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"Man spürte so eine sehr angespannte Atmosphäre"

Proteste beim Weltjugendtag seien für sie nichts Neues, berichtet die Studentin und Bloggerin Franziska Broich aus Madrid. Auch auf dem Treffen 2008 in Sydney habe es Demonstrationen gegeben. Doch "gerade mit den Demos" kämen auch kritische Fragen hervor, die man gemeinsam diskutiere.

Franziska Broich im Gespräch mit Jasper Barenberg | 18.08.2011
    Jasper Barenberg: Überall in Madrid wurden Schulen, Sporthallen und Gemeindezentren zu provisorischen Herbergen umfunktioniert, anders wären die geschätzt halbe Million junger Leute aus aller Welt auch gar nicht unterzubringen. Die alle sind zum Weltjugendtag in der katholischen Kirche angereist und seit vorgestern bevölkern sie die Straßen der spanischen Hauptstadt. Unter den Pilgern sind auch viele Tausend aus Deutschland, aus dem Bergischen Land zum Beispiel hat sich die Studentin Franziska Broich auf den Weg gemacht. Sie erlebt nach Köln 2005 und nach Sydney 2008 ihren dritten Weltjugendtag, außerdem sammelt sie unter den Pilgern aus dem Erzbistum Köln Eindrücke für ihren Blog im Netz. Jetzt ist sie erst mal am Telefon. Guten Morgen nach Madrid!

    Franziska Broich: Guten Morgen!

    Barenberg: Frau Broich, wir haben heute Morgen berichtet über Proteste, die es gestern Abend in Madrid gegeben hat; Tausende haben demonstriert gegen den Weltjugendtag. Der Vorwurf: Zu viel Geld würde dafür ausgegeben, zu viel Geld auch für den Steuerzahler in Spanien in Zeiten der Krise. Haben Sie irgendetwas mitbekommen von diesen Protesten?

    Broich: Ja, das habe ich schon, und zwar war auf dem zentralen Platz, der Plaza del Sol, eine sehr große Demonstration, wo auch sehr viel Polizei war, sehr viele Pilger, und man spürte so eine sehr angespannte Atmosphäre. Wir haben uns da getroffen mit einer anderen Gruppe, haben dann aber versucht, auch schnell wegzukommen, weil wir merkten, das ist irgendwie alles nicht so sicher, und sind zu einer anderen Station gegangen, und später, als wir dann nach Hause gefahren sind, war auch Plaza del Sol, die Metrostation, gesperrt. Man konnte dort nicht mehr umsteigen. Wir mussten also eine andere Route nehmen. Und hier in der Unterkunft, als wir angekommen sind, wurden wir natürlich auch gefragt, ob unsere Gruppe schon da ist, weil die Betreuer sich ja auch ein bisschen Sorgen gemacht haben, dass alle Pilger wieder heil hier ankommen.

    Barenberg: Sind Sie überrascht, dass es überhaupt Kritik gibt, dass es Proteste gibt gegen die Veranstaltung, auf die Sie sich, schätze ich mal, so gefreut haben?

    Broich: Nein, da bin ich eigentlich nicht überrascht, das kenne ich schon aus Australien. Da gab es auch Proteste. Ich habe das da nicht so erlebt, dass es so eine angespannte Spannung ist, das stand auch nicht so im Mittelpunkt wie hier. Aber das habe ich auch schon erlebt, dass es da Proteste gab. Und das hat man ja auch schon vorher gehört, dass die Lage hier in Spanien etwas angespannt ist, dass da immer wieder Demonstrationen sind, da habe ich schon auch mit gerechnet.

    Barenberg: Es gibt ja überhaupt Proteste und Demonstrationen von vielen Jugendlichen in Spanien in diesen Wochen. Berührt Sie das in irgendeiner Weise, haben Sie Kontakt zu diesen Leuten? Haben Sie sie getroffen in Madrid? Oder ist das doch eine ganz andere Veranstaltung?

    Broich: Ja, natürlich trifft man sie auch in der Bahn oder im Starbucks, wenn man da was trinken geht, und unterhält sich kurz mit denen. Und natürlich berührt mich das auch, wenn die Lage von denen so schlecht hier ist. Auf der anderen Seite denke ich jetzt: Der Weltjugendtag ist eine ganz tolle Sache, dass Leute eigentlich dadurch nicht unbedingt so sehr gestört werden. Ich hoffe, dass jetzt die nächsten Veranstaltungen relativ gut ablaufen können, auch trotz der Demonstrationen, weil das ja schade wäre, es sind so viele Pilger hier. Und es ist eigentlich ein sehr friedliches Miteinander.

    Barenberg: Heute wird Papst Benedikt erwartet in Madrid. Welche Rolle spielt die Anwesenheit des Papstes für Sie bei dieser Veranstaltung?

