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"Man muss überhaupt keine Grenze ziehen"

Vor dem Hintergrund der Klage eines Ehepaares vor dem Bundesverfassungsgericht hat sich die frühere SPD-Justizsenatorin in Hamburg und Berlin, Lore Marie Peschel-Gutzeit, für die Möglichkeit eines Dreifachnamens ausgesprochen. Es ließe sich überhaupt nicht begründen, warum Zweifachnamen erlaubt seien und Dreifachnamen nicht.

Lore Marie Peschel-Gutzeit im Gespräch mit Friedbert Meurer | 05.05.2009
    Friedbert Meurer: Es war noch die alte Kohl-Regierung, die 1993 das deutsche Namensrecht durchlüftet hat. Seitdem können Frauen und Männer nach einer Heirat sich entschließen, beide so zu heißen wie bisher, also ihren eigenen Nachnamen zu behalten. Ganz früher übernahm die Frau automatisch den Namen des Mannes, hängte dann ein "geborene Soundso" an. Dann kam die Möglichkeit, dass Mann - oder meistens war es dann doch die Frau - einen Doppelnamen annahm, um ihren Geburtsnamen quasi zu retten. Eines ist aber seit 1993 verboten: der Dreifachnachname. Heute könnte das Bundesverfassungsgericht ihn wieder zulassen. Lore Maria Peschel-Gutzeit hat insgesamt sogar vier Namen, zwei Vornamen und einen Doppelnachnamen. Früher war sie Justizsenatorin in Hamburg und Berlin von der SPD. Guten Morgen, Frau Peschel-Gutzeit.

    Lore Maria Peschel-Gutzeit: Guten Morgen!

    Meurer: Haben Sie auch solche kleinen Frotzeleien schon erlebt wie Frau Leutheusser-Schnarrenberger?

    Peschel-Gutzeit: Ja. Das erlebt jeder Mensch, der einen Doppelnamen hat. Er ist auch in der Tat ja etwas schwierig und wird auch manchmal missverstanden, aber das kann man ohne weiteres ertragen.

    Meurer: Hat Sie das nicht geärgert?

    Peschel-Gutzeit: Gar nicht. Ich finde, es gibt ja auch sehr lange Einzelnamen, die aus vier und mehr Silben bestehen, und insofern ist es wirklich eine Frage der Gewöhnung. Ich trage meinen Doppelnamen jetzt seit Jahrzehnten und alle Welt hat sich daran gewöhnt.

    Meurer: Vielleicht liegt es auch daran, dass Peschel-Gutzeit kürzer ist als Leutheusser-Schnarrenberger. Wie kam dieser Name zu Stande, wenn ich das fragen darf?

    Peschel-Gutzeit: Aber gerne dürfen Sie das fragen. Ich war verheiratet mit einem Herrn Peschel und hatte mit dem - habe ich natürlich immer noch - drei Kinder, die alle drei Peschel heißen, wie das ja im deutschen Namensrecht so ist.

    Meurer: Dann haben Sie Ihren Nachnamen, Ihren Mädchennamen Gutzeit drangehängt?

    Peschel-Gutzeit: Ich habe ihn drangehängt und das ist eine kleine Geschichte, denn damals, als ich vor wirklich vielen Jahrzehnten geschieden wurde, gab es noch eine Bestimmung aus dem alten Eherecht, die es dem Mann, aber nur dem Mann erlaubte, die Namensführung des Ehenamens nach einer Scheidung der Frau zu untersagen. So ging also mein geschiedener Ehemann daran und stellte einen Antrag, mir die Führung des Namens Peschel zu untersagen. Das war natürlich überhaupt gänzlich aussichtslos, denn das war ein ganz krasser Verstoß gegen das Gleichberechtigungsgebot aus unserer Verfassung.

    Meurer: Da werden manche Männer heute noch sagen, wenn die Frau nicht mehr mit mir verheiratet ist, soll sie auch ihren Namen abgeben.

