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Mangroven speichern CO2
Klimawunder an Kenias Küste

Mangroven sind regelrechte Fresser von Kohlendioxid und Co. Sie können bis zu fünf Mal mehr Treibhausgase speichern als andere Bäume. In Kenia wurden sie lange Zeit abgeholzt. Eine Initiative sorgt nun für ihren Erhalt - und verdient am Emissionshandel.

Von Antje Diekhans | 21.09.2019
Ein Schiff fährt durch einen Mangrovenwald auf Lamu Island in Kenia
Für Fischer ist der Erhalt der Mangroven existenziell - fürs Klima auch (picture alliance/ robertharding/ James Strachan)
Grün soweit das Auge reicht. Mangroven wiegen sich sanft im Wind, Vögel zwitschern. Anne Wanjiru schaut mit Stolz von einem Hochsitz auf diese Idylle: "Wir sind in unserem Projektgebiet eins. Wir haben hier einen natürlichen Wald, 107 Hektar groß, mit verschiedenen Mangrovenarten."
Die 28-Jährige ist Mitstreiterin bei "Mikoko Pamoja" – übersetzt Mangroven für alle – an Kenias Küste. Die Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, die Wälder zu schützen und neue Bäume anzupflanzen.
"Es ist das erste Gemeinschaftsprojekt weltweit, das Mangroven erhalten will, indem es am Emissionshandel verdient. Jedes Jahr verkaufen wir 3.000 Tonnen Kohlendioxid. Unsere Käufer sind vor allem internationale Firmen und Organisationen, deren Mitarbeiter für Konferenzen weit fliegen müssen. Sie wollen so ihren ökologischen Fußabdruck verringern."
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Fällen von Magrovenbäumen ist jetzt verboten
Mangroven sind regelrechte Fresser von Kohlendioxid und Co. Sie können bis zu fünf Mal mehr Treibhausgase speichern als andere Bäume. In Kenia wurden Mangroven lange Zeit abgeholzt und für den Hausbau oder auch als Feuerholz genutzt. "Mikoko Pamoja" versucht seit sechs Jahren, die Küstenregion im Süden wieder grüner zu machen. Inzwischen gibt es auch Unterstützung von der Regierung.
"Seit vergangenem Jahr ist das Schlagen von Mangrovenbäumen verboten. Aber in vielen Regionen haben die Menschen kein anderes Holz. Sie fällen die Bäume weiter, auch wenn es illegal ist."
Das Projekt stellt darum Wachleute für den Wald ein. Von den Hochsitzen aus haben Shaban Jambia und seine Kollegen alles im Blick: "Wir mögen Mangroven wirklich. Die Küstenregion könnte zwar ohne Mangroven überleben, aber wir hätten dann viele Probleme."
Anderes Holz für den Hausbau
Der Wachdienst im Wald ist wichtig. Aber um die Menschen langfristig vom Fällen der Mangroven abzuhalten, muss es anderes Holz geben, das sie für den Hausbau nutzen können. "Mikoko Pamoja" arbeitet mit einer Schule zusammen, die jetzt auch eine Baumschule geworden ist.
Direkt neben dem Schulhof, auf dem sich in der Pause Dutzende Jungen und Mädchen tummeln, ist ein abgezäuntes Gelände. Ein paar noch recht zarte Stängel ragen hier aus der roten Erde heraus. Lehrer Frederick Mulwa kniet daneben. "Wir haben mehr als 4.000 Setzlinge in unserer Baumschule", erklärt er. Es sind kleine Kasuarinabäume.
Ausgewachsen haben diese Bäume einen langen schlanken Stamm – Holz, das sich gut für den Hausbau eignet. "Wenn die Dorfgemeinschaft diese Bäume pflanzt, können sie die Stämme als Baumaterial nutzen – zum Beispiel als Stützpfeiler. Wir ziehen diese Bäume groß, damit die Leute nicht mehr die Mangroven schlagen."
Die Schüler helfen beim Pflanzen und späterem Verteilen der Setzlinge mit. Absolut erwünschter Nebeneffekt: Sie lernen so früh, wie wichtig der Schutz von Wäldern ist. Der 12-jährige Rajab ist lieber draußen bei der Baumschule als im Klassenzimmer. Er wisse jetzt viel über Mangroven und andere Bäume, sagt er. Und auch darüber, wie die Umwelt sauber gehalten wird.
Je mehr Mangroven, desto mehr Fische
"Mikoko Pamoja" unterstützt die Schule mit Geld aus dem Emissionshandel. Dadurch konnten schon neue Bücher angeschafft und das Dach renoviert werden. Die Eltern sind begeistert und die Unterstützung für das Projekt wächst darum, sagt Lehrer Fredrick Mulwa:
"Die Schüler sind unsere Zukunft. Und durch sie erreichen wir die ganze Dorfgemeinschaft. Sie bringen ihren Eltern bei, wie wichtig Mangrovenschutz ist. Das Dorf hat das sehr positiv aufgenommen."
Die meisten Familien verdienen ihren Lebensunterhalt durch den Fischfang. Für sie ist der Erhalt der Mangroven existenziell. Denn ohne die Mangroven würden die Fischer weniger fangen. Schon jetzt gehen ihnen nicht mehr so viele Fische wie früher ins Netz. Die Mangrovenwälder mit ihren Wurzeln im Meerwasser sind ein guter Laichgrund für viele Arten. Je mehr Bäume, desto mehr Fische.
Nächstes Projekt: Seegras
Anne Wanjiru und andere Projektmitarbeiter haben in Strandnähe hunderte neue Setzlinge gepflanzt. Die kleinen Stängel wiegen sich in den Wellen. Doch ihre Überlebensrate ist gering:
"Schon wenn wir sie in einer Baumschule groß ziehen, kommen nur etwa 30 Prozent durch. Und wenn wir sie dann von der Baumschule hierher bringen, geht die Rate noch einmal deutlich runter."
Trotzdem ist es zu schaffen – das zeigt ein gepflanzter Wald nicht weit von den Setzlingen. Viele neue Bäume im Kampf gegen den Klimawandel. Das gibt Schwung für weitere Projekte. "Wir hoffen, dass wir vielleicht auch die ersten sein werden, die Kohlendioxid mit Seegras abbauen." Denn das wächst auch an der kenianischen Küste – und ist genau wie Mangroven ein wahres Klimawunder.