritten, dass wir eben darauf achten, dass entsprechende Zuwanderungssituationen der deutschen Gesellschaft durchaus auch nützt, und das hat auch natürlich entsprechende gesellschaftliche Auswirkungen. Die Wahrnehmung, dass man sagt, qualifizierte Zuwanderung ist in einem Land etwas Selbstverständliches, was auch im politischen Kalkül ist, halte ich für nachvollziehbar.
Heinlein: Also auch die CSU will qualifizierte Zuwanderung aus der Türkei, oder auch aus arabischen Ländern?
Spaenle: Zunächst einmal geht es darum, dass wir Zuwanderung insgesamt steuern müssen als ein großes Land in der Mitte Europas, und dann ist die Frage der Integrationsfähigkeit natürlich eine zentrale.
Heinlein: Was kann man denn unternehmen aus Ihrer Sicht, aus Sicht eines Kultusministers, um die wechselseitigen Vorurteile abzubauen? Braucht es etwa eine Deutschpflicht auch in den Pausen?
Spaenle: Es ist sicher besser, wenn die Sprache der Mehrheitsgesellschaft in allen gesellschaftlichen Bereichen die Regelsprache ist. Von einer Pflicht halte ich jetzt pädagogisch wenig. Es gibt aber in vielen Schulen, wenn Sie so wollen, so eine Art Schulverträge, das heißt freiwillige Übereinkunft innerhalb der Schulfamilie, Lehrerschaft, Schülerschaft, beteiligte Elternschaft, dass Deutsch als die Verkehrssprache selbstverständlich auch nicht nur im Unterricht, sondern auf dem Schulhof, wenn Sie so wollen, apostrophiert im Mittelpunkt stehen muss.
Heinlein: Kann es denn eine andere Lösung möglicherweise sein, Herr Spaenle, den Migrantenanteil in den Klassen zu begrenzen, wie es etwa der Philologenverband jetzt fordert?
Spaenle: Wir haben in den Ländern unterschiedliche Rechtssituationen, etwa Pflichtschulsprengel. Da ist natürlich die Möglichkeit, in Großstädten mit geänderten Sprengelsituationen zu reagieren. Wir haben in München jetzt bei der Weiterentwicklung der Hauptschulen auch pädagogische Sprengel, die Möglichkeit Sondersprengel zu bilden, oder in Bayern. Das heißt, dass wir zum Beispiel für Ganztagesschulen andere Sprengel bilden als für Regelschulen, die keinen Ganztagsbetrieb anbieten, also durchaus auch unter pädagogischen Aspekten hier entsprechende Klassenbildungen ins Auge zu fassen.
Heinlein: Was meinen Sie mit Sprengel, eine Art Zwangsdurchmischung in den Klassen?
Spaenle: Nein. Wir haben in München – und da ist es eben besser als in Bayern; es ist in den Ländern unterschiedlich – bei den Pflichtschulen, das sind in Bayern die Hauptschulen, wohnortbezogene Schuleinteilungen. Das heißt, wenn jemand in einem bestimmten Viertel wohnt, dann ist eine Schule für ihn zunächst einmal die Schule, an der er seine Schulpflicht absolviert, und die sind eben logischerweise lokal geschnitten. Da kann man durch Änderung von Sprengelgrenzen, oder eben durch pädagogische Sprengelbildung natürlich auch darauf achten, dass soziale Zusammensetzungen in bestimmter Form berücksichtigt werden.
Heinlein: Wie soll das denn in Berlin-Neukölln funktionieren? Da wohnen ja fast nur Ausländer und nur sehr, sehr wenige Deutsche.
Spaenle: Das ist der Punkt, dass ich natürlich mit geografisch orientierten Mitteln die Frage von Klassenzusammensetzungen nur bedingt beeinflussen kann. Wir gehen deswegen im Prinzip einen anderen Weg. Ich habe es kurz angesprochen. Wir setzen Hunderte von Lehrkräften zusätzlich in Bayern ein, die letztlich die Teilung von Klassen ermöglichen und dadurch günstige Betreuungsverhältnisse zwischen Schülern und Lehrkräften. Wir brauchen die Zusammenarbeit von allen pädagogischen Berufen, ob das Sozialarbeiter sind, ob das Erzieher sind, ob das dann logischerweise klassische Lehrkräfte sind, um hier eine entsprechende Begleitung der jungen Menschen und auch die Möglichkeit zu eröffnen, kulturelle und Sprachgrenzen besser überwinden zu können, weil das ist ja der eigentliche Startnachteil, dass Kinder mit Migrationshintergrund zum ganz großen Teil Deutsch nicht als Muttersprache haben.
