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"Man muss klotzen"

Michael Sommer, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB, zeigte sich zufrieden mit dem Willen der Regierung, die Konjunktur zu stützen. Man müsse sofort handeln. Nicht kleckern, "sondern klotzen", sagte Sommer nach dem Spitzentreffen im Kanzleramt zur Wirtschafts- und Finanzkrise.

Michael Sommer im Gespräch mit Elke Durak |
    Elke Durak: Man wollte miteinander sprechen. Die große, ganz große Verständigungsrunde hat gestern im Kanzleramt stattgefunden. Michael Sommer war dabei, der DGB-Vorsitzende. Guten Morgen, Herr Sommer.

    Michael Sommer: Guten Morgen, Frau Durak.

    0Durak: Herr Sommer, ein nationaler Kraftakt soll stattfinden, wurde auch noch gesagt. Das klingt alles sehr patriotisch. Ist das aber auch pragmatisch und nachvollziehbar?

    Sommer: Erst mal für Ihre Hörer: die Zusammenfassung Ihrer Kollegin entspricht im Wesentlichen dem, was da gestern gelaufen ist. Das ist der eine Teil. Der zweite Teil ist: die Teilnehmenden waren sich einig darüber, dass die Lage so ernst ist, wie wir sie in der Bundesrepublik Deutschland noch nie hatten. Wir haben ein Zusammentreffen von Konjunktur- und Finanzkrise, ausgelöst durch das unverantwortliche Verhalten im Finanzsektor, mit schwersten Folgen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Alle Beteiligten erwarten im kommenden Jahr ein so genanntes Negativwachstum. Das heißt, dass das Bruttoinlandsprodukt deutlich zurückgeht. Die Größenordnung war unterschiedlich. In der Situation muss gehandelt werden und dass die Bundesregierung da einen kollektiven Ratschlag einholt, halte ich für richtig.

    Durak: Die Frage ist nur, welchen Ratschlägen die dann folgt, denn es gibt ja ganz unterschiedliche Herangehensweisen an ein mögliches zweites Konjunkturpaket auch. Schauen wir zunächst mal auf die Arbeitsplätze, Ihr ureigenstes Gebiet, Herr Sommer, als DGB-Vorsitzender. Es heißt also, es habe positive Hinweise auf eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft gegeben, dass es nicht zu betriebsbedingten Kündigungen komme. Dazu wolle man alle möglichen Maßnahmen nutzen. Werden Sie das unterstützen und wenn ja wie?

    Sommer: Ja, gut. Diese Erklärung von zwei Vertretern von DAX30-Unternehmen, die da gestern anwesend waren, geht auf unsere Initiative und auf unsere Forderung zurück, um das ganz deutlich zu sagen. Das kam nicht ganz freiwillig, sondern wir haben gesagt, in der Situation erwarten die Menschen in Deutschland, dass die Firmen alles tun, um Beschäftigung zu sichern, Brücken in der Beschäftigung zu erhalten und auf gar keinen Fall die Krise auf dem Rücken der Beschäftigten abzuladen.

    Durak: Es ist klar: Sie sehen es als Ihren Erfolg an, dass es Selbstverpflichtungen der Wirtschaft geben soll, keine betriebsbedingten Kündigungen. Meine Frage dennoch an Sie, an den DGB-Vorsitzenden: welchen Beitrag können denn die Gewerkschaften noch weiter leisten, damit die Krise begrenzt werden kann?

    Sommer: Wir haben gestern Abend deutlich gemacht, dass wir zwei Sachen erwarten. Wir erwarten zum einen, dass es kurzfristige Maßnahmen gibt, um die Konjunktur anzukurbeln und sozusagen Brücken hin zu längerfristigen Maßnahmen zu bauen. Dazu gehören so genannte Konsumschecks, dazu gehören Abwrackprämien in der Autoindustrie, da gehören aber auch andere Maßnahmen dazu. Was wir darüber hinaus erwarten ist, dass jetzt kurzfristig auch die Bundesländer den Weg frei machen, um öffentliche Investitionen insbesondere bei den Kommunen frei zu machen, um Investitionen in Milliardenhöhe frei zu machen. Wir sind dabei im Unterschied zu mach anderem der Meinung, dass man da klotzen muss und nicht kleckern. Da gab es auch eine Differenz zu Teilen der Regierung. Wir sind der Meinung, 2 Prozent Bruttoinlandsprodukt muss jetzt in die Hand genommen werden, und die Gewerkschaften ihrerseits werden alles tun, um die Instrumente der Beschäftigung zu sichern und zu erhalten. Dazu gehört unter anderem auch, dass wir angeboten haben, über verfeinerte Maßnahmen der Nutzung von Kurzarbeitergeld zum Beispiel für kleine und mittlere Unternehmen zu sprechen. Wir haben dann gestern Abend vereinbart, dass der Bundesarbeitsminister eine Arbeitsgruppe dazu einberufen wird, die in den nächsten drei Wochen tagt. Sie sehen, es ist durchaus etwas herausgekommen in dem Sinne, dass Maßnahmen vorbereitet werden, die dann möglicherweise im Januar durch die Bundesregierung beschlossen werden.