    Peschel-Gutzeit: Genau. Das gefällt vielleicht manchen Männern, aber es war ja gänzlich ausgeschlossen. Es ging auch gar nicht um mich, denn ich hätte mich ja einfach Gutzeit nennen können, aber ich habe eben drei Kinder mit dem Namen Peschel und ich möchte doch mit denen namentlich verbunden bleiben. Deswegen ging es nicht und deswegen habe ich, nachdem dieses merkwürdige Verfahren so geendet hatte, wie es enden musste, nämlich natürlich wurde der Antrag zurückgewiesen, daraufhin dann meinen Mädchennamen, nämlich Gutzeit, drangehängt, um mich auch von meinem geschiedenen Mann zu unterscheiden, der ebenfalls wie ich Richter war.

    Meurer: Sie haben sich damals für diesen Doppelnamen entschieden, auch damit im Namen Ihr eigener Name und der der Kinder sich wiederfindet. Hätten Sie, Frau Peschel-Gutzeit, damals die Möglichkeit gehabt, nach dem neuen Namensrecht vorzugehen, hätten Sie sich dafür entschieden, nur Ihren Mädchennamen zu behalten?

    Peschel-Gutzeit: Das konnte ich damals schon. Ich hätte gegenüber dem Standesamt erklären können, ich trage von jetzt ab nur noch meinen Mädchennamen Gutzeit. Das ging eben aus den Gründen nicht, die ja auch in dem Beispielsfall, der ja heute beim Bundesverfassungsgericht entschieden wird, eine Rolle spielt. Wenn ich Kinder habe mit einem Namen aus einer Ehe, dann möchte ich mit denen natürlich irgendwie verbunden bleiben, und das bleibe ich nicht, wenn ich nur meinen Mädchennamen trage.

    Meurer: Sollte der Gesetzgeber, um auf den aktuellen Fall - oder es sind mehrere, die anhängig sind - zu kommen, toleranter als bisher sein und Dreifachnachnamen zulassen?

    Peschel-Gutzeit: Ich will Ihnen sagen, ich habe damit überhaupt kein Problem. Ich teile da die Meinung der eben ja gehörten Dr. Götz aus München, die dortige Richterin am Oberlandesgericht. Das ist in Deutschland immer ein Problem, denn Deutsche, anders als andere Europäer, haben ein ganz großes Ordnungsbedürfnis bei Namen, was eben andere Länder, unsere Nachbarländer so nicht kennen. Das ging ja schon los damit, als die Frage akut wurde, darf man überhaupt einen Doppelnamen bilden, und vor allen Dingen, welchen Namen darf ich denn voranstellen. Jedes Mal kamen die Ordnungshüter und sagten, das geht erstens gar nicht und zweitens kann es nicht sein, dass ich den Namen X oder Y voranstelle, denn dann ist man ja nicht mehr auffindbar im Telefonbuch und sonstigen Registern.

    Meurer: Gehört Brigitte Zypries jetzt auch den Ordnungshüterinnen?

    Peschel-Gutzeit: Ja, das habe ich wohl gehört, aber das gehört ja vielleicht auch zu ihrem Amt dazu. Ich weiß es nicht. - Jedenfalls: Sie haben mich gefragt, nicht nur wie ich es selbst finde, sondern ob es für mich eine Frage der Gleichberechtigung ist, und das ist sie nun allemal, denn die einschlägige Vorschrift des Paragraphen 1355 im BGB ist eine der heiß umstrittensten Fragen überhaupt gewesen. Es ist kurz anmoderiert: In 50 Jahren hat es hier eine Menge von immer wieder versuchten Änderungen gegeben, und jede Änderung war ihrerseits wieder verfassungswidrig. So ist es ja auch zu der jetzigen Regelung gekommen. Das Bundesverfassungsgericht musste ja auch da erst einmal wieder Anfang der 90er-Jahre sagen, es geht nicht, dass wir einem Ehegatten die Führung des bisherigen Namens untersagen. Und dann hat ja, wie es anmoderiert worden ist, die Kohl-Regierung zwei, drei Jahre später gesagt, okay, dann können wir es nicht ändern und lassen so, wie jetzt die Regel ist, es zu, dass jeder bei einer Eheschließung seinen Namen behalten kann.

    Meurer: Jetzt geht es ja in einem der Fälle darum, dass eine Frau, die einen einfachen Namen hat, in zweiter Ehe einen Doppelnamensträger heiratet. Das macht eben in der Summe drei Nachnamen. Aber wo zieht man da die Grenze, bei drei oder vier Nachnamen, bei mehr?