Heinlein: Noch einmal, Herr Spaenle, zurück zum Thema Deutschenfeindlichkeit. Heute beraten Sie mit Ihren Länderkollegen und gemeinsam mit den Migrantenverbänden. Was wollen Sie denn konkret fordern von den Migrantenverbänden, um dieses Thema in den Griff zu bekommen?
Spaenle: Das Thema positive Einstellung zur Bildung ist etwas, das müssen Elternhäuser auch gerade im Migrationsbereich aktiv begleiten. Man muss die aktive Mitwirkung von Migrantenfamilien einfordern, weil nur dann natürlich positive Grundstimmung gegenüber der Schule besteht, und die Migrantenverbände stehen hier ein Stück weit in der Pflicht. Sie haben Vertrauen aus ihren Communitys, gewisse Autorität und die müssen sie auch in den Communitys einsetzen, um positive Grundhaltungen zur Bildung, zur Schule als dem Mittel der sozialen Teilhabe entsprechend mit erzeugen zu helfen.
Heinlein: Was heißt das denn konkret, Herr Spaenle, aktive Beteiligung der Familien? Heißt das, die Eltern müssen auch wieder zur Schule gehen?
Spaenle: Natürlich ist es entsprechend notwendig, dass sich Elternhäuser in die Schule mit einbringen. Das hat mit der Mitwirkung in den Elternvertretungen zu tun, das hat mit dem aktiven Gestalten von Schulleben zu tun, wie es ja an vielen Tausend Schulen in Deutschland der Fall ist, und das muss in besonderer Weise auch Migrantenfamilien ein Anliegen sein, weil wenn der Bildungserfolg eines Familienmitgliedes, eines jungen, auf den Weg gebracht wird, ist das ja in der Regel für die gesamte Familie ein Schritt in die Mitte der Gesellschaft.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach München.
Spaenle: Vielen Dank!
Schwerpunkt Integrationsdebatte
Stefan Heinlein: Heute berät die Kultusministerkonferenz in Berlin zusammen mit den Migrantenverbänden über das Thema Deutschenfeindlichkeit an Schulen, und den Kultusministerkonferenz-Vorsitzenden Ludwig Spaenle von der CSU begrüße ich jetzt am Telefon. Er ist Kultusminister in Bayern. Guten Morgen, Herr Spaenle!
Ludwig Spaenle: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Ist der Islam verantwortlich für die Deutschenfeindlichkeit auf unseren Schulhöfen?
Spaenle: Monokausale Erklärungen gibt es nicht, das Phänomen ist Wirklichkeit. Es muss gelten, dass gleich welcher Nationalität oder Herkunft Mobbing mit allen zur Verfügung stehenden pädagogischen Mitteln, wo nicht anders möglich auch mit möglichen Ordnungsmaßnahmen, unterbunden wird. Wenn kulturelle Herkunft eine Rolle spielt, dann muss das auch mit ins Kalkül gezogen werden.
Heinlein: Spielt denn die kulturelle Herkunft eine Rolle?
Spaenle: Es spielt eine Rolle, dass wir in bestimmten Schullandschaften wohl Mehrheitssituationen haben, die dann eine entsprechende Minoritätssituation für deutsche Kinder und Jugendliche erzeugt. Das kann nationale, aber auch möglicherweise kulturelle Hintergründe haben, das muss vom Einzelfall sicher her jeweils betrachtet werden.
Heinlein: Herr Spaenle, es gibt aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen aus den vergangenen Tagen, aus denen geht hervor, junge Türken und Araber sind bei deutschen Jugendlichen besonders unbeliebt. Erkennen Sie hier Ursache und Wirkung?
Spaenle: Es ist die zentrale Situation, dass an solchen Schulen durch eben Sprengelbildung oder andere Brennpunktsituationen Minoritäten in Mehrheit sind. Das heißt, dass wir Zuwandererfamilien oder Kinder aus Zuwandererfamilien hier in einer Position haben, die sonst natürlich die Mehrheitsgesellschaft einnimmt, und das führt dann eben zu solchen Situationen. Dem muss entgegengewirkt werden durch Schule, durch Sozialarbeit im Zusammenwirken in der Regel von Jugendarbeit, Jugendhilfe, wo nicht anders möglich, also zwischen Kommunen und Schule.
Heinlein: Ist es nachvollziehbar für Sie, Herr Spaenle, dass manche ausländische Jugendliche sagen, hey, ihr mögt uns nicht, also lehnen wir euch auch ab und beschimpfen euch?
