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Mangel an FH-Professoren
"Fachhochschulen besetzen keine Professuren ohne Praxiserfahrung"

Jede zweite Professur an den Fachhochschulen bleibt unbesetzt, hat eine neue Studie ergeben. Das liege zum Teil an der geringen Zahl an Bewerbungen, sagte Susanne In der Smitten vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung im DLF. Eine Lösung könnte ein Nachwuchsmodell aus NRW bieten.

Susanne In der Smitten im Gespräch mit Michael Böddeker | 31.05.2017
    Ein Professor und seine Studenten bei einer Vorlesung an der FH RheinAhrCampus.
    Mehr Geld ins Wissenschaftssystem? "Das geht nicht in der Fläche", sagte Hochschul-Expertin Susanne In der Smitten im DLF. (imago)
    Michael Böddeker: Professorin oder Professor werden, das ist ja für viele Wissenschaftler an den Hochschulen ein erstrebenswertes Karriereziel. Allerdings gibt es dabei offenbar große Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen. Wie es mit der Besetzung von Professuren an den FHs klappt, das wurde jetzt in einer Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung DZHW untersucht. Leiterin dieses Forschungsprojekts ist Susanne In der Smitten vom DZHW. Ich habe sie gefragt, fast jede zweite Professur bleibt Ihrer Untersuchung zufolge erst mal unbesetzt, zumindest nach der ersten Ausschreibung - wie kommt das?
    Susanne In der Smitten: Da sind verschiedene Ursachen auszumachen. Zum einen ist es zum Teil eine geringe Zahl an Bewerbungen, die überhaupt eingeht, und zum anderen spielt eine Rolle, dass ein Teil der Bewerber ausgeschlossen werden muss aus dem Verfahren.
    Böddeker: Weil viele Bewerberinnen und Bewerber überhaupt formal gar nicht die Voraussetzungen erfüllen für so eine FH-Professur, was auch Ihre Studie ergeben hat. Wie kommt das, dass die sich überhaupt bewerben? Probieren die es einfach mal auf gut Glück?
    Smitten: Ja, davon ist auszugehen, dass das der Fall ist, und dass auch die Informationen nicht so bekannt sind, was an eine Fachhochschulprofessur für Anforderungen gestellt werden. Die Menschen denken sehr stark in den universitären Kategorien, von wegen Doktorarbeit und dann wissenschaftliche Karriere. Die Fachhochschulen besetzen aber keine Professuren ohne entsprechende Praxiserfahrung.
    Promotion und mehrjährige Praxiserfahrung vonnöten
    Böddeker: Was sind konkret die Voraussetzungen, die man auf jeden Fall mitbringen muss?
    Smitten: Also mindestens die Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit. Das ist eben die Promotion und darüber hinaus entweder eine mehrjährige Praxiserfahrung, von der jeweils auch ein Teil außerhalb der Hochschule erfolgt, also Berufstätigkeit außerhalb der Hochschule gewesen sein muss, oder eben, im Fall von künstlerischen Professuren, künstlerische Arbeit. Dann kann die Promotion auch wegfallen.
    Böddeker: Gibt es da Unterschiede zwischen den verschiedenen Fächern an den Fachhochschulen, wer sich da bewirbt und warum es dann nicht klappt?
    Smitten: Ja, wir haben besondere Schwierigkeiten in den Ingenieurwissenschaften und im Gesundheitswesen ausgemacht. Also beide haben da Probleme in der Besetzung, aber die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich.
    Böddeker: Was sind die Gründe?
    Smitten: Bei den Ingenieurwissenschaften konnten wir eine verstärkte Konkurrenz ausfindig machen, weil es eben auch ingenieurwissenschaftliche Professuren an Universitäten gibt, die besser besoldet sind, und natürlich Ingenieure in der Wirtschaft, die noch mal deutlich mehr verdienen, also eine Konkurrenzsituation sowohl mit Universitäten als auch mit Unternehmen, und im Gesundheitswesen ist es so, dass einige Berufe erst jüngst akademisiert wurden. Da gibt es keine Entsprechungen an den Universitäten. Das heißt, hier hat der Nachwuchs für die Professur Probleme, überhaupt die Promotion passend abzuschließen.
