Christian Schütte: Blendende Geschäfte, Versicherungs- und Bankdienstleistung aus einer Hand, das war die Vision des Allianz-Konzerns, als dieser vor sieben Jahren die Dresdner Bank gekauft hat - für etwa 24,5 Milliarden Euro. Doch aus diesem Traum ist die Allianz recht schnell aufgewacht und musste sich eingestehen: um in einer Bank Versicherungen zu verkaufen, dazu muss man keine Bank besitzen. Nun wird die Dresdner Bank weiterverkauft: an die Commerzbank. Die Aufsichtsräte beider Unternehmen haben sich gestern auf eine schrittweise Übernahme geeinigt. Der Kaufpreis liegt bei 9,8 Milliarden Euro. Aber was ist der wahre Preis und wer zahlt ihn? - Am Telefon begrüße ich Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums in München. Guten Morgen, Herr Gerke!
Wolfgang Gerke: Guten Morgen, Herr Schütte!
Schütte: Was verspricht sich Ihrer Einschätzung nach die Commerzbank von der Übernahme der Dresdner?
Gerke: Die Commerzbank stand jede Woche in der Diskussion, wer sie kaufen würde, und damit ist jetzt mal Schluss. Sie ist so schwer geworden, dass das Kaufen keinen Spaß macht. Das ist sicherlich das vordergründige Ziel. Aber noch wichtiger ist, dass die Commerzbank hofft, Kosten zu sparen, effizient zu werden und im Markt einer der ganz großen zu sein, und das gelingt ihr ja auch. Sie ist immerhin die zweitgrößte deutsche Bank damit. Nur: Das Ziel ist noch nicht erreicht. Die Fusion alleine - das haben wir ja bei der Dresdner gesehen, das haben wir bei der Hypo Vereinsbank gesehen - macht es noch nicht. Schwierig ist das darauf folgende Fusionsmanagement, dahin zu kommen, dass es ein rentables Institut wird.
Schütte: Nun bedienen beide Banken, also die Commerzbank und die Dresdner, ähnliche Geschäftsfelder. Das heißt zum Beispiel Anlageprodukte für Privatkunden, Kredite für mittelständische Unternehmen. Worin besteht denn der strategische Zugewinn für die Commerzbank im Sinne einer Erweiterung?
Gerke: Das ist ein Vor- und ein Nachteil. Man bewegt sich in einem Geschäftsfeld, von dem man wirklich was versteht, und das ist der gewaltige Vorteil dabei. Man gewinnt die größeren Marktanteile; das ist der zweite Vorteil. Der Nachteil gilt hauptsächlich für die Mitarbeiter. Wenn man die gleichen Geschäftsfelder hat, dann hat man zum Teil hinterher Personal doppelt, in der Zentrale, aber auch in den vielen Zweigstellen. Man wird Zweigstellen schließen müssen, die sich beispielsweise direkt gegenüber liegen. Das ist sehr schwierig durchzuführen, ist schmerzhaft und da muss man Kulturen zusammenführen, denn vorher war man im Markt letzten Endes ein ganz scharfer Konkurrent und jetzt plötzlich soll man eine Einheit sein. Das ist eine Herausforderung; die wird die nächsten zwei, drei Jahre wirklich die Bank voll beschäftigen.
Schütte: Auf die Konsequenzen für die Beschäftigten werden wir gleich noch einmal genauer eingehen. Zunächst noch einmal: Vor acht Jahren ist ja eine Fusion zwischen der Dresdner Bank und der Commerzbank gescheitert. Was ist denn heute anders?
Gerke: Sicherlich ist in der Zwischenzeit der Druck auf beide Institute noch gewachsen, sich im Markt zu behaupten. Die Konkurrenz ist enorm scharf. Viele ausländische, insbesondere auch europäische Banken drängen in den deutschen Bankenmarkt hinein. Es ist deutschen Banken nicht ähnlich gelungen, sich in Frankreich beispielsweise zu platzieren. Da ist es wichtig, dass man sich im Markt gut aufstellt, um vielleicht in Zukunft auch diesen Schritt gehen zu können. Das heißt also, hier findet ein Schritt in die Konsolidierung statt. Dennoch: Stärkste Bankengruppe gerade im Privatkundenbereich bleiben die Sparkassen und dann die Genossenschaftsbanken.
Schütte: Die Dresdner Bank wollte damals vor acht Jahren einen partnerschaftlichen Zusammenschluss. Ist der Eindruck richtig, dass die Dresdner jetzt kein gleichberechtigter handelnder Partner ist, sondern Verkaufsobjekt, über das verhandelt wurde?
Gerke: Das ist völlig richtig und das macht es auf der anderen Seite auch leichter. Die erste Geige spielt eindeutig das Management der Commerzbank. Dieses hat ja dann auch diesmal nicht so mit der Dresdner Bank intensiv verhandeln können und müssen, sondern mit der Allianz, die das Sagen bei der Dresdner Bank hatte. Insofern haben sich da die Karten doch sehr zu Gunsten der Commerzbank geändert, was aus damaliger Sicht keineswegs eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre.
Schütte: Das heißt, die Dresdner Bank und die Beschäftigten sind gewissermaßen die Verlierer dieser Fusion. 9000 Stellen werden möglicherweise wegfallen. So hören wir. Hätten diese Arbeitsplätze möglicherweise erhalten bleiben können, wenn die Dresdner an die China Development Bank verkauft worden wäre, die sich ja ebenfalls interessiert hatte?
Gerke: Ich glaube, kurzfristig auf jeden Fall, denn die chinesische Bank hätte ja das Geschäft in Deutschland aufbauen müssen. Das heißt also, sie hätte diese Mitarbeiter dringend gebraucht. Sie hätte nicht so viele Doppelbesetzungen gehabt und das Personal der Dresdner ist ja sowieso schon stark reduziert worden. Insofern wäre das auf jeden Fall personalschonender gewesen. Für den deutschen Finanzplatz auf der anderen Seite wäre es ein zusätzliches ausländisches Kreditinstitut geworden, das hier in Deutschland deutschen Banken versucht, Geschäft wegzunehmen, und das ist nun mal der internationale Wettbewerb. Ich glaube dennoch, dass die Allianz nicht politisch gehandelt hat, sondern dass sie überlegt hat, dass sie über den zukünftigen Absatzkanal der Commerzbank dann sehr gut weiterhin ihre Versicherungsprodukte verkaufen kann.
Schütte: Worauf werden sich denn jetzt die Kunden, also die Geschäfts- und Privatkunden der Dresdner Bank einstellen müssen?
Gerke: Es wird sich dort nicht viel ändern. Vielleicht wird man sogar das Logo eine Zeit lang belassen, um die Kunden nicht zu verschrecken. Der Wettbewerb ist so scharf, dass man im Markt nur bestehen kann, wenn man konkurrenzfähige Konditionen bietet, gute Qualität in der Beratung hat. Hier kann man eigentlich nur sagen, dass die Hoffnung besteht, dass die Kunden noch besser bedient werden. Wenn die Qualität der Dienstleistung schlechter wird, dann werden die Kunden schnell mit den Füßen abstimmen.
Schütte: Es entsteht eine neue Großbank. Mit welchen Auswirkungen für die deutsche Bankenlandschaft insgesamt?
Gerke: Man darf jetzt die Auswirkungen nicht überschätzen. Es entsteht die zweitgrößte Bank mit einer Bilanzsumme von 1,1 Milliarden. Aber der Sektor wird gerade im Privatkundengeschäft geprägt durch die sehr starken Sparkassen bei uns und durch die Genossenschaftsbanken, die ja auch in der Region beide viel intensiver vertreten sind. Insofern: Es ist ein Schritt in die weitere Konsolidierung hinein, aber es ist jetzt nicht ein Big Bang des deutschen Kreditgewerbes. Vor allen Dingen ist im öffentlichen Bankensektor bei den Landesbanken noch ein Riesen Konsolidierungsbedarf da. Wir brauchen diese vielen Landesbanken nicht. Das hat sich gezeigt. Die arbeiten auch nicht effizient. Wir brauchen letzten Endes für die Sparkassen nur eine große Landesbank.
Schütte: Die Branche ist im Umbruch, sagen Sie. Ein Konsolidierungskurs. Das heißt, es werden auch künftig vermutlich einige Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen im Bankensektor?
Gerke: Davon gehe ich leider aus.
Schütte: In welchem Ausmaß?
Gerke: Das ist ein Prozess, der sich über Jahre hinweg erstreckt. Das genau zu quantifizieren, ist sehr schwierig. Unter dem Strich ist davon auszugehen, dass jedes Jahr weiterhin Arbeitsplätze erst einmal verloren gehen.
Schütte: Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums in München. Vielen Dank für das Gespräch.
Wolfgang Gerke: Guten Morgen, Herr Schütte!
Schütte: Was verspricht sich Ihrer Einschätzung nach die Commerzbank von der Übernahme der Dresdner?
Gerke: Die Commerzbank stand jede Woche in der Diskussion, wer sie kaufen würde, und damit ist jetzt mal Schluss. Sie ist so schwer geworden, dass das Kaufen keinen Spaß macht. Das ist sicherlich das vordergründige Ziel. Aber noch wichtiger ist, dass die Commerzbank hofft, Kosten zu sparen, effizient zu werden und im Markt einer der ganz großen zu sein, und das gelingt ihr ja auch. Sie ist immerhin die zweitgrößte deutsche Bank damit. Nur: Das Ziel ist noch nicht erreicht. Die Fusion alleine - das haben wir ja bei der Dresdner gesehen, das haben wir bei der Hypo Vereinsbank gesehen - macht es noch nicht. Schwierig ist das darauf folgende Fusionsmanagement, dahin zu kommen, dass es ein rentables Institut wird.
Schütte: Nun bedienen beide Banken, also die Commerzbank und die Dresdner, ähnliche Geschäftsfelder. Das heißt zum Beispiel Anlageprodukte für Privatkunden, Kredite für mittelständische Unternehmen. Worin besteht denn der strategische Zugewinn für die Commerzbank im Sinne einer Erweiterung?
Gerke: Das ist ein Vor- und ein Nachteil. Man bewegt sich in einem Geschäftsfeld, von dem man wirklich was versteht, und das ist der gewaltige Vorteil dabei. Man gewinnt die größeren Marktanteile; das ist der zweite Vorteil. Der Nachteil gilt hauptsächlich für die Mitarbeiter. Wenn man die gleichen Geschäftsfelder hat, dann hat man zum Teil hinterher Personal doppelt, in der Zentrale, aber auch in den vielen Zweigstellen. Man wird Zweigstellen schließen müssen, die sich beispielsweise direkt gegenüber liegen. Das ist sehr schwierig durchzuführen, ist schmerzhaft und da muss man Kulturen zusammenführen, denn vorher war man im Markt letzten Endes ein ganz scharfer Konkurrent und jetzt plötzlich soll man eine Einheit sein. Das ist eine Herausforderung; die wird die nächsten zwei, drei Jahre wirklich die Bank voll beschäftigen.
Schütte: Auf die Konsequenzen für die Beschäftigten werden wir gleich noch einmal genauer eingehen. Zunächst noch einmal: Vor acht Jahren ist ja eine Fusion zwischen der Dresdner Bank und der Commerzbank gescheitert. Was ist denn heute anders?
Gerke: Sicherlich ist in der Zwischenzeit der Druck auf beide Institute noch gewachsen, sich im Markt zu behaupten. Die Konkurrenz ist enorm scharf. Viele ausländische, insbesondere auch europäische Banken drängen in den deutschen Bankenmarkt hinein. Es ist deutschen Banken nicht ähnlich gelungen, sich in Frankreich beispielsweise zu platzieren. Da ist es wichtig, dass man sich im Markt gut aufstellt, um vielleicht in Zukunft auch diesen Schritt gehen zu können. Das heißt also, hier findet ein Schritt in die Konsolidierung statt. Dennoch: Stärkste Bankengruppe gerade im Privatkundenbereich bleiben die Sparkassen und dann die Genossenschaftsbanken.
Schütte: Die Dresdner Bank wollte damals vor acht Jahren einen partnerschaftlichen Zusammenschluss. Ist der Eindruck richtig, dass die Dresdner jetzt kein gleichberechtigter handelnder Partner ist, sondern Verkaufsobjekt, über das verhandelt wurde?