Spaenle: Das Problem, das sich letztlich darin ausdrückt, ist das, dass wir verfestigte Parallelgesellschaften haben. Das ist die Ursache im ganz Wesentlichen und dem muss entgegengetreten werden. Ein zentrales Instrument ist der Spracherwerb. Dem muss systematisch von der Kita an große Aufmerksamkeit geschenkt werden. Und natürlich das Thema soziale Teilhabe. Wir in Bayern haben keine Klasse mehr über 25 Schüler, in denen der Migrantenanteil über 50 Prozent liegt. Das sind allein für die Landeshauptstadt München im vergangenen Schuljahr 100 zusätzliche Klassen gewesen. Da sind die Betreuungsrelationen besser. Man kann dann natürlich auch solchen Situationen gegebenenfalls ein Stück weit besser entgegenwirken.
Heinlein: Sie sagen, Parallelgesellschaften. Gibt es deshalb bei vielen Migrantenkindern das Grundgefühl der Ablehnung durch die deutsche Gesellschaft, gerade in diesen Tagen, wo so viel über Integration geredet wird?
Spaenle: Es ist ganz natürlich, dass ich mich einem kulturellen Umfeld, wenn ich es kenne, anschließe. Es ist Aufgabe strategischer Bildungs- und natürlich Sozial-, Gesellschaftspolitik in den Kommunen, solchen Verfestigungen entgegenzuwirken. Dass dann Gefühle entstehen der Solidarisierung, die nach außen dann möglicherweise mit solchen negativen Erscheinungen in Zusammenhang auftreten, ist auch klar. Dem muss konsequent durch Spracherwerb, erklärend die eigene gesellschaftliche, kulturelle Identität, auch die Mehrheitsgesellschaft erklärend, entgegengewirkt werden, und da sind zunächst einmal auch die Elternhäuser in besonderer Pflicht, sich mit einzubringen. Bildung ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe. Da brauche ich ein positives Klima auch in den Familien, etwa auch in den Migrantenfamilien.
Heinlein: Ihr Parteivorsitzender Seehofer hat vor wenigen Tagen erklärt, man brauche keine Zuwanderung mehr aus anderen Kulturkreisen. Herr Spaenle, wie wirkt denn eine solche Aussage auf Kinder und Jugendliche aus der Türkei oder aus arabischen Ländern?
Spaenle: Zunächst einmal hat er nicht gesagt, dass wir generell keine Zuwanderung brauchen, sondern die Tatsache, dass wir qualifizierte Zuwanderung brauchen, ist völlig unbestritten, dass wir eben darauf achten, dass entsprechende Zuwanderungssituationen der deutschen Gesellschaft durchaus auch nützt, und das hat auch natürlich entsprechende gesellschaftliche Auswirkungen. Die Wahrnehmung, dass man sagt, qualifizierte Zuwanderung ist in einem Land etwas Selbstverständliches, was auch im politischen Kalkül ist, halte ich für nachvollziehbar.
Heinlein: Also auch die CSU will qualifizierte Zuwanderung aus der Türkei, oder auch aus arabischen Ländern?
Spaenle: Zunächst einmal geht es darum, dass wir Zuwanderung insgesamt steuern müssen als ein großes Land in der Mitte Europas, und dann ist die Frage der Integrationsfähigkeit natürlich eine zentrale.
Heinlein: Was kann man denn unternehmen aus Ihrer Sicht, aus Sicht eines Kultusministers, um die wechselseitigen Vorurteile abzubauen? Braucht es etwa eine Deutschpflicht auch in den Pausen?
Spaenle: Es ist sicher besser, wenn die Sprache der Mehrheitsgesellschaft in allen gesellschaftlichen Bereichen die Regelsprache ist. Von einer Pflicht halte ich jetzt pädagogisch wenig. Es gibt aber in vielen Schulen, wenn Sie so wollen, so eine Art Schulverträge, das heißt freiwillige Übereinkunft innerhalb der Schulfamilie, Lehrerschaft, Schülerschaft, beteiligte Elternschaft, dass Deutsch als die Verkehrssprache selbstverständlich auch nicht nur im Unterricht, sondern auf dem Schulhof, wenn Sie so wollen, apostrophiert im Mittelpunkt stehen muss.
Heinlein: Kann es denn eine andere Lösung möglicherweise sein, Herr Spaenle, den Migrantenanteil in den Klassen zu begrenzen, wie es etwa der Philologenverband jetzt fordert?