    Peschel-Gutzeit: Ich glaube, man muss überhaupt keine Grenze ziehen, denn dieser Fall ist ja insofern symptomatisch: beide Eheleute sind beruflich selbständig, sind bekannt unter ihrem jeweiligen Namen. Also muss es ja eine Möglichkeit geben, diese Namen so zu kombinieren, dass beide noch erkennbar sind, und das ist ja auch der Grund in diesem Fall. Die Zahnärztin möchte erkannt werden unter ihrem bisherigen Berufsnamen. Wenn solche Voraussetzungen da sind, dann sehe ich überhaupt keinen Grund, dies qua Gesetz zu untersagen. Das Horrorgemälde, dass ich dann einen sechs-, acht- oder zehngliedrigen Nachnamen schließlich habe, das kann man natürlich durch Gesetz unterbinden, und ich kann mir gut vorstellen, dass das Bundesverfassungsgericht einen solchen Weg auch geht.

    Meurer: Wie unterbinden, mit einer Höchstgrenze eben doch, oder?

    Peschel-Gutzeit: Vielleicht eine Höchstgrenze, vielleicht kann man aber sich auch vorstellen, dass eine Bildung von mehrgliedrigen Namen, die über drei oder vier Glieder hinausgehen, besonders begründet werden muss, dass man nicht einfach sagen kann, ich bilde jetzt einen sechs- oder achtgliedrigen Namen, sondern dafür muss es Gründe geben, solche, die ich eben nannte, zum Beispiel berufliche Gründe. Ich glaube, dass man hier einen Weg der Vernunft finden kann. Auf keinen Fall kann es meines Erachtens so bleiben, dass man sagt, ab zwei Namen ist Schluss. Das kann man überhaupt nicht begründen, außer dass man zum Beispiel sagt, das wird in der Bürokratie alles etwas umständlich. Das wird es natürlich, aber dieses Problem haben vor allen Dingen die Namensträger selbst. Wer wie ich einen Doppelnamen, nur einen Doppelnamen hat, weiß schon, dass jede Unterschrift länger dauert, dass jedes Melden am Telefon länger dauert, wie die Berliner sagen, "nu quatschen se kene Oper", wenn man sich meldet. Das heißt also, das ist alles etwas, woran man sich ohne weiteres gewöhnt.

    Meurer: Sie würden es in Kauf nehmen, auch für die Gleichberechtigung, wie ich herausgehört habe. Jetzt habe ich nicht die genaue aktuelle Zahl, aber die weitaus meisten Frauen entscheiden sich in Deutschland immer noch dafür, wenn sie heiraten, ihren Nachnamen abzugeben. Sind die selbstbewusst, oder stagniert die Gleichberechtigung hier?

    Peschel-Gutzeit: Das sind natürlich eher so Spekulationen, die man anstellt. Man weiß ja die Gründe nicht. Das kann zum Beispiel auch damit zusammenhängen, dass ein Mädchenname, wie Sie ihn nannten, also Geburtsname, ein Allerweltsname ist und man ist ganz froh, wenn man den los wird. Es kann auch ein Name sein, der nicht schön klingt. Oder der Männername kann ein sehr bekannter Name sein, den man gerne übernimmt. Da müsste man sehr genau hineingucken in die Motivation, warum ich den Namen des anderen annehme. Es gab zum Beispiel in Süddeutschland einen sehr bekannt, berühmt gewordenen Fall, der Jahrzehnte zurückliegt. Da heiratete eine Gräfin Zeppelin - das ist nun wirklich ein sehr bekannter Name - einen Herrn Müller und sie wollte einfach nicht Müller heißen, weil sie unter Gräfin Zeppelin auch geschäftlich bekannt war. Das war damals nicht möglich; der Ausweg war der Künstlername. Da sieht man doch: Nehmen Sie mal an, Frau Müller hätte den Grafen Zeppelin geheiratet, dann nimmt sie natürlich dessen Namen an, weil der interessanter ist.

    Meurer: Das Bundesverfassungsgericht befasst sich heute mit dem deutschen Namensrecht. Ich sprach mit Lore Maria Peschel-Gutzeit, früher Justizsenatorin in Hamburg und Berlin. Schönen Dank, Frau Peschel-Gutzeit, und auf Wiederhören.

    Hinweis der Online-Redaktion: Nach dem Gespräch wurde die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in diesem Fall bekannt.