Samstag, 27. April 2024

Archiv

Manuel Valls
"Er war ein guter Bürgermeister"

Der ehemalige Innenminister, seit gestern jetzt Premierminister Frankreichs, wurde vor allem wegen seiner harten Hand gegenüber den illegal im Land lebenden Ausländern bekannt. Die Suche nach seinen politischen Wurzeln führt nach Evry, 40 Kilometer südlich von Paris. Dort war er jahrelang Bürgermeister.

Von Bettina Kaps | 02.04.2014
    Im Stadtzentrum von Evry. Die Kirche steht neben dem Rathaus, wie in einer historischen Stadt, aber hier ist alles neu. Die Kirche ist sogar eine Kathedrale, die jüngste des Landes, Sie wurde erst 1995 eingeweiht. In dem benachbarten Rathaus aus rotem Backstein war Manuel Valls elf Jahre lang Bürgermeister, bis er 2012 zum Innenminister ernannt wurde.
    Trotz Springbrunnen und Blumenrabatte wirkt das Zentrum wie ausgestorben. Das eigentliche Herz der Stadt schlägt ein paar hundert Meter weiter, beim großen Bahnhof, der Evry in 45 Minuten mit Paris verbindet. Auch das gigantische Einkaufszentrum ist gut besucht.
    Auf dem Vorplatz stehen ein paar Männer, einer ist Hausmeister, die anderen arbeiten in den umliegenden Geschäften. Alle begrüßen Manuel Valls Ernennung zum Regierungschef:
    "Er war ein ganz guter Bürgermeister. Ich habe ihn gelegentlich gesehen. Er hielt Kontakt zur Bevölkerung. Er war nicht hochnäsig."
    "Er hat sich für die Sorgen der Menschen interessiert, aber auch unverhohlen seine Meinung geäußert. Natürlich ist es ein Unterschied, ob man eine Stadt oder ein Land regiert, aber wir trauen ihm das zu."
    "Ich habe nur eine Kritik: Valls hat gesagt, dass in Evry zu viele Schwarze leben, das hat uns schockiert. Immerhin hat er uns seine Wahl hier zu verdanken. Wir sind in der Mehrheit. Schauen Sie sich doch um? Überall sind Schwarze. Das Zusammenleben funktioniert gut."
    Die Männer zeigen um sich: Als Bürgermeister habe Manuel Valls die Stadt eindeutig verschönert. Viele Gebäude seien renoviert und der Bahnhof ganz neu gestaltet worden. Eine Straßenbahn sei auch geplant. Die Stadt sei zudem viel sicherer geworden.
    Viel Zustimmung in der Bevölkerung
    Tatsächlich galt Evry lange als unsicheres Pflaster. Grund war das rasante Wachstum der Stadt: In den 1960er-Jahren lebten hier nur 2.000 Menschen, heute sind es 52.000 Einwohner. Evry ist eine sogenannte ville nouvelle, eine Planstadt also, die Frankreich in wenigen Jahren aus dem Boden gestampft hat. Dabei entstanden große Siedlungen, die zu sozialen Ghettos wurden. Die Bevölkerung ist sehr jung und ethnisch gemischt: Mindestens 60 Nationalitäten leben hier zusammen. Die Arbeitslosigkeit beträgt über 15 Prozent, in einzelnen Stadtvierteln liegt sie sogar doppelt so hoch.
    Als sich Manuel Valls 2001 in Evry niederließ, um das Rathaus zu erobern, war sein Leitmotiv: "Keine einzige Ecke der Stadt darf Rowdys und Kriminellen überlassen werden". Die Sicherheit wurde seine Mission. Dass er damit bei vielen sozialistischen Parteikollegen Bauchschmerzen auslöste, war ihm egal.
    Obwohl an diesem ruhigen Frühlingsabend nur noch wenige Menschen unterwegs sind, stehen zwei Mannschaftswagen der Bereitschaftspolizei vor den Schwingtüren zum Einkaufszentrum. Ein Paar mit Kinderwagen trägt seine Einkäufe nach Hause. Die jungen Eltern sind zufrieden.
    "Die städtische Polizei ist bei uns bewaffnet und sehr gut ausgebildet, das finden wir wirklich gut. Sie werden regelmäßig in Schießen, Selbstverteidigung und Verhaftung trainiert. Und die Bereitschaftspolizei ist auch sehr häufig da: Am Wochenende, bei Festen und wenn Schlussverkauf sehen wir sogar noch mehr Polizisten. Dadurch fühlen wir uns hier sicher. Das haben wir Manuel Valls zu verdanken. Als Innenminister hat er ja auch einiges bewirkt, der wartet nicht untätig ab."
    Offenbar denkt hier die Mehrheit so, immerhin hatten die Einwohner Manuel Valls 2008 mit 70 Prozent der Wählerstimmen im Amt des Bürgermeisters bestätigt. Sein sozialistischer Nachfolger wurde am vergangenen Sonntag wieder gewählt, allerdings schnitt er sehr viel schlechter ab als sein Vorgänger.
    Es gibt aber auch kritische Stimmen. Kamel ist eine. Der junge Installateur hält nichts von Manuel Valls Politik.
    "In Evry gibt es seit vielen Jahren Probleme mit Jugendlichen, die keine Ausbildung haben und keine Arbeit finden. Für sie hat Manuel Valls gar nichts getan. Die Polizei zu verstärken, das ist keine Lösung und bewirkt nur Spannungen zwischen der Jugend und der Polizei. Als Innenminister hat er versucht, die Probleme in Marseille auf dieselbe Weise zu lösen. Aber das funktioniert nicht. Man kann das menschliche Elend nicht mit der Polizei bekämpfen. Er müsste sozialer sein."