Spaenle: Wir haben in den Ländern unterschiedliche Rechtssituationen, etwa Pflichtschulsprengel. Da ist natürlich die Möglichkeit, in Großstädten mit geänderten Sprengelsituationen zu reagieren. Wir haben in München jetzt bei der Weiterentwicklung der Hauptschulen auch pädagogische Sprengel, die Möglichkeit Sondersprengel zu bilden, oder in Bayern. Das heißt, dass wir zum Beispiel für Ganztagesschulen andere Sprengel bilden als für Regelschulen, die keinen Ganztagsbetrieb anbieten, also durchaus auch unter pädagogischen Aspekten hier entsprechende Klassenbildungen ins Auge zu fassen.
Heinlein: Was meinen Sie mit Sprengel, eine Art Zwangsdurchmischung in den Klassen?
Spaenle: Nein. Wir haben in München – und da ist es eben besser als in Bayern; es ist in den Ländern unterschiedlich – bei den Pflichtschulen, das sind in Bayern die Hauptschulen, wohnortbezogene Schuleinteilungen. Das heißt, wenn jemand in einem bestimmten Viertel wohnt, dann ist eine Schule für ihn zunächst einmal die Schule, an der er seine Schulpflicht absolviert, und die sind eben logischerweise lokal geschnitten. Da kann man durch Änderung von Sprengelgrenzen, oder eben durch pädagogische Sprengelbildung natürlich auch darauf achten, dass soziale Zusammensetzungen in bestimmter Form berücksichtigt werden.
Heinlein: Wie soll das denn in Berlin-Neukölln funktionieren? Da wohnen ja fast nur Ausländer und nur sehr, sehr wenige Deutsche.
Spaenle: Das ist der Punkt, dass ich natürlich mit geografisch orientierten Mitteln die Frage von Klassenzusammensetzungen nur bedingt beeinflussen kann. Wir gehen deswegen im Prinzip einen anderen Weg. Ich habe es kurz angesprochen. Wir setzen Hunderte von Lehrkräften zusätzlich in Bayern ein, die letztlich die Teilung von Klassen ermöglichen und dadurch günstige Betreuungsverhältnisse zwischen Schülern und Lehrkräften. Wir brauchen die Zusammenarbeit von allen pädagogischen Berufen, ob das Sozialarbeiter sind, ob das Erzieher sind, ob das dann logischerweise klassische Lehrkräfte sind, um hier eine entsprechende Begleitung der jungen Menschen und auch die Möglichkeit zu eröffnen, kulturelle und Sprachgrenzen besser überwinden zu können, weil das ist ja der eigentliche Startnachteil, dass Kinder mit Migrationshintergrund zum ganz großen Teil Deutsch nicht als Muttersprache haben.
Heinlein: Noch einmal, Herr Spaenle, zurück zum Thema Deutschenfeindlichkeit. Heute beraten Sie mit Ihren Länderkollegen und gemeinsam mit den Migrantenverbänden. Was wollen Sie denn konkret fordern von den Migrantenverbänden, um dieses Thema in den Griff zu bekommen?
Spaenle: Das Thema positive Einstellung zur Bildung ist etwas, das müssen Elternhäuser auch gerade im Migrationsbereich aktiv begleiten. Man muss die aktive Mitwirkung von Migrantenfamilien einfordern, weil nur dann natürlich positive Grundstimmung gegenüber der Schule besteht, und die Migrantenverbände stehen hier ein Stück weit in der Pflicht. Sie haben Vertrauen aus ihren Communitys, gewisse Autorität und die müssen sie auch in den Communitys einsetzen, um positive Grundhaltungen zur Bildung, zur Schule als dem Mittel der sozialen Teilhabe entsprechend mit erzeugen zu helfen.
Heinlein: Was heißt das denn konkret, Herr Spaenle, aktive Beteiligung der Familien? Heißt das, die Eltern müssen auch wieder zur Schule gehen?
Spaenle: Natürlich ist es entsprechend notwendig, dass sich Elternhäuser in die Schule mit einbringen. Das hat mit der Mitwirkung in den Elternvertretungen zu tun, das hat mit dem aktiven Gestalten von Schulleben zu tun, wie es ja an vielen Tausend Schulen in Deutschland der Fall ist, und das muss in besonderer Weise auch Migrantenfamilien ein Anliegen sein, weil wenn der Bildungserfolg eines Familienmitgliedes, eines jungen, auf den Weg gebracht wird, ist das ja in der Regel für die gesamte Familie ein Schritt in die Mitte der Gesellschaft.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach München.
Spaenle: Vielen Dank!
Schwerpunkt Integrationsdebatte