    Durak: Das ist ein gutes Stichwort, "im Januar". Am 5. Januar will der Koalitionsausschuss tagen. Inzwischen gibt es schon Meldungen, dass Ende Januar es möglicherweise doch Steuersenkungen geben könnte, oder zumindest dass man sich darauf verständigen wird. Sind Sie für Steuersenkungen? Wollen Sie die? Wenn ja, rasch oder wo?

    Sommer: Erstens: Wir halten Steuersenkungen an dem Punkt für wirklich falsch. Jetzt ist es wichtig, dass der Staat handlungsfähig bleibt und Geld in die Hand nimmt, um öffentliche Investitionen zu fördern und Brücken für den Konsum zu schlagen, also Konsum fördernde Maßnahmen zu machen. Da kann der Staat nicht auf Geld verzichten. Ich merke überdies an, dass die Forderung nach Steuersenkungen gestern nur von ganz wenigen erhoben wurde. Sie war eigentlich so kleinlaut, dass ich gar nicht weiß, warum die sich dann so großartig in der Presse niederschlägt. Da muss die Pressearbeit besser gewesen sein als die Debatte gestern.

    Durak: Da werden wir gefüttert mit solchen Sachen.

    Sommer: Das ist ja in Ordnung. Das sehe ich auch alles ein. Nur ich war ja nun dabei und ich kann Ihnen nur sagen, alle waren sich wirklich einig: der Schwerpunkt muss auf der Förderung öffentlicher Investitionen und so schnell wie möglich liegen. Wo es Dissens gab war bei der Frage, wie man die Brücke hinbaut, bis diese Investitionen wirksam werden können. Sie haben ja auch Planungsvorläufe und Ähnliches mehr. Da geht es darum, welche Maßnahmen man treffen kann. Wir haben eindeutig vorgeschlagen, jetzt Maßnahmen zu machen, die schnell wirken, im Bereich zum Beispiel von niedrigen Einkommen, im Bereich von Abwrackprämien bei Autos, im Bereich von Investitionen, die sofort wirken, im Bereich von Konsumschecks und Ähnlichem mehr. Dieses wird jetzt weiter diskutiert werden und die Frage Steuersenkungen haben zwei oder drei Wissenschaftler und ein Politiker artikuliert, aber dass das jetzt gestern Abend das Massenphänomen war, das will und kann ich nicht behaupten.

    Durak: Halten Sie denn die Art und Weise, wie die Bundesregierung, wie die Kanzlerin an die Krise herangeht, für angemessen oder für zu zögerlich?

    Sommer: Wissen Sie, Frau Durak, wir sind vor der Situation, dass wir eine Krise haben, wie wir sie in diesem Land noch nie hatten, nämlich das Zusammentreffen einer Konjunktur- und einer Finanzkrise, verursacht noch mal durch das unverantwortliche Verhalten von Bankern, Finanzmanagern und Ähnlichem mehr, in einer Tiefe und einer Schwere, wie wir sie bislang wohl noch nicht kannten. In der Situation sind wir der Meinung, man muss schnell handeln und man muss entschieden handeln und man muss klotzen.

    Durak: Und was macht die Bundeskanzlerin? Das war jetzt die Frage.

    Sommer: Das hat die Bundesregierung bislang nicht getan. Wenn jetzt gestern die Kanzlerin sich den versammelten Ratschlag dieser Republik zumindest von etlichen Leuten zusammenholt, dann ist das gut und nicht schlecht. Aber ich sage Ihnen trotzdem: es tut Not, jetzt energisch zu handeln. Das erste Konjunkturprogramm hat nicht ausgereicht und wird nicht ausreichen, auch wenn die Regierung gestern darauf hingewiesen hat, dass es in weiten Teilen überhaupt noch nicht in Kraft ist. Auch das ist ein Problem. Einen Bankenrettungsschirm kann man sofort in die Wege leiten und bei dem Rest dauert es dann wesentlich länger. Die Menschen warten auf Lösungen und deswegen sagen wir, jetzt muss wirklich gehandelt werden. Und wenn Sie fragen, macht die Bundeskanzlerin das richtig, dann sage ich, ich hoffe und erwarte, dass im Januar wirklich gehandelt wird.

    Durak: Danke schön! – Das war der DGB-Vorsitzende Michael Sommer hier im Interview beim Deutschlandfunk. Danke Ihnen, Herr Sommer, für dieses Gespräch.