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"Managementgehälter haben mit Performance nichts mehr zu tun"

Professor Manfred Perliz, Inhaber des Lehrstuhls internationales Management an der Uni Mannheim, vermisst bei der Diskussion um Gehälter und Prämienzahlungen an Manager Ehrlichkeit. Wer gut arbeitet solle auch gut bezahlt werden, doch hätten die Manager Angst vor Transparenz. Mit diesem Verhalten handele man nicht im Sinne der Aktionäre als Eigentümer.

    Liminski: Heute steht der Deutschen Bank und dem Bankenwesen insgesamt vielleicht ein schwarzer Tag ins vornehme Haus. Der Bundesgerichtshof will sein Berufungsurteil im Mannesmann-Prozess verkünden. Nach Meinung von Insidern ist von Freispruch bis Strafe alles möglich, wahrscheinlicher aber ist, dass das Verfahren neu aufgerollt werden muss. Das ganze ist ein Stück deutsche Wirtschaftsgeschichte. Herr Perlitz, wie es aussieht, steht es nicht gut für die Angeklagten. Sollte das Gericht die Urteile kassieren, muss oder wird dann Ackermann seinen Hut nehmen? Er will ja vielleicht kämpfen, wie wir gerade gehört haben.

    Perlitz: Na ja, ich kann mir schlecht vorstellen, wenn jemand dann tatsächlich verurteilt wird, dass er weiterhin Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank bleiben kann. Ich glaube, dass dann der öffentliche Druck auf den Vorsitzenden des Vorstandes so groß wird, dass er also dann seinen Hut nehmen muss.

    Liminski: Für den Normalbürger sieht es nun so aus, als ob die Vorstände und Manager sich die Riesenbeträge in solchen Höhen nur so hin und her schieben. Ist das wirklich so? Wie ist das eigentlich im Ausland?

    Perlitz: Nun, die Sachlage in unserem Fall Mannesmann/Vodafone liegt etwas anderes als viele Dinge im Ausland. Wenn Sie mal in die USA schauen und sich mal in den USA die amerikanische Merck betrachten, dann hat der CEO 20 Millionen Gehalt bekommen und 47 Millionen Dollar Aktienoptionen trotz eines siebzigprozentigen Aktienkursverlustes in den letzten vier Jahren, oder wenn Sie an Herrn Eisner denken von Walt Disney, der bei einem Gewinneinbruch von 40 Prozent eine fünfundzwanzigprozentige Erhöhung des Bonus auf 6,25 Millionen Dollar bekam, oder wenn Sie an Global Crossing, als ein Unternehmen, der in den USA bankrott gegangen ist, dort haben sich die Manager noch Gehälter von 933 Millionen Dollar zugenehm oder Emron oder Worldcom, das heißt, dort gibt es also wirkliche Skandale, die in Amerika dann auch intensiv diskutiert werden.

    Hier in unserem Fall ist zumindest eine Sachlage gegeben, dass die Verhandlung von Herrn Esser mit Vodafone tatsächlich auch den Aktionären Milliarden an Kursteigung gebracht hat, so dass also in diesem Sinne die Sachlage von Herrn Esser anders aussieht als es vielfach in den USA bei diesen Skandalunternehmen der Fall ist. Wenn Sie nach Europa schauen und sich einmal Herrn Ollila angucken von Nokia oder Herrn Owen-Jones von L'Oreal, dann sind das die größten Wertvernichter im Eurostoxx mit Managementgehältern von 6,5 Millionen Euro, die also ebenfalls in einer ganz anderen Sachlage sind als es bei Herrn Esser der Fall war.

    Liminski: Das zentrale Problem ist also nicht die Höhe der Abfindung oder Anerkennungsprämie oder wie man das sonst so nennt, sondern das Verhalten der Leute, die heute nun auch vor Gericht stehen?

    Perlitz: Das ist der entscheidende Punkt. Was eine angemessene Abfindung ist, das ist moralisch oder ethisch nicht zu verifizieren. Insofern ist das eigentlich ein Punkt, der schwer abzuschätzen ist auf der ethischen Basis. Anders sieht es aus in dem Verhalten, in der Offenheit, in der Ehrlichkeit, in dem Umgang mit diesen Tatbeständen, und hier, glaube ich, liegt der eigentliche Punkt, der dann also sehr stark Schnittstellen zu ethischen Fragen aufwirft.

