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Mappus hält EnBW-Diskussion für "ehrabschneidend"

Baden-Württemberg kauft EnBW-Aktien zurück - die Opposition ist nicht nur wegen der Mehrkosten empört. Stefan Mappus kennt auch den CDU-Vorstand der Investmentbank, die den Deal abwickelt - und kann nicht verstehen, warum die Opposition das für problematisch hält.

15.12.2010
    Dirk-Oliver Heckmann: Nachdem sich die Lage etwas entspannt hatte in Baden-Württemberg, nach dem heftigen Streit um das Bahnprojekt "Stuttgart 21", meinte Ministerpräsident Stefan Mappus von der CDU, nun wieder in die Offensive kommen zu können, kurz vor den Landtagswahlen im kommenden Frühjahr. Doch danach sieht es derzeit jedenfalls nicht aus. Der Rückkauf des 35 Prozent-Anteils am Stromkonzern EnBW macht dem CDU-Politiker zu schaffen. Die Opposition spricht von einer Spätzle-Connection und droht mit einem Untersuchungsausschuss.
    Vor dieser Sendung haben wir gesprochen mit Stefan Mappus, dem Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, und ich habe ihn zunächst gefragt, wie wichtig es ist, in der Politik den richtigen Instinkt zu haben.

    Stefan Mappus: Ich glaube, das ist sicherlich eine Eigenschaft, die schon von einer gewissen Bedeutung ist, dass man in der richtigen Situation auch bestimmte Dinge erkennt. Insofern würde ich sagen, es ist ziemlich wichtig.

    Heckmann: Und hatten Sie den richtigen Instinkt, als Sie und Ihre Landesregierung Morgan Stanley den Zuschlag gaben bei der Abwicklung der EnBW-Transaktion?

    Mappus: Für diejenigen, die an der Sache interessiert sind und vorurteilsfrei an so etwas herangehen, bin ich mir sicher ja, weil am Ende des Tages muss ja immer die Frage entscheidend sein: Wie können wir für Baden-Württemberg das Beste erreichen. Und wir haben ein Bankhaus eingeweiht beziehungsweise mit auf den Weg genommen, das die EDF sehr gut kennt, weil Morgan Stanley hat EDF in Paris privatisiert, danach haben sie EDF an die Börse gebracht, Morgan Stanley hat in Baden-Württemberg die EnBW schon begleitet bei Anleihen und kein anderes Bankhaus im M und A-Bereich kennt die EnBW und die EDF so gut wie Morgan Stanley. Deshalb war es wichtig und richtig, und ich verlasse mich darauf, dass am Ende auf jeden Fall die Sachargumente zählen, nicht irgendwelche Emotionen, die man vermeintlich schürt.

    Heckmann: Aber andererseits ist es, Herr Mappus, ja so, dass der Deutschland-Chef von Morgan Stanley, Dirk Notheis, bei Ihnen in der CDU im Landesvorstand sitzt. Er gilt als persönlicher Freund von Ihnen. Und da wundern Sie sich, dass vom Geschmäckle die Rede ist?

    Mappus: Nein! Ich wundere mich darüber, dass die Sache nicht mehr zählt. Schauen Sie, wenn es in Deutschland in Zukunft so ist, wer einen Ministerpräsidenten kennt und auch noch CDU-Mitglied ist, der scheidet automatisch aus, unabhängig von der Frage, ob er die Kompetenz hat oder nicht, da kann ich nur sagen, gute Nacht Deutschland. Das kann doch nicht wahr sein! Am Ende müssen Sachargumente entscheiden. Wenn das, was Sie gerade sagen, entscheidend wäre, heißt das im Klartext, in Zukunft wird niemand mehr in eine Partei gehen und mitarbeiten, es wird auch niemand mehr als Berater oder als jemand, der mitarbeitet, einem Ministerpräsidenten zur Seite stehen. Ist das wirklich das, was diese Gesellschaft will? Das glaube ich nicht und deshalb rate ich einfach, dass Sachargumente eine Rolle spielen, und wir haben ja alles transparent auf den Tisch gelegt. Die Opposition hat sämtliche Verträge einsehen können, es bleibt nichts geheim, sondern es ist alles transparent, und deshalb finde ich diese Diskussion ehrabschneidend und finde sie einfach nicht in Ordnung.

    Heckmann: Ihnen gegenüber ehrabschneidend?

    Mappus: Ja, vor allem auch gegenüber Dirk Notheis, aber mit Verlaub auch mir. Bei mir buche ich das Ganze unter Wahlkampf ab. Ich habe jetzt nicht erwartet, dass die Opposition das Ganze begrüßt. Sie sagt ja jetzt, die Vorgehensweise war richtig, aber die Art und Weise, wie es umgesetzt wurde, falsch. Das wundert mich jetzt wenig; drei Monate vor der Landtagswahl konnte ich nicht erwarten, dass ich von Grünen jetzt besonderes Lob kriege, zumal die Grünen ohnehin so ziemlich gegen alles sind, was wir in Baden-Württemberg machen. Aber gegenüber Dirk Notheis finde ich es einfach nicht fair.

    Heckmann: Bald sind Landtagswahlen, Sie haben es gerade selber gesagt. Erst haben Sie in einer gewissen Hinsicht die Stärke des Widerstands gegen "Stuttgart 21" unterschätzt, jetzt die Geschichte mit EnBW. Haben Sie sich denn politisch gesehen damit einen Gefallen getan?

    Mappus: Also was "Stuttgart 21" angeht, hat die Entwicklung des letzten halben Jahres, glaube ich, nicht nur mich überrascht, sondern so ziemlich alle. Wir wissen jetzt auch ein Stück weit, wie es organisiert war. Außerdem glaube ich, dass der Schlichtungsprozess zugegebenermaßen in der Not geboren, aber ein hervorragendes Instrument war. Wir übertragen das Ganze auf zukünftige Projekte, wir machen jetzt einen Sieben-Punkte-Plan, wie man aus "Stuttgart 21" lernen kann. Ich bin der Überzeugung, dass das mit EnBW für Baden-Württemberg absolut richtig war, mache auch die Erfahrung, dass es im Land hervorragend ankommt, und ich sage Ihnen ganz offen, ich lasse mir das auf gut Schwäbisch gesagt nicht versauen, dadurch, dass jetzt die Grünen und die SPD ein Vehikel suchen, wie sie ein für Baden-Württemberg gutes Geschäft kaputt machen können, indem sie vermeintliche Freundschaften praktisch überqualifizieren und abwerten. Das mache ich nicht mit! Ich will für Baden-Württemberg etwas erreichen und ich mache diese Fundamentalopposition, die man hier betreibt, einfach nicht mit.

    Heckmann: Wir sprechen mit dem Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, mit Stefan Mappus von der CDU. – Herr Mappus, kommen wir zum EU-Gipfel in Brüssel, der ab morgen stattfindet. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die hat sich ja den Unmut der europäischen Partner zugezogen. Erst schwadronierte sie über die Einbeziehung privater Banken bei der Krisenbewältigung, was die Zinsen für Griechenland beispielsweise und Irland in die Höhe trieb, dann die Einigung mit Sarkozy, was als Affront gegenüber den anderen Partnern angesehen wurde, schließlich die Ablehnung dieser Idee der sogenannten Euro-Bonds. Welche Note würden Sie dem Krisenmanagement der Bundesregierung geben?

    Mappus: Eine sehr, sehr gute Note, weil Angela Merkel genau das macht, was doch auch richtig ist. Natürlich hat sie einen Blick für das Gesamte in Europa, aber sie hat doch als Bundeskanzlerin natürlich auch die Aufgabe, deutsche Interessen zu vertreten. Und was Herr Sarkozy und was Angela Merkel machen ist, einfach darauf hinzuweisen, dass es nicht sein kann, dass Frankreich und Deutschland über einheitliche Euro-Bonds praktisch den Rest von Europa dauersubventionieren. Das wäre eine Art neuer Länderfinanzausgleich innerhalb Europas, und das kann nicht wahr sein. So wie bei dem Thema, das ich vorher gesagt habe, in Baden-Württemberg, muss doch auch hier der ökonomische Sachverstand im Vordergrund stehen. Deshalb kann ich nur sagen, das, was Angela Merkel gemacht hat, ist absolut richtig. Und dass auch Nicolas Sarkozy, dass Frankreich das unterstützt und ja manch andere mehr, das zeigt doch, dass am Ende in diesem Prozess auf jeden Fall die Sachargumente im Vordergrund stehen. Also Note 1 bis 2 mindestens.

    Heckmann: Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, der wirft Angela Merkel nicht nur simples Denken, sondern auch uneuropäisches Verhalten vor, und der Außenminister Luxemburgs, Jean Asselborn, stieß im Deutschlandfunk ins gleiche Horn. Wir hören mal kurz rein.

    O-Ton Jean Asselborn: Ich finde, dass in Deutschland vielleicht der Fehler gemacht wird, seit der Griechenland-Krise, dass zu viel das Nationale in den Vordergrund gestellt wird, dass von Bismarck und von Zahlmeister zu viel geredet wird. Wir haben eine Krise des Euros und wir müssen diese Krise zusammen bewältigen.

    Heckmann: So weit Herr Asselborn. – Herr Mappus, erleben wir also eine Renaissance einer nationalen Politik?

    Mappus: Nein! Aber Europa ist kein Bundesstaat, sondern ein Staatenbund, und da kann es auch nicht verboten sein, dass man in redlicher Art und Weise die nationalen Interessen auch vertritt. Also man kann sich jetzt wahrlich nicht darüber beschweren, dass Deutschland nicht genügend getan hat für die europäische Einheit beziehungsweise auch für die Stärkung des Euro in den letzten Monaten.

    Heckmann: Also geht es doch darum, dass Deutschland nicht höhere Zinsen zahlen will?

    Mappus: Ja, natürlich! Das ist auch richtig so, denn die Krise des Euro ist keine genau genommene Krise der Währung Euro, sondern ist eine Krise, die Staaten verursacht haben, die überdurchschnittlich verschuldet sind. Und jetzt kann es doch nicht wahr sein, dass diejenigen Staaten, die weniger Schulden gemacht haben und vernünftig gewirtschaftet haben, praktisch genauso viel Zeche zahlen wie diejenigen, die das Ganze Schlamassel verursacht haben. Das ist eine völlig natürliche Konsequenz, dass wenn die Verschuldung nach oben geht, über höhere Zinsen das Ganze auch beglichen werden muss. Und der Euro-Bond ist ja nichts anderes, als dass man das Zinsniveau quer durch Europa nivelliert und dass praktisch dadurch diejenigen, die ordentlich gewirtschaftet haben, wieder die Zeche überdurchschnittlich zahlen, und das kann nicht wahr sein. Diejenigen, die unsolide gewirtschaftet haben, die müssen endlich ihre Haushalte in Ordnung bringen. Wir Deutschen können nicht immer alles begleichen. Wir haben in den letzten Monaten wahrlich einen Riesenbeitrag geleistet dazu, dass im europäischen Vergleich der Euro einigermaßen stabil ist. Wolfgang Schäuble hat einen exzellenten Job geleistet und deshalb ist auch hier die Linie der Bundeskanzlerin absolut richtig.

    Heckmann: Trotzdem könnte es helfen, Herr Mappus, wenn die Bundesregierung einheitlich auftreten würde. Stattdessen widersprechen sich Kanzlerin und Finanzminister Schäuble ständig gegenseitig, etwa in der Frage, ob der Internationale Währungsfonds bei der Griechenland-Hilfe einbezogen werden soll, oder jetzt auch bei den Euro-Bonds. Schäuble hat gesagt, diese Euro-Bonds, die könnten kommen, wenn die Wirtschafts- und Finanzpolitik in Zukunft stärker koordiniert würde in der EU. Wären Sie da dabei, weitere nationale Souveränität nach Brüssel abzugeben?

    Mappus: Ich würde es mal so sagen: Das entspricht ja dem, wo ich gerade drauf hingewiesen habe. Wenn man unterschiedliche Politiken macht und völlig unterschiedliche Haushalte vorweist, die einen mit Riesenverschuldung und die anderen mit geringer Verschuldung, dann kriegen sie keine einheitliche Linie hin, dann ist der Kurs, dass man keine Euro-Bonds macht, absolut richtig. Wenn man für die Zukunft – aber ich gehe mal davon aus, das ist eher ein langwieriger Prozess – in bestimmten entscheidenden makroökonomischen Fragen eine gewisse einheitliche Linie hinbekommen könnte, dann kann man auch über Euro-Bonds reden.

    Heckmann: Und da wären Sie auch dafür, langfristig gesehen, eine stärkere Integration der EU?

    Mappus: Wenn das ginge, ja, aber ich sehe da gewisse Schwierigkeiten, weil das natürlich schon ein enormer Eingriff in Nationalstaatlichkeit ist, und das bei 26 Ländern hinzukriegen, da wäre ich mal gespannt, ob das funktionieren kann. Aber es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder Grunddaten werden ein Stück weit einheitlich gemacht, dann kann man auch über Euro-Bonds reden, oder die nationalen Länder machen weiterhin autonom ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik, dann muss klar sein, wer schlecht wirtschaftet und dadurch auch hohe Zinsen generiert, der muss mehr zahlen als derjenige, der normal wirtschaftet. Das ist eine natürliche Sache in einem Wirtschaftskreislauf und deshalb kann sich daran auch nichts ändern.

    Heckmann: Hier im Deutschlandfunk der Ministerpräsident Baden-Württembergs, Stefan Mappus von der CDU. Herr Mappus, ich danke Ihnen.

    Mappus: Ich danke Ihnen!

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