Wimmer: Ja, guten Morgen nach Köln.
Capellan: Herr Wimmer, halten Sie es für falsch, dass die Europäische Union nun den Forderungen von Präsident Putin , dass dieser EU-Russland-Gipfel nach Brüssel verlegt wurde?
Wimmer: Man sollte das jetzt vielleicht nicht so hoch hängen, was da zwischen Kopenhagen, Brüssel und Moskau gelaufen ist. Ich glaube aber schon, dass der dänische Kollege auf einen Punkt sehr richtig aufmerksam gemacht hat. Wir haben einen Mangel an internationaler Diskussion über die Konfliktfelder, die wir mit uns in Europa und auf dem Kontinent herumschleppen. Deswegen wäre es gut gewesen, eine Veranstaltung wie in Kopenhagen durchziehen zu können und trotzdem das Treffen zwischen der Europäischen Union und der russischen Föderation in Kopenhagen zu haben, weil das auch deutlich machen würde, dass die Dinge zwischen der Europäischen Union und der russischen Föderation solider sind, als es in diesen doch sehr starken und lauten Worten aus Moskau zum Ausdruck kommt.
Capellan: Also hätten sich die Europäer nicht ganz klar hinter diese Veranstaltung stellen müssen?
Wimmer: Nein, das muss man nicht, denn die Veranstaltung ist von einer dänischen Partei gemacht worden, die eine bedeutende Rolle in Dänemark spielt. Aber die Europäische Union ist von Substanz und wird zwar auch von Sozialisten aus Dänemark mit beeinflusst, aber man muss sich da nicht auf eine Position stellen, dass man etwas, was in Kopenhagen geschieht, dann automatisch zur eigenen Sache macht. Insoweit muss die Europäische Union auch selber entscheiden, was zweckmäßig ist.
Capellan: Wenn nun immer wieder gesagt wird, auch von deutscher Seite, wir brauchen die politische Lösung, und wenn man dann die unnachgiebige Haltung Putins sieht, muss man dann nicht befürchten, dass es bei diesen Forderungen bei leeren Floskeln bleibt?
Wimmer: Ja, das ist vielleicht auch mit Dingen der Vergangenheit zu kommentieren. Die Tschetschenen hätten ja nach dem Ende des ersten Tschetschenien-Konfliktes durchaus die Möglichkeit gehabt, eine eigenständige und bestimmt auch aus unserer Sicht wünschenswerte Entwicklung nehmen zu können, wenn sie nicht alles getan hätten, um diesen ersten Erfolg selber zu torpedieren und auch dazu beizutragen, die ganze Region mit anzustecken. Das sind ja Dinge, die man hier bei uns in Westeuropa auch nicht verstanden hat, und es ist vielleicht für uns auch schwer zu verstehen und auch nicht immer nachzuvollziehen, dass in der Tschetschenien-Angelegenheit viele mitmischen. Das waren auf der einen Seite die Taliban aus Afghanistan, das sind die Golf-Staaten, denen man ja nachsagt, dass sie den ersten Tschetschenien-Krieg jährlich mit rund zwei Milliarden US-Dollar finanziert haben, das sind Kräfte aus der Türkei und aus Jordanien. Hier mischen also viele mit und nicht nur das bedauernswerte Volk der Tschetschenen, das über Hunderte und mehr Jahre so intensiv gelitten hat, ist im Mittelpunkt von Überlegungen, sondern auch strategische Interessen Dritter. Leider werden die auch auf dem Rücken des tschetschenischen Volkes mit ausgetragen und auch die Tschetschenen selber verhalten sich nicht so, dass man in Westeuropa dafür Verständnis haben muss. Sie hätten nach dem ersten Tschetschenien-Krieg eine Möglichkeit der eigenständigen Entwicklung gehabt und haben es in den Wind geschlagen. Dann kann ich natürlich auch Vorwürfe nicht nur an die russische Adresse richten, sondern muss sehen, was die Tschetschenen selber gemacht haben, wobei wenn wir es mit den Staaten östlich von uns zu tun haben – das haben wir ja auch schon im Balkan-Krieg gesehen – vielfach unsere Argumentation die ist, dass sie in der Wahl der Mittel zu exzessiv sind und das in Westeuropa gewohnte Maß, zum Beispiel aus Nord-Irland, selber nicht verwirklichen und deshalb bei uns unter Kritik geraten.
Capellan: Dennoch auch an Sie die Frage, Herr Wimmer: Können die Europäer mit Blick auf eine friedliche Lösung irgend etwas bewirken, wenn der amerikanische weiterhin auf Seiten Putins steht?
Wimmer: Wir müssen, ob Herr Bush auf der Seite von wem auch immer steht, unsere eigene Position in diesem Zusammenhang klar und deutlich machen, denn wir werden auch eher als die Vereinigten Staaten oder andere in Konflikte dieser Art hereingezogen, denn das strategische Interesse – ich sage es mal jetzt etwas grob – aus dem Süden unseres Kontinents besteht, was die russische Föderation anbetrifft, darin, die etwa in der Höhe von Kasachstan zu teilen. Ein geteiltes Russland wird unglaubliche Folgen für Westeuropa mit sich bringen, und deswegen ob wir das wollen oder nicht, ob wir nach Washington schielen oder nicht, wir müssen unsere eigene Position deutlich machen, denn das Schicksal des gemeinsamen Kontinents ist unser Schicksal. Da muss man schon seine Position haben.
