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Marine Hitzewellen
Waldbrände im Ozean

Hitzewellen an Land bestimmen oft wochenlang die Schlagzeilen. Doch wenn sie die Meere aufheizen, finden sie nur wenig Beachtung. Zu Unrecht, denn marine Hitzewellen sind in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel häufiger geworden. Und sie können verheerende Auswirkungen auf Ökosysteme haben.

Von Dagmar Röhrlich | 25.03.2019
Fische im Kelp-Wald vor der kalifornischen Küste.
Marine Hitzewellen bedrohen das Leben im Meer (imago)
Im Februar 2011 stiegen vor Westaustralien die Wassertemperaturen an, auf bis zu 30 Grad Celsius. Über Hunderte Kilometer hinweg verschwanden innerhalb weniger Wochen Tangwälder und Seegraswiesen, Korallenriffe blichen aus, Meerestiere starben: Das Ereignis ging als "Ningaloo Niño" in die wissenschaftliche Literatur ein und war eine ökologische Katastrophe. Daniel Smale von der Marine Biological Association in Plymouth beschloss daraufhin, das Phänomen "Meereshitzewelle" näher zu untersuchen:
"Wir wollten unter anderem der Frage nachgehen, ob diese Hitzewellen in den Ozeanen durch den Klimawandel häufiger und intensiver geworden sind. Und unsere Analysen belegen, dass in den vergangenen Jahrzehnten weltweit die Zahl der Tage mit deutlich erhöhten Meerestemperaturen um 54 Prozent gestiegen ist."
Auch im Polarmeer treten Hitzewellen auf
Meereshitzewellen, die an sich auch natürlich auftreten, nehmen durch den Klimawandel an Zahl und Intensität deutlich zu. Bei ihrer Entstehung spielen eine Reihe von Faktoren eine Rolle: die Verlagerung von warmen Strömungen beispielsweise, das Aufheizen der Meeresoberfläche durch heiße Luft, Winde, Klimaphänomene wie El Niño. Kein Meer ist vor ihnen sicher:
"Das haben wir beispielsweise in den vergangenen Wintern mehrfach in der Arktis erlebt, als die Wassertemperaturen für die Jahreszeit um drei, vier, fünf Grad zu hoch waren."
Fataler Dominoeffekt
Um die Folgen für die Ökosysteme abzuschätzen, analysierte das Team 116 Forschungsarbeiten zu acht gut untersuchten Meereshitzewellen - darunter der rekordverdächtige "Ningaloo Niño" von 2011. Danach sind solche Ereignisse sozusagen das marine Äquivalent zu verheerenden Waldbränden:
"Wenn große Tangwälder oder Seegraswiesen absterben, kann das einen Dominoeffekt auslösen: Mit ihnen verschwinden wichtige Lebensräume, die Artenvielfalt nimmt ab. Unsere Analysen zeigen außerdem, dass Regionen im Westatlantik oder im Ostpazifik besonders empfindlich auf Hitzewellen reagieren. Ein Grund dafür ist, dass dort viele Arten leben, die ohnehin an ihre Grenzen stoßen: Sie kommen gerade noch mit den durch den Klimawandel gestiegenen Temperaturen zurecht. Wenn eine Meereshitzewelle das Wasser schnell erwärmt, ist es wahrscheinlich, dass sie sterben."
Folgen bleiben lange Zeit spürbar
Da die Hitzewellen die Wassertemperaturen großräumig steigen lassen, können selbst Fische oft nicht in kühlere Zonen fliehen. Daniel Smale warnt: Der Mensch setzte die Meere schon vielen Bedrohungen aus: Vermüllung, Versauerung, Überdüngung.
"Doch für mich als Meeresökologen sieht es so aus, als ob der Klimawandel und vor allem diese marinen Hitzewellen Küstenökosysteme und Artenvielfalt schnell verändern werden. Der Klimawandel dürfte diese Meereshitzewellen noch verschlimmern, und so könnten sie zur größten Bedrohungen für die Ozeane überhaupt werden."
In Westaustralien sind die Folgen der Hitzewelle von 2011 immer noch spürbar: Auch wenn sich die Riffe erholt haben, sind die Seetangwälder nicht wieder aufgewachsen.