    Liminski: Das hört sich ganz altmodisch an, aber doch ganz angenehm vertraut, auf Ehrlichkeit kommt es an. Wie kann man das kodifizieren, was wäre das Markenzeichen der Ehrlichkeit?

    Perlitz: Nun, das Markenzeichen der Ehrlichkeit wäre also eine öffentliche Diskussion. Also hier können wir zum Beispiel von den Briten sehr viel lernen. In Großbritannien ist es beispielsweise üblich, dass solche Abfindungen oder Gehälter oder Aktienoptionen, Pensionszusagen, auf Hauptversammlungen diskutiert werden. Es besteht zwar keine Bindewirkung, was die Hauptversammlung zu diesen Beschlüssen dann letzten Endes sagt, aber es hat eine unglaubliche Öffentlichkeitswirkung. So war der CEO von GlaxoSmithKline zum Beispiel in der Hauptversammlung mit einer Forderung gescheitert. Er wollte 36 Millionen Dollar als einen Bonus, und auf der anderen Seite bei einem Mitglied der HSB-Bank wurde auf der Hauptversammlung ein gleicher Betrag genehmigt, und damit wird es in die Öffentlichkeit getragen, in die Hauptversammlung, und die Aktionäre können dann letzten Endes solche Beschlüsse gutheißen oder nicht.

    Liminski: Öffentlichkeit oder öffentliche Diskussion, also die Transparenz wäre das Markenzeichen?

    Perlitz: Die Transparenz, die Nachvollziehbarkeit und letzten Endes auch die Ehrlichkeit des Eigentümers gegenüber, nämlich dem Aktionär.

    Liminski: Wie steht es denn um die Transparenz in Deutschland? Da scheinen wir ja Entwicklungsland zu sein, wenn ich Sie so recht verstehe.

    Perlitz: Na ja, wenn ich die Diskussion mir anschaue über die Veröffentlichung von Managementgehältern und von Vorstandgehältern, dann ist das ein Trauerspiel, wenn man das also mal im Verhältnis zu USA oder Großbritannien betrachtet. Hier wird also scheinbar sehr viel durcheinandergebracht, also einerseits die Frage der Neiddiskussion, auf der anderen Seite sollen Vorstände, wenn sie gut arbeiten, auch gut bezahlt werden, aber das sollte dann wirklich auch der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden, und ich glaube, hier haben die Manager so ein bisschen Angst, dass dann letzten Endes die Transparenz entsteht, wie das zum Beispiel in Amerika der Fall ist, wo in der "Business Week" dann jeweils die Managementgehälter veröffentlicht werden und die Performance des Unternehmen gegenübergestellt wird. Ich glaube, diese Diskussion, dass also Managementgehälter mit Performance nichts mehr zu tun haben, das wollen sich die deutschen Vorstände sparen, aber das ist natürlich eine Einstellung, die weder im Sinne des Aktionärs noch im Sinne der Öffentlichkeit besteht.

    Liminski: Verdrehen da die Manager nicht in bisschen das Shareholder-Value-Prinzip, denn der Erfinder dieses Prinzip, Alfred Rappaport, hatte ja eine langfristige Partnerschaft für Wertsteigerung zwischen Eigentümern, also den Aktionären, und Angestellten mit einer gerechten Werteteilung des Gewinns im Sinn und nicht das Teilen der Beute unter den Managern?

    Perlitz: Das ist genau der Punkt. Also der Shareholder-Value ist ja letzten Endes der Wert des Eigentümers, und der Eigentümer ist der Aktionär. Ich als Eigentümer möchte doch gerne wissen, wie mein Geld verwendet wird, und in diesem Zusammenhang ist natürlich dann Offenheit und Transparenz und eine gewisse Ehrlichkeit Grundbedingung, auch dieses Prinzip dann letzten Endes zum Tragen zu bringen. Wer also in diesem Bereich dann diese Offenheit und Transparenz nicht an den Tag legt, handelt eigentlich nicht im Sinne des Shareholder-Values.

    Liminski: Besten Dank für das Gespräch.