Capellan: Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Kaukasus-Kenner Willy Wimmer heute Morgen im Deutschlandfunk. – Herr Wimmer, haben Sie vielen Dank und auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio
Capellan: Herr Wimmer, halten Sie es für falsch, dass die Europäische Union nun den Forderungen von Präsident Putin , dass dieser EU-Russland-Gipfel nach Brüssel verlegt wurde?
Wimmer: Man sollte das jetzt vielleicht nicht so hoch hängen, was da zwischen Kopenhagen, Brüssel und Moskau gelaufen ist. Ich glaube aber schon, dass der dänische Kollege auf einen Punkt sehr richtig aufmerksam gemacht hat. Wir haben einen Mangel an internationaler Diskussion über die Konfliktfelder, die wir mit uns in Europa und auf dem Kontinent herumschleppen. Deswegen wäre es gut gewesen, eine Veranstaltung wie in Kopenhagen durchziehen zu können und trotzdem das Treffen zwischen der Europäischen Union und der russischen Föderation in Kopenhagen zu haben, weil das auch deutlich machen würde, dass die Dinge zwischen der Europäischen Union und der russischen Föderation solider sind, als es in diesen doch sehr starken und lauten Worten aus Moskau zum Ausdruck kommt.
Capellan: Also hätten sich die Europäer nicht ganz klar hinter diese Veranstaltung stellen müssen?
Wimmer: Nein, das muss man nicht, denn die Veranstaltung ist von einer dänischen Partei gemacht worden, die eine bedeutende Rolle in Dänemark spielt. Aber die Europäische Union ist von Substanz und wird zwar auch von Sozialisten aus Dänemark mit beeinflusst, aber man muss sich da nicht auf eine Position stellen, dass man etwas, was in Kopenhagen geschieht, dann automatisch zur eigenen Sache macht. Insoweit muss die Europäische Union auch selber entscheiden, was zweckmäßig ist.
Capellan: Wenn nun immer wieder gesagt wird, auch von deutscher Seite, wir brauchen die politische Lösung, und wenn man dann die unnachgiebige Haltung Putins sieht, muss man dann nicht befürchten, dass es bei diesen Forderungen bei leeren Floskeln bleibt?
Wimmer: Ja, das ist vielleicht auch mit Dingen der Vergangenheit zu kommentieren. Die Tschetschenen hätten ja nach dem Ende des ersten Tschetschenien-Konfliktes durchaus die Möglichkeit gehabt, eine eigenständige und bestimmt auch aus unserer Sicht wünschenswerte Entwicklung nehmen zu können, wenn sie nicht alles getan hätten, um diesen ersten Erfolg selber zu torpedieren und auch dazu beizutragen, die ganze Region mit anzustecken. Das sind ja Dinge, die man hier bei uns in Westeuropa auch nicht verstanden hat, und es ist vielleicht für uns auch schwer zu verstehen und auch nicht immer nachzuvollziehen, dass in der Tschetschenien-Angelegenheit viele mitmischen. Das waren auf der einen Seite die Taliban aus Afghanistan, das sind die Golf-Staaten, denen man ja nachsagt, dass sie den ersten Tschetschenien-Krieg jährlich mit rund zwei Milliarden US-Dollar finanziert haben, das sind Kräfte aus der Türkei und aus Jordanien. Hier mischen also viele mit und nicht nur das bedauernswerte Volk der Tschetschenen, das über Hunderte und mehr Jahre so intensiv gelitten hat, ist im Mittelpunkt von Überlegungen, sondern auch strategische Interessen Dritter. Leider werden die auch auf dem Rücken des tschetschenischen Volkes mit ausgetragen und auch die Tschetschenen selber verhalten sich nicht so, dass man in Westeuropa dafür Verständnis haben muss. Sie hätten nach dem ersten Tschetschenien-Krieg eine Möglichkeit der eigenständigen Entwicklung gehabt und haben es in den Wind geschlagen. Dann kann ich natürlich auch Vorwürfe nicht nur an die russische Adresse richten, sondern muss sehen, was die Tschetschenen selber gemacht haben, wobei wenn wir es mit den Staaten östlich von uns zu tun haben – das haben wir ja auch schon im Balkan-Krieg gesehen – vielfach unsere Argumentation die ist, dass sie in der Wahl der Mittel zu exzessiv sind und das in Westeuropa gewohnte Maß, zum Beispiel aus Nord-Irland, selber nicht verwirklichen und deshalb bei uns unter Kritik geraten.
Capellan: Dennoch auch an Sie die Frage, Herr Wimmer: Können die Europäer mit Blick auf eine friedliche Lösung irgend etwas bewirken, wenn der amerikanische weiterhin auf Seiten Putins steht?
Wimmer: Wir müssen, ob Herr Bush auf der Seite von wem auch immer steht, unsere eigene Position in diesem Zusammenhang klar und deutlich machen, denn wir werden auch eher als die Vereinigten Staaten oder andere in Konflikte dieser Art hereingezogen, denn das strategische Interesse – ich sage es mal jetzt etwas grob – aus dem Süden unseres Kontinents besteht, was die russische Föderation anbetrifft, darin, die etwa in der Höhe von Kasachstan zu teilen. Ein geteiltes Russland wird unglaubliche Folgen für Westeuropa mit sich bringen, und deswegen ob wir das wollen oder nicht, ob wir nach Washington schielen oder nicht, wir müssen unsere eigene Position deutlich machen, denn das Schicksal des gemeinsamen Kontinents ist unser Schicksal. Da muss man schon seine Position haben.
Capellan: Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Kaukasus-Kenner Willy Wimmer heute Morgen im Deutschlandfunk. – Herr Wimmer, haben Sie vielen Dank und auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio