Jürgen Liminski: Was heißt konservativ? Schon Aristoteles hat empfohlen, nicht nur um Worte zu streiten, sondern um die Sache und er war keineswegs blind für die Tatsache, dass bisweilen die Worte selbst die Sache sind, um die gestritten wird. So geschieht es derzeit in der CDU, wo Politiker sich als konservative Reformer definieren. Es ist in der Union offenbar nicht einfach, sich schlicht als konservativ zu bezeichnen und das nicht mit einem modernistischen Zusatz zu versehen.
Wie also sieht eine Definition des Konservativen in der Sache aus, in der Politik im allgemeinen und im besonderen für die CDU? - Zu diesen Fragen begrüße ich den Fraktionsvorsitzenden im Landtag von Baden-Württemberg Stefan Mappus. Guten Morgen Herr Mappus!
Stefan Mappus: Guten Morgen Herr Liminski!
Liminski: Herr Mappus, Sie gehören zu einer Gruppe von jungen Politikern, die sich Sorgen um das konservative Element in der CDU machen. Welche Elemente gehören denn für Sie zum Begriff konservativ?
Mappus: Zunächst einmal mache ich mir eigentlich nicht primär Sorgen um das konservative Element, sondern ich mache mir darum Sorgen, dass die CDU drei Wurzeln hat, die liberale, die christlich-soziale und die konservative, und die dritte für meinen Geschmack etwas zu kurz kommt. Ich glaube wir müssen, wenn wir Volkspartei bleiben wollen und über 40 Prozent kommen wollen bei Wahlen, alle drei Wurzeln gleich behandeln. Dazu gehört das Konservative und ich glaube konservativ ist nicht nur eine Herangehensweise, sondern im Prinzip eine Art Lebensphilosophie, die bestimmte Werte auch beinhaltet, die wir zunehmend wieder brauchen. Und es passt eben nicht in das klassische Links-Rechts-Schema, wie das vielleicht lange Jahre der Fall war und wie es manche heute noch praktizieren, sondern es geht vor allem um eine primär auch wertebezogene Politik und das wollen wir wieder verstärkt umsetzen.
Liminski: Diese Lebensphilosophie wird offenbar nicht von allen in der Union geteilt. Der Fraktionschef der SPD im Bundestag Peter Struck wird im "Spiegel" sogar mit dem Wort zitiert, "die Kanzlerin mache lupenreine sozialdemokratische Politik und es werde deswegen noch Krach in der Union geben". Hat er Recht?
Mappus: Zunächst einmal stelle ich fest, dass es im Moment richtig guten Krach in der SPD gibt. Die SPD kommt bundesweit noch nicht einmal auf 30 Prozent, in Baden-Württemberg gerade noch auf 20 Prozent. Hier kracht es richtig, in Berlin genauso. Insofern verstehe ich ja, wenn der Herr Struck etwas von seinen Problemen ablenken will, aber bei uns gibt es keinen Krach, sondern einen Diskussionsprozess im Zuge der Aufstellung eines neuen Grundsatzprogramms. Das mag in der SPD außergewöhnlich sein; für uns halte ich das für relativ normal.
Liminski: In der SPD wird man es vielleicht genauso sehen, aber kommen wir zum konservativen Profil. Greifen wir das Element Familien mal heraus. Da liefert ja das Statistische Bundesamt ein Dutzend Definitionen, angefangen von der Alleinerziehenden bis hin zur traditionellen Familie. Für manche ist Familie auch nur da, wo ein Kühlschrank steht. Was ist denn für Sie Familie, denn das gehört ja doch wohl auch zum Begriff des Konservativen oder zu dieser Lebensphilosophie?
Mappus: Ja sicherlich! Ich glaube Familie ist, wenn Sie so wollen, der Nukleus der Gesellschaft. Ehe und Familie sind da aus unserer Sicht primär auch zusammengehörend und wir wollen eine Familienpolitik, die halt den aktuellen Erfordernissen dieser Gesellschaft auch gerecht wird. Das heißt wir brauchen Betreuungseinrichtungen, gar keine Frage. Ich glaube, dass Ursula von der Leyen hier ein großer Gewinn für die CDU ist. Wir brauchen aber genauso die traditionelle Familie. 70 Prozent aller Kinder werden in eine traditionelle Familie hinein geboren, zu Hause erzogen, die Eltern sind verheiratet. Und ich glaube wir brauchen eine Betonung dessen, dass wir beide Bereiche gleichberechtigt fördern. Das heißt wir brauchen ein Elterngeld für berufstätige Mütter genauso wie ein Betreuungsgeld für diejenigen, die ihr Kind zu Hause erziehen. Deshalb ist diese wertebezogene Politik ein Beispiel für eine auch konservative Familienpolitik.
Liminski: Sie sind also für das Betreuungsgeld, wie die CSU es fordert, oder sind Sie doch auch für die Gutscheine, die von der Familienministerin, vielleicht auch der Kanzlerin befürwortet werden und die in der Presse auch schon mal als Entmündigungsscheine bezeichnet werden?
Mappus: Ich glaube eine Partei, die wie die CDU mehr Selbstverantwortung von den Menschen verlangt, die muss den Menschen auch zutrauen können, dass sie das Geld, das ihnen für die Familie gegeben wird, auch familienbezogen investieren. Deshalb halte ich persönlich nichts von Gutscheinen, sondern ich glaube, dass das Betreuungsgeld der richtige Weg ist. Es ist ja auch noch niemand auf die Idee gekommen, das Kindergeld abzuschaffen, was ja bekanntermaßen auch eine Barleistung ist.
Liminski: Ein weiteres Element des Konservativen, Herr Mappus, ist die Bewahrung der Schöpfung. Daher kommt ja auch das Wort conservare. Hat sich da die CDU nicht das Konservative von den Grünen nehmen lassen?
Mappus: Conservare heißt zunächst mal dem Altern wehren. Insofern ist ja konservativ hoch innovativ, wenn Sie so wollen, denn niemand will ja, dass etwas altert. Wir wollen das Bewährte bewahren, aber gegenüber neuem offen sein. Das heißt natürlich, dass wir im ökologischen Bereich auch noch deutlich mehr tun müssen, obwohl wir schon eine ganze Menge getan haben. Schauen Sie wir machen in Baden-Württemberg ein Wärmegesetz. Das heißt, dass man ab Beginn des nächsten Jahres mindestens 20 Prozent der Wärmeerzeugung durch erneuerbare Energien leisten muss. Das gab es in sieben Jahren rot-grüner Koalition nirgendwo. Das gab es in keiner rot-grünen Landesregierung. Insofern glaube ich können wir mit Fug und Recht behaupten, wir sind besser als die Grünen. Zumindest im ökologischen Bereich brauchen wir keine Grünen.
Liminski: Und die Konkretisierung zum Beispiel bei der Energiepolitik, Stichwort Laufzeiten oder Neubau von Kernkraftwerken?
Mappus: Ich kann nur sagen wer den Klimawandel einigermaßen ernst nimmt, der kann nicht allen Ernstes gleichzeitig die Abschaltung von Atomkraftwerken fordern, weil jeder von uns weiß, wer Atomkraftwerke abschaltet muss kurzfristig durch Gas oder Kohle entsprechende Kraftwerkstechnik betreiben. Das bedeutet einen deutlich höheren CO2-Ausstoß und das kann keine gute Umweltpolitik sein. Deshalb fordern wir eine Laufzeitverlängerung und einen so schnell als möglichen Umstieg auf so viel wie möglich erneuerbare Energie.
Liminski: Aber den Neubau von Kernkraftwerken wollen Sie nicht?
Mappus: Nein! Den hat niemand von uns gefordert. Den brauchen wir im Übrigen auch nicht. Wir wollen nur eine Laufzeitverlängerung, von mir aus auch fix begrenzt - darüber kann man gerne reden - für eine gewisse Übergangszeit, weil wir nicht in der Lage sein werden, innerhalb von einigen Jahren quasi 100 Prozent der Energie, die durch Kernkraftwerke erzeugt wird, zu substituieren durch erneuerbare Energien. Das geht nicht! Übergangsweise bräuchte man Kohle und das halten wir für unverantwortlich mit Blick auf den Klimawandel.
Liminski: Ein drittes Element des Konservativen ist der Patriotismus. Mangelt es da den Deutschen, oder haben wir vielleicht hier und da sogar zu viel davon?
Mappus: Ich würde es mal so ausdrücken: Ich glaube nicht unbedingt, dass es den Deutschen an Patriotismus mangelt, aber ich glaube, dass die Deutschen vielleicht auch und gerade mit Blick auf die deutsche Geschichte etwas Schwierigkeiten haben, Patriotismus deutlich zu äußern. Umgekehrt glaube ich auch, dass die Deutschen einfach ein genauso gesundes Verhältnis zum Patriotismus wollen, wie alle anderen Länder das auch haben. Ich glaube das konnte man letztes Jahr bei der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland sehr schön beobachten. Deshalb ist Patriotismus, also die Liebe zum eigenen Land, aus meiner Sicht durchweg etwas Positives und sehr stark zu unterscheiden von Nationalismus, was ja im Prinzip als Gegnerschaft gegen andere Länder gerichtet ist. Patriotismus ja, Nationalismus nein, so wie es in anderen Ländern auch Gang und Gäbe ist.
Liminski: Wo sehen Sie denn die Abgrenzung nach rechts? Wo hört die CDU auf, wo beginnt das Feld, wo auch Sie nicht mehr diskutieren wollen?
Mappus: Das Feld beginnt dort, wo undemokratische und radikale Strukturen sich praktisch breit machen. Mit Rechtsradikalen wollen wir nichts zu tun haben. Mit Radikalismus jeder Art wollen wir nichts zu tun haben. Ich würde mir nur wünschen, dass auf der anderen Seite des politischen Lagers das genauso gesehen würde. Dann wäre in Deutschland schon viel gewonnen. Wir lehnen jegliche Form von undemokratischem und radikalem Verhalten ab.
Liminski: Ein Merkmal, Herr Mappus, das man gewöhnlich mit einer konservativen Partei verbindet, ist auch die Sicherheit. Kann man eine Grenze ziehen zwischen Überwachungsstaat und freiheitlicher Demokratie?
Mappus: Ich glaube schon, zumal das, was auch gegenwärtig diskutiert wird, Online-Durchsuchung und vieles andere mehr, Telefonüberwachung und so weiter, spielt sich ja alles unter dem Auge der Justiz ab. Es sagt ja niemand, dass praktisch unbegrenzt überall hineingegangen werden darf. So ziemlich alle Vorschläge stünden unter richterlichem Vorbehalt. Insofern ist das ja eine originär demokratische Struktur und verhindert ja gerade, dass praktisch unkontrolliert überwacht wird. Und ich kann nur sagen in einer Zeit des internationalen Terrorismus, wo Terroristen auf modernste Technologien bauen, halte ich es schon für eine gewisse Schizophrenie, wenn wir uns möglichst langatmig darüber unterhalten, ob wir praktisch auch nur annähernd den gleichen technologischen Stand einsetzen. Ich kann nur sagen wer den Feinden dieser Demokratie entgegentreten will, der muss auch modernste Technologie nutzen können, aber immer unter der Überwachung der Justiz. Ich glaube das ist der richtige Weg.
Liminski: Ein Unterscheidungsmerkmal Ihrer Partei ist das hohe C. Hier wird der Wähler gern mit dem christlichen Menschenbild abgespeist. Wo ist denn der Unterschied dieses Menschenbildes zu einem humanistischen Menschenbild?
Mappus: Zunächst einmal will ich nicht sagen, dass er abgespeist wird, sondern das christliche Menschenbild ist ein Alleinstellungsmerkmal der CDU, auch des konservativen Begriffes der CDU, und es sagt ja im Prinzip nichts anderes aus, als dass Grundlage unserer Politik nicht nur das Verhältnis zum Souverän, sprich zum Wähler ist, sondern auch das Verhältnis zu Gott und zum Glauben. Ich glaube schon, dass das im Gegenteil nicht überholt, sondern aktueller ist denn je und das wollen wir auch weiterhin praktizieren und auch deutlich artikulieren.
Liminski: Sie sagen "wir". Ist denn die Partei überhaupt noch christlich? Andere verwandte oder befreundete Parteien in Europa haben sich längst umgetauft in Volkspartei oder konservative Partei. Wäre das für die CDU nicht ehrlicher, vielleicht auch mit Blick auf die Wählerschaft gewinnbringender sogar?
Mappus: Wir sind eine Volkspartei und wollen es auch bleiben, auch wenn wir nicht so heißen. Aber für mich ist die Grundlage des christlichen Menschenbildes fundamental. Ich kenne viele Parteifreunde, für die das genauso ist. Und nicht alles, was vielleicht nicht aktuell dem Zeitgeist entspricht, muss deshalb gleich überholt sein. Ganz im Gegenteil! Es gibt ja viele Beispiele, dass manche Faktoren eine Renaissance erleben. Und deshalb: Wir bleiben beim christlichen Menschenbild als Grundlage unserer Politik.
Liminski: Damit auch beim hohen C?
Mappus: Damit eindeutig auch beim C, gar keine Frage.
Liminski: All das was Sie sagen trifft auf die CDU eigentlich nur teilweise zu. Ist die CDU überhaupt noch eine konservative Partei, siehe das Wort von Struck am Anfang unseres Gesprächs?
Mappus: Wenn die CDU keine konservative Partei mehr bliebe, dann wäre sie für die Zukunft keine mehrheitsfähige Volkspartei mehr. Insofern gehe ich davon aus, dass sie weiterhin konservativ bleibt. Sie ist es mit Sicherheit. Ich bin auch der Überzeugung, dass die große, große Mehrheit der Partei und vor allem auch unserer Stammwähler will, dass die CDU eine konservative Partei bleibt. Ich sage es nochmals, zum Ausgangspunkt zurückkehrend: Wir brauchen alle drei Wurzeln, die die CDU groß gemacht haben: das liberale Element, das christlich-soziale Element und das konservative Element. Sonst werden wir auf Dauer nicht mehrheitsfähig bleiben.
Liminski: Zwischen Pragmatismus und Programmatik. Die CDU sucht ihre Identität. Das war Stefan Mappus, Fraktionschef der CDU im Landtag von Baden-Württemberg. Besten Dank für das Gespräch, Herr Mappus.
Mappus: Ich danke Ihnen. Schönen Tag noch.
Wie also sieht eine Definition des Konservativen in der Sache aus, in der Politik im allgemeinen und im besonderen für die CDU? - Zu diesen Fragen begrüße ich den Fraktionsvorsitzenden im Landtag von Baden-Württemberg Stefan Mappus. Guten Morgen Herr Mappus!
Stefan Mappus: Guten Morgen Herr Liminski!
Liminski: Herr Mappus, Sie gehören zu einer Gruppe von jungen Politikern, die sich Sorgen um das konservative Element in der CDU machen. Welche Elemente gehören denn für Sie zum Begriff konservativ?
Mappus: Zunächst einmal mache ich mir eigentlich nicht primär Sorgen um das konservative Element, sondern ich mache mir darum Sorgen, dass die CDU drei Wurzeln hat, die liberale, die christlich-soziale und die konservative, und die dritte für meinen Geschmack etwas zu kurz kommt. Ich glaube wir müssen, wenn wir Volkspartei bleiben wollen und über 40 Prozent kommen wollen bei Wahlen, alle drei Wurzeln gleich behandeln. Dazu gehört das Konservative und ich glaube konservativ ist nicht nur eine Herangehensweise, sondern im Prinzip eine Art Lebensphilosophie, die bestimmte Werte auch beinhaltet, die wir zunehmend wieder brauchen. Und es passt eben nicht in das klassische Links-Rechts-Schema, wie das vielleicht lange Jahre der Fall war und wie es manche heute noch praktizieren, sondern es geht vor allem um eine primär auch wertebezogene Politik und das wollen wir wieder verstärkt umsetzen.
Liminski: Diese Lebensphilosophie wird offenbar nicht von allen in der Union geteilt. Der Fraktionschef der SPD im Bundestag Peter Struck wird im "Spiegel" sogar mit dem Wort zitiert, "die Kanzlerin mache lupenreine sozialdemokratische Politik und es werde deswegen noch Krach in der Union geben". Hat er Recht?
Mappus: Zunächst einmal stelle ich fest, dass es im Moment richtig guten Krach in der SPD gibt. Die SPD kommt bundesweit noch nicht einmal auf 30 Prozent, in Baden-Württemberg gerade noch auf 20 Prozent. Hier kracht es richtig, in Berlin genauso. Insofern verstehe ich ja, wenn der Herr Struck etwas von seinen Problemen ablenken will, aber bei uns gibt es keinen Krach, sondern einen Diskussionsprozess im Zuge der Aufstellung eines neuen Grundsatzprogramms. Das mag in der SPD außergewöhnlich sein; für uns halte ich das für relativ normal.
Liminski: In der SPD wird man es vielleicht genauso sehen, aber kommen wir zum konservativen Profil. Greifen wir das Element Familien mal heraus. Da liefert ja das Statistische Bundesamt ein Dutzend Definitionen, angefangen von der Alleinerziehenden bis hin zur traditionellen Familie. Für manche ist Familie auch nur da, wo ein Kühlschrank steht. Was ist denn für Sie Familie, denn das gehört ja doch wohl auch zum Begriff des Konservativen oder zu dieser Lebensphilosophie?
Mappus: Ja sicherlich! Ich glaube Familie ist, wenn Sie so wollen, der Nukleus der Gesellschaft. Ehe und Familie sind da aus unserer Sicht primär auch zusammengehörend und wir wollen eine Familienpolitik, die halt den aktuellen Erfordernissen dieser Gesellschaft auch gerecht wird. Das heißt wir brauchen Betreuungseinrichtungen, gar keine Frage. Ich glaube, dass Ursula von der Leyen hier ein großer Gewinn für die CDU ist. Wir brauchen aber genauso die traditionelle Familie. 70 Prozent aller Kinder werden in eine traditionelle Familie hinein geboren, zu Hause erzogen, die Eltern sind verheiratet. Und ich glaube wir brauchen eine Betonung dessen, dass wir beide Bereiche gleichberechtigt fördern. Das heißt wir brauchen ein Elterngeld für berufstätige Mütter genauso wie ein Betreuungsgeld für diejenigen, die ihr Kind zu Hause erziehen. Deshalb ist diese wertebezogene Politik ein Beispiel für eine auch konservative Familienpolitik.
Liminski: Sie sind also für das Betreuungsgeld, wie die CSU es fordert, oder sind Sie doch auch für die Gutscheine, die von der Familienministerin, vielleicht auch der Kanzlerin befürwortet werden und die in der Presse auch schon mal als Entmündigungsscheine bezeichnet werden?
Mappus: Ich glaube eine Partei, die wie die CDU mehr Selbstverantwortung von den Menschen verlangt, die muss den Menschen auch zutrauen können, dass sie das Geld, das ihnen für die Familie gegeben wird, auch familienbezogen investieren. Deshalb halte ich persönlich nichts von Gutscheinen, sondern ich glaube, dass das Betreuungsgeld der richtige Weg ist. Es ist ja auch noch niemand auf die Idee gekommen, das Kindergeld abzuschaffen, was ja bekanntermaßen auch eine Barleistung ist.
Liminski: Ein weiteres Element des Konservativen, Herr Mappus, ist die Bewahrung der Schöpfung. Daher kommt ja auch das Wort conservare. Hat sich da die CDU nicht das Konservative von den Grünen nehmen lassen?
Mappus: Conservare heißt zunächst mal dem Altern wehren. Insofern ist ja konservativ hoch innovativ, wenn Sie so wollen, denn niemand will ja, dass etwas altert. Wir wollen das Bewährte bewahren, aber gegenüber neuem offen sein. Das heißt natürlich, dass wir im ökologischen Bereich auch noch deutlich mehr tun müssen, obwohl wir schon eine ganze Menge getan haben. Schauen Sie wir machen in Baden-Württemberg ein Wärmegesetz. Das heißt, dass man ab Beginn des nächsten Jahres mindestens 20 Prozent der Wärmeerzeugung durch erneuerbare Energien leisten muss. Das gab es in sieben Jahren rot-grüner Koalition nirgendwo. Das gab es in keiner rot-grünen Landesregierung. Insofern glaube ich können wir mit Fug und Recht behaupten, wir sind besser als die Grünen. Zumindest im ökologischen Bereich brauchen wir keine Grünen.
Liminski: Und die Konkretisierung zum Beispiel bei der Energiepolitik, Stichwort Laufzeiten oder Neubau von Kernkraftwerken?
Mappus: Ich kann nur sagen wer den Klimawandel einigermaßen ernst nimmt, der kann nicht allen Ernstes gleichzeitig die Abschaltung von Atomkraftwerken fordern, weil jeder von uns weiß, wer Atomkraftwerke abschaltet muss kurzfristig durch Gas oder Kohle entsprechende Kraftwerkstechnik betreiben. Das bedeutet einen deutlich höheren CO2-Ausstoß und das kann keine gute Umweltpolitik sein. Deshalb fordern wir eine Laufzeitverlängerung und einen so schnell als möglichen Umstieg auf so viel wie möglich erneuerbare Energie.
Liminski: Aber den Neubau von Kernkraftwerken wollen Sie nicht?
Mappus: Nein! Den hat niemand von uns gefordert. Den brauchen wir im Übrigen auch nicht. Wir wollen nur eine Laufzeitverlängerung, von mir aus auch fix begrenzt - darüber kann man gerne reden - für eine gewisse Übergangszeit, weil wir nicht in der Lage sein werden, innerhalb von einigen Jahren quasi 100 Prozent der Energie, die durch Kernkraftwerke erzeugt wird, zu substituieren durch erneuerbare Energien. Das geht nicht! Übergangsweise bräuchte man Kohle und das halten wir für unverantwortlich mit Blick auf den Klimawandel.
Liminski: Ein drittes Element des Konservativen ist der Patriotismus. Mangelt es da den Deutschen, oder haben wir vielleicht hier und da sogar zu viel davon?
Mappus: Ich würde es mal so ausdrücken: Ich glaube nicht unbedingt, dass es den Deutschen an Patriotismus mangelt, aber ich glaube, dass die Deutschen vielleicht auch und gerade mit Blick auf die deutsche Geschichte etwas Schwierigkeiten haben, Patriotismus deutlich zu äußern. Umgekehrt glaube ich auch, dass die Deutschen einfach ein genauso gesundes Verhältnis zum Patriotismus wollen, wie alle anderen Länder das auch haben. Ich glaube das konnte man letztes Jahr bei der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland sehr schön beobachten. Deshalb ist Patriotismus, also die Liebe zum eigenen Land, aus meiner Sicht durchweg etwas Positives und sehr stark zu unterscheiden von Nationalismus, was ja im Prinzip als Gegnerschaft gegen andere Länder gerichtet ist. Patriotismus ja, Nationalismus nein, so wie es in anderen Ländern auch Gang und Gäbe ist.
Liminski: Wo sehen Sie denn die Abgrenzung nach rechts? Wo hört die CDU auf, wo beginnt das Feld, wo auch Sie nicht mehr diskutieren wollen?
Mappus: Das Feld beginnt dort, wo undemokratische und radikale Strukturen sich praktisch breit machen. Mit Rechtsradikalen wollen wir nichts zu tun haben. Mit Radikalismus jeder Art wollen wir nichts zu tun haben. Ich würde mir nur wünschen, dass auf der anderen Seite des politischen Lagers das genauso gesehen würde. Dann wäre in Deutschland schon viel gewonnen. Wir lehnen jegliche Form von undemokratischem und radikalem Verhalten ab.
Liminski: Ein Merkmal, Herr Mappus, das man gewöhnlich mit einer konservativen Partei verbindet, ist auch die Sicherheit. Kann man eine Grenze ziehen zwischen Überwachungsstaat und freiheitlicher Demokratie?
