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"Man muss sich besser gegen Risiken absichern"

Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, hält es für sinnvoll, den Verkäufern von Anlagen einen Teil des Kreditrisikos aufzubürden. Es sei aber wichtig, den gesamten Sektor gleichermaßen zu regulieren: Nicht nur der Bankensektor, sondern auch der "Schattenbankensektor" wie Hedgefonds oder Moneymarketfonds müsse sich besser abdecken.

Dennis Snower im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Die EU-Kommission will mit einem Gesetzespaket weiteren Turbulenzen am Finanzmarkt vorbeugen. EU-Binnenmarktkommissar McCreevy will Banken zwingen, sich verstärkt mit Eigenkapital gegen Kreditrisiken abzusichern. Für grenzüberschreitend tätige Institute soll es zudem erstmals eine europäische Gruppenaufsicht geben.

    Der US-Senat will am Abend über ein geändertes Rettungspaket abstimmen.

    Unterdessen haben sich deutsche Finanzpolitiker der Koalitionsparteien zuversichtlich gezeigt, dass dem Staat und damit den Steuerzahlern durch den Rettungsplan für die Hypo Real Estate letztlich keine Kosten entstehen. Steffen Kampeter, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, sagte zu der Bürgschaft am Morgen im Deutschlandfunk:

    "Der Rettungsplan, den Herr Steinbrück und der Bundesbankpräsident Weber gestern dem Parlament und den Fraktionen vorgestellt hat, unterscheidet sich ja ganz wesentlich von den Lösungsansätzen in den USA, die ja ein 700-Millionen-Programm aus dem Haushalt finanzieren, den englischen Lösungsansätzen, die die alle verstaatlichen, und den Benelux-Ländern, wo einfach aus den dortigen Haushalten Gelder finanziert werden. Wir geben eine Garantie, um ein an sich solides Unternehmen, was unter der Liquiditätsklemme leidet, nicht in die Insolvenz gehen zu lassen, und versuchen so, den Steuerzahler zu schützen."

    Heinemann: Steffen Kampeter (CDU), Haushaltspolitiker. - Am Telefon ist Professor Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Guten Tag!

    Dennis Snower: Guten Tag!

    Heinemann: Herr Snower, Bürgschaften, Haushaltsmittel, Verstaatlichungen - welcher ist der bessere, der beste Ansatz?

    Snower: Ich glaube, das sind keine Alternativen. Ich glaube, wir haben ein Liquiditätsproblem, und der Rettungsplan, der jetzt in Deutschland besprochen wird, ist sehr gut bezüglich des Liquiditätsproblems. Aber wir haben auch ein anderes Problem, und das ist ein Unterkapitalisierungsproblem. Die Banken haben einfach nicht genügend Aktiva, relativ zu ihren Passiva, um leihen zu können. Da können Zentralbanken weniger tun, und dazu braucht man dann Garantien, dass die wirklich großen Unternehmen, die das ganze System gefährden sollten, nicht untergehen.

    Heinemann: Nun schlägt EU-Binnenmarktkommissar McCreevy vor, er möchte Banken vorschreiben, sich verstärkt mit Eigenkapital gegen Kreditrisiken abzusichern. Ist das der richtige Ansatz?

    Snower: Es ist auf jeden Fall wichtig, dass der gesamte Sektor, nicht nur der Bankensektor, sondern auch der Schattenbankensektor wie Hedgefonds, Moneymarketfonds und so weiter, sich besser abdecken in der Zukunft. Daher wäre es ungut, wenn wir einen kontrollierten Sektor, einen regulierten Sektor hätten und dann einen anderen, einen Schattenbanksektor, in den man ausweichen könnte, der nicht reguliert ist. Dieses System, glaube ich, muss geändert werden.

    Heinemann: Das heißt insgesamt auf dem Finanzmarkt weniger gepumptes Geld?

    Snower: Es heißt, dass man sich besser gegen Risiken absichern muss und die Risiken transparenter darstellen muss. Das ist vielleicht das Wichtigste noch.

    Heinemann: Heruntergebrochen mal auf den einfachen Bankkunden: Sollten Verkäufer von Anlagen die Risiken ihrer Papiere mittragen?

    Snower: Zum Teil schon, und es geht einfach nur darum, wie hoch der Anteil ist. Ich persönlich glaube, dass ein zehnprozentiger Anteil genügend hoch ist, wenn man genau der Öffentlichkeit bekannt gibt, wie groß die Eigenfinanzierungsquote ist in jeder Institution.

    Heinemann: Nun steckt der Teufel doch auch im Detail. Das heißt, täglich kommen neue Finanzprodukte auf den Markt, deren Schwachstellen Anlageberater vielleicht gar nicht erkennen können. Die Politik kann doch jetzt nicht jedes Zertifikat oder jeden Fonds bewerten oder zulassen oder ablehnen.

    Snower: Nein, ich glaube nicht, und wir werden uns große Gedanken machen in den kommenden Monaten, wie wir Institutionen schaffen können, die zusammen mit der Wirtschaft vorausdenken können. Das ist immer eine große Herausforderung, und es wird uns nie ganz gelingen. Aber wir können es auf jeden Fall besser tun als in der Vergangenheit, wo wir uns nicht einmal die Mühe gegeben haben, die Risiken, die erkannt worden waren, abzudecken.

    Heinemann: Herr Professor Snower, in Ihrer Heimat ringt der Kongress um ein Finanzhilfspaket von 700 Milliarden Dollar. Rechnen Sie damit, dass letztendlich beide Häuser zustimmen werden?

    Snower: Ich glaube schon, weil obwohl dieses Paket Schwächen hat, ist seine Lösung besser als keine Lösung, und jeder sieht das ein. Politiker werden, glaube ich, gravierend abgestraft werden, wenn sie dieser Lösung im Weg stehen.

    Heinemann: Entdecken die Amerikaner gerade den Staat?

    Snower: Ja, vielleicht zum Teil, obwohl der Staat wurde schon in der Zwischenkriegszeit erkannt, als Banken gerettet worden sind, wo man auch versucht hat, ein Instrumentarium aufzubauen, was der Öffentlichkeit Sicherheit geben kann. Inzwischen hat sich die Finanzwelt entwickelt, und daher brauchen wir ein neues Instrumentarium, und darum geht es jetzt. Es ist ähnlich wie zur Zwischenkriegszeit in der Herausforderung, aber die Auswirkungen werden nicht so groß sein, weil wir viel dazugelernt haben.