Gerke: Das ist völlig richtig und das macht es auf der anderen Seite auch leichter. Die erste Geige spielt eindeutig das Management der Commerzbank. Dieses hat ja dann auch diesmal nicht so mit der Dresdner Bank intensiv verhandeln können und müssen, sondern mit der Allianz, die das Sagen bei der Dresdner Bank hatte. Insofern haben sich da die Karten doch sehr zu Gunsten der Commerzbank geändert, was aus damaliger Sicht keineswegs eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre.
Schütte: Das heißt, die Dresdner Bank und die Beschäftigten sind gewissermaßen die Verlierer dieser Fusion. 9000 Stellen werden möglicherweise wegfallen. So hören wir. Hätten diese Arbeitsplätze möglicherweise erhalten bleiben können, wenn die Dresdner an die China Development Bank verkauft worden wäre, die sich ja ebenfalls interessiert hatte?
Gerke: Ich glaube, kurzfristig auf jeden Fall, denn die chinesische Bank hätte ja das Geschäft in Deutschland aufbauen müssen. Das heißt also, sie hätte diese Mitarbeiter dringend gebraucht. Sie hätte nicht so viele Doppelbesetzungen gehabt und das Personal der Dresdner ist ja sowieso schon stark reduziert worden. Insofern wäre das auf jeden Fall personalschonender gewesen. Für den deutschen Finanzplatz auf der anderen Seite wäre es ein zusätzliches ausländisches Kreditinstitut geworden, das hier in Deutschland deutschen Banken versucht, Geschäft wegzunehmen, und das ist nun mal der internationale Wettbewerb. Ich glaube dennoch, dass die Allianz nicht politisch gehandelt hat, sondern dass sie überlegt hat, dass sie über den zukünftigen Absatzkanal der Commerzbank dann sehr gut weiterhin ihre Versicherungsprodukte verkaufen kann.
Schütte: Worauf werden sich denn jetzt die Kunden, also die Geschäfts- und Privatkunden der Dresdner Bank einstellen müssen?
Gerke: Es wird sich dort nicht viel ändern. Vielleicht wird man sogar das Logo eine Zeit lang belassen, um die Kunden nicht zu verschrecken. Der Wettbewerb ist so scharf, dass man im Markt nur bestehen kann, wenn man konkurrenzfähige Konditionen bietet, gute Qualität in der Beratung hat. Hier kann man eigentlich nur sagen, dass die Hoffnung besteht, dass die Kunden noch besser bedient werden. Wenn die Qualität der Dienstleistung schlechter wird, dann werden die Kunden schnell mit den Füßen abstimmen.
Schütte: Es entsteht eine neue Großbank. Mit welchen Auswirkungen für die deutsche Bankenlandschaft insgesamt?
Gerke: Man darf jetzt die Auswirkungen nicht überschätzen. Es entsteht die zweitgrößte Bank mit einer Bilanzsumme von 1,1 Milliarden. Aber der Sektor wird gerade im Privatkundengeschäft geprägt durch die sehr starken Sparkassen bei uns und durch die Genossenschaftsbanken, die ja auch in der Region beide viel intensiver vertreten sind. Insofern: Es ist ein Schritt in die weitere Konsolidierung hinein, aber es ist jetzt nicht ein Big Bang des deutschen Kreditgewerbes. Vor allen Dingen ist im öffentlichen Bankensektor bei den Landesbanken noch ein Riesen Konsolidierungsbedarf da. Wir brauchen diese vielen Landesbanken nicht. Das hat sich gezeigt. Die arbeiten auch nicht effizient. Wir brauchen letzten Endes für die Sparkassen nur eine große Landesbank.
Schütte: Die Branche ist im Umbruch, sagen Sie. Ein Konsolidierungskurs. Das heißt, es werden auch künftig vermutlich einige Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen im Bankensektor?
Gerke: Davon gehe ich leider aus.
Schütte: In welchem Ausmaß?
Gerke: Das ist ein Prozess, der sich über Jahre hinweg erstreckt. Das genau zu quantifizieren, ist sehr schwierig. Unter dem Strich ist davon auszugehen, dass jedes Jahr weiterhin Arbeitsplätze erst einmal verloren gehen.
Schütte: Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums in München. Vielen Dank für das Gespräch.