    NRW hilft sich mit Nachwuchsprofessuren
    Böddeker: Also die Fachhochschulen haben offenbar ein großes Problem. Bildungsministerin Johanna Wanka hat schon gesagt, diese Zustände seien alarmierend. Was also tun, also was würden Sie vorschlagen?
    Smitten: Ja, Frau Wanka hat ja auch schon etwas konkreter gesagt, dass sie ein Bund-Länder-Programm in Angriff nehmen möchte, also mit den Ländern zusammen ein Programm auflegen. Und das Problem ist, dass wir ja unterschiedliche Problemlagen im Hintergrund haben. Das heißt, es gibt nicht eine Schablone, mit der man sagen kann: "So, das ist jetzt zu tun." Sondern sinnvoller wäre es, wieder an die Hochschulen zurückzuverweisen und die Modelle entwickeln zu lassen, um den Nachwuchs zu fördern.
    Das heißt also, wenn man Personen hat, die schon wissenschaftlich qualifiziert sind, Modelle zu entwickeln, die Berufspraxis nachzuholen - da gibt es auch Beispiele aus Nordrhein-Westfalen mit Nachwuchsprofessuren - oder eben in dem Fall, dass der wissenschaftliche Teil fehlt, die kooperativen Promotionen mit Universitäten zu stärken, und da müssten entsprechende Projekte aufgelegt werden, und die könnten dann finanziell unterstützt werden.
    Böddeker: Auch mit Geld vom Bund dann möglicherweise.
    Smitten: Ja, das hätte natürlich den Vorteil, dass es direkt in die ganze Fläche Deutschlands geht und auch eine entsprechende Aufmerksamkeit mit sich bringt.
    Mehr Geld ins Wissenschaftssystem? "Das geht nicht in der Fläche"
    Böddeker: Sie haben eben umrissen, dass es in Nordrhein-Westfalen schon so ein Modell gibt, was vielleicht Vorbild sein könnte. Können Sie das noch etwas genauer beschreiben, wie das funktioniert?
    Smitten: Ja, in Nordrhein-Westfalen gibt es schon mehrere Sachen. Es hat angefangen an der Fachhochschule in Münster, die Nachwuchsprofessuren aufgelegt hat. Das heißt, da werden Stellen besetzt, die zwar einen Professorentitel kriegen, aber eigentlich Mittelbaustellen sind, keine echten Professuren, und den Leuten fehlt noch die Berufspraxis. Die Leute sind dann schon an der Hochschule, dürfen Lehre machen, qualifizieren sich so für die Professur, haben aber gleichzeitig einen Teil ihrer Stelle auswärts in einem kooperierenden Unternehmen und können eben mehrjährige Berufstätigkeit neben der wissenschaftlichen Tätigkeit sammeln, und das ist jetzt im Grunde genommen landesweit ausgerollt worden, dieses Modell.
    Böddeker: Könnte man auch so eine FH-Professur selbst attraktiver machen, indem es einfach mehr Gehalt dafür gibt oder dass man den Leuten weniger Lehrdeputate mitgibt?
    Smitten: Ja, die Sache hat natürlich Grenzen. Klar kann man mehr Geld ins Wissenschaftssystem geben und dann hoffentlich Professuren besser besolden, aber das wird in der Fläche nicht geschehen. Das kann man mal mit einer einzelnen Professur machen, die man dann als besonders relevante Schwerpunkt- oder Eckprofessur ausflackt, aber das geht nicht in der Fläche.
    Deputatsreduktionen werden immer mal wieder vergeben, vor allen Dingen am Einstieg in die Professur oder für Forschungstätigkeit, aber eben nicht auf Dauer oder jedenfalls auch nicht für alle Professuren. Das sind beides Sachen, damit kann man Professuren attraktiver machen, aber in der Breite wird da sehr teuer, wenn man das für alle machen wollte.
    Böddeker: Viele Fachhochschulen haben Schwierigkeiten dabei, ihre Professorenstellen zu besetzen. Darüber gesprochen haben wir mit Susanne In der Smitten vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, die das Forschungsprojekt dazu geleitet hat.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.