Mappus: Ich glaube schon, zumal das, was auch gegenwärtig diskutiert wird, Online-Durchsuchung und vieles andere mehr, Telefonüberwachung und so weiter, spielt sich ja alles unter dem Auge der Justiz ab. Es sagt ja niemand, dass praktisch unbegrenzt überall hineingegangen werden darf. So ziemlich alle Vorschläge stünden unter richterlichem Vorbehalt. Insofern ist das ja eine originär demokratische Struktur und verhindert ja gerade, dass praktisch unkontrolliert überwacht wird. Und ich kann nur sagen in einer Zeit des internationalen Terrorismus, wo Terroristen auf modernste Technologien bauen, halte ich es schon für eine gewisse Schizophrenie, wenn wir uns möglichst langatmig darüber unterhalten, ob wir praktisch auch nur annähernd den gleichen technologischen Stand einsetzen. Ich kann nur sagen wer den Feinden dieser Demokratie entgegentreten will, der muss auch modernste Technologie nutzen können, aber immer unter der Überwachung der Justiz. Ich glaube das ist der richtige Weg.
Liminski: Ein Unterscheidungsmerkmal Ihrer Partei ist das hohe C. Hier wird der Wähler gern mit dem christlichen Menschenbild abgespeist. Wo ist denn der Unterschied dieses Menschenbildes zu einem humanistischen Menschenbild?
Mappus: Zunächst einmal will ich nicht sagen, dass er abgespeist wird, sondern das christliche Menschenbild ist ein Alleinstellungsmerkmal der CDU, auch des konservativen Begriffes der CDU, und es sagt ja im Prinzip nichts anderes aus, als dass Grundlage unserer Politik nicht nur das Verhältnis zum Souverän, sprich zum Wähler ist, sondern auch das Verhältnis zu Gott und zum Glauben. Ich glaube schon, dass das im Gegenteil nicht überholt, sondern aktueller ist denn je und das wollen wir auch weiterhin praktizieren und auch deutlich artikulieren.
Liminski: Sie sagen "wir". Ist denn die Partei überhaupt noch christlich? Andere verwandte oder befreundete Parteien in Europa haben sich längst umgetauft in Volkspartei oder konservative Partei. Wäre das für die CDU nicht ehrlicher, vielleicht auch mit Blick auf die Wählerschaft gewinnbringender sogar?
Mappus: Wir sind eine Volkspartei und wollen es auch bleiben, auch wenn wir nicht so heißen. Aber für mich ist die Grundlage des christlichen Menschenbildes fundamental. Ich kenne viele Parteifreunde, für die das genauso ist. Und nicht alles, was vielleicht nicht aktuell dem Zeitgeist entspricht, muss deshalb gleich überholt sein. Ganz im Gegenteil! Es gibt ja viele Beispiele, dass manche Faktoren eine Renaissance erleben. Und deshalb: Wir bleiben beim christlichen Menschenbild als Grundlage unserer Politik.
Liminski: Damit auch beim hohen C?
Mappus: Damit eindeutig auch beim C, gar keine Frage.
Liminski: All das was Sie sagen trifft auf die CDU eigentlich nur teilweise zu. Ist die CDU überhaupt noch eine konservative Partei, siehe das Wort von Struck am Anfang unseres Gesprächs?
Mappus: Wenn die CDU keine konservative Partei mehr bliebe, dann wäre sie für die Zukunft keine mehrheitsfähige Volkspartei mehr. Insofern gehe ich davon aus, dass sie weiterhin konservativ bleibt. Sie ist es mit Sicherheit. Ich bin auch der Überzeugung, dass die große, große Mehrheit der Partei und vor allem auch unserer Stammwähler will, dass die CDU eine konservative Partei bleibt. Ich sage es nochmals, zum Ausgangspunkt zurückkehrend: Wir brauchen alle drei Wurzeln, die die CDU groß gemacht haben: das liberale Element, das christlich-soziale Element und das konservative Element. Sonst werden wir auf Dauer nicht mehrheitsfähig bleiben.
Liminski: Zwischen Pragmatismus und Programmatik. Die CDU sucht ihre Identität. Das war Stefan Mappus, Fraktionschef der CDU im Landtag von Baden-Württemberg. Besten Dank für das Gespräch, Herr Mappus.
Mappus: Ich danke Ihnen. Schönen Tag noch.