    Broich: Für mich persönlich spielt die jetzt nicht so eine große Rolle, weil ich denke, dass eigentlich eher die Begegnung hier mit den Pilgern für mich wichtiger ist, die vielen Fahnen und die Leute, die fragen, aus welchem Land kommst du, mit denen man sich unterhält, auch über die Probleme, die es vielleicht dort gibt in der Kirche, und mit denen man zusammen eine Messe feiert. Das ist für mich dann doch besser, weil der Papst ja doch weiter weg ist. Man sieht ihn ja nur aus der Ferne auf der Leinwand. Das ist zwar auch schön, dann mit dem eine Messe zu feiern, aber das ist für mich etwas, was an der Seite so geschieht. Aber das Wichtigste für mich ist schon, auf die Straße zu gehen und mit den Jugendlichen da zu reden, zu tanzen, zu singen.

    Barenberg: Mit dem Begriff Generation Benedetto können Sie also eher nichts anfangen?

    Broich: Nein, nicht unbedingt. Das liegt vielleicht auch daran: Ich glaube, die Deutschen sind da auch noch ein bisschen kritischer als so mancher Italiener, die hier mit Benedetto-Schreien durch die Straße laufen, das haben wir ja gestern schon erlebt, auch während der Demo, dass die da richtig Gegenstimmung gemacht haben. Aber das waren eigentlich meist wirklich Italiener, und Deutsche hat man da selten gesehen.

    Barenberg: Jetzt gehe ich mal davon aus, dass Sie auch zuhause Kontakt haben, zusammen sind mit anderen Jugendlichen christlichen Glaubens. Was macht denn jetzt in Madrid zum Beispiel den Unterschied aus?

    Broich: Ich glaube, das ist einfach eine ganz besondere Erfahrung, hier so in einer Turnhalle zu schlafen und das mitzubekommen, wie viele junge Menschen hier sind. Ich bin mit einer Gruppe von 16 Jugendlichen hier, manche sind auch noch ein bisschen jünger, und einfach so viele Leute zu sehen, die alle das Gleiche glauben. Zuhause sind ja oft nur ganz wenige, oder da muss man sich rechtfertigen dafür, wenn man glaubt, und hier ist das was ganz normales, und das verbindet uns alle, und das ist, glaube ich, das Tolle, dass man das mal spürt, man ist da gar nicht alleine.

    Barenberg: Fühlen Sie sich zuhause schon als eine Art Minderheit?

    Broich: Minderheit würde ich nicht direkt sagen, aber, ja ... es ist schon so, dass nicht mehr sehr viele Leute in die Kirche gehen, oder gerade junge Leute, da gibt es nicht viele.

    Barenberg: Wenn Sie jemanden treffen, der keinen Glauben hat, was würden Sie ihm sagen, was kann der katholische Glauben heutzutage vermitteln?

    Broich: Ja, wenn der erst mal keinen Glauben hat, würde ich den jetzt, glaube ich, nicht bekehren wollen. Das ist ja schon so seine Sache. Vermitteln, denke ich, kann er auf jeden Fall Gemeinschaft, und dass man sich dort geborgen fühlt und mit den Leuten was macht und einfach netten Kontakt hat, das merke ich auch hier wieder. Man versteht sich einfach mit den meisten Leuten echt sehr gut und kommt in nette Gespräche, und ich denke, das kann man daraus schöpfen, aber ja, es ist jetzt keine Missionierung oder so was.

    Barenberg: Der Bund der katholischen Jugend in Deutschland hat ein wenig kritisiert, dass es vor allem um eine Art Event geht und dass zu wenig auf die kritischen Fragen und Themen angesprochen wird auf dem Weltjugendtag. Sehen Sie das auch so?

    Broich: Ich denke, gerade mit den Demos kommen ja auch die kritischen Fragen hervor, und das ist zwar jetzt nicht ins Programm integriert, aber das wirft schon Fragen auf, und wir unterhalten uns da hier auch in der Gruppe darüber, und zum Beispiel auch gestern in der Katechese gibt es da immer so eine Frage und Antwort mit dem Bischof. Und da hat auch ein Mädchen gefragt: Warum verbietet die Kirche die Abtreibung in Situationen wie Vergewaltigung und so was? So was wird hier schon besprochen, offen angesprochen, und die Geistlichen geben da auch Antwort und versuchen, das zu erklären.

    Barenberg: Wie werden Sie denn ihre Tage jetzt bis Sonntag gestalten?

    Broich: Heute werde ich noch mal zur Katechese gehen, und heute Abend dann auch sicher zur Papst-Ankunft, mal da vorbeischauen, und morgen findet ein Kreuzweg statt in der ganzen Stadt, wo wir auch mit unserer Gruppe hingehen werden, und ab Samstag sind wir dann auf dem spanischen Marienfest, sage ich einfach mal, und werden da die Vigilfeier feiern und auch dort schlafen, und am Sonntag den Abschlussgottesdienst haben.

    Barenberg: Ein Gespräch über den katholischen Weltjugendtag in Madrid. Vielen Dank, Franziska Broich!

    Broich: Tschüss!

    Barenberg: Danke, tschüss!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Tausdende Spanier protestieren in Madrid gegen den Besuch von Papst Benedikt XVI. anlässlich des Weltjugendtages
    Tausdende Spanier protestierten gegen den Besuch von Papst Benedikt XVI. anlässlich des Weltjugendtages (AP / Daniel Ochoa de Olza)