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Marktleiter für drei Monate

Einmal Marktleiter sein, vom Gabelstaplerfahrer bis zum Feuerschutzbeauftragten, vom Kassendienst bis zum Pflanzenspezialisten den Dienstplan einteilen, das ist ein Traumjob für Bernd Kemmann, Doreen Hänsel und Diana Goldau. Auf 5000 Quadratmeter Verkaufsfläche südöstlich von München sind sie drei Monate lang Chefs eines Teams von Azubis.

Von Susanne Lettenbauer | 08.08.2005
    Bernd: "Ich habe BWL an der Berufsakdemie in Heidenheim studiert."

    Doreen: "Also ich mache ein BWL-Studium, bin BA-Student. Das ist ein duales Studium. Ich bin jetzt fast fertig. Im September hab ich dann alles abgeschlossen."

    Diana: "Also ich studiere BWL an der Berufsakademie wie die anderen Studenten auch. Ich bin jetzt seit vier Wochen fertig geworden, bin darüber ganz glücklich. Es klappt alles prima. Wir haben ein gutes Team hier zusammengestellt."

    Einmal Marktleiter sein, sein eigenes Team zusammenstellen, vom Gabelstaplerfahrer bis zum Feuerschutzbeauftragten, vom Kassendienst bis zum Pflanzenspezialisten den Dienstplan einzuteilen, das ist der Traumjob für Bernd Kemmann, Doreen Hänsel und Diana Goldau. Keine Frage also, dass sie ihre Semesterferien in diesem Jahr verschoben, um gemeinsam Chef auf Zeit zu werden, verantwortlich zu sein für 5000 Quadratmeter Verkaufsfläche südöstlich von München.

    Doreen: "Also ich bin jetzt hier die Marktleiterin, bin verantwortlich für die Werbung, Maschinen, Eisenwaren, Leuchten und für den Sicherheitsbereich. Dafür bin ich verantwortlich für 8 Azubis, die in dem Bereich sind, und komplett für die ganze Marktwerbung in dem Markt."

    Bernd: "Bis jetzt muss ich sagen. Läuft super, die Umsätze stimmen auch, passt alles, das ist ja das Wichtigste und bin sehr zufrieden bisher."

    Bernd Kemmann mit Schlips und Anzug nimmt man den Marktleiter gerne ab, Doreen Hänsel koordiniert gerade die Werbung und Diana Goldau kontrolliert den Wareneingang. Wie fühlt man sich denn als Chef über gut 60 Mitarbeiter?

    "Anfangs schon ein bisschen ungewohnt. Soviel Verantwortung trägt man ja auch nicht jeden Tag. Man muss sich da schon ein bisschen dran gewöhnen, aber es macht auf jeden Fall Spaß. Wir haben hier super Leute mit denen man auch gut zusammenarbeiten kann. Wenn man sich gegenseitig hilft, und darauf kann man sich hier verlassen, kommt man mit der Verantwortung hier gut zurecht."

    Einer, auf den sich Diana Goldau verlassen kann ist Goran Jukic. Er sitzt an der Kasse, bekommt manchmal ein flaues Gefühl beim Abrechnen, aber dass ihm Studenten sagen, wo es langgeht, ist kein Problem:

    "Stört mich nicht, ich betrachte die als meinesgleichen. Ich tue sie genauso duzen wie andere, also siezen werde ich die wohl mal nicht."

    Ein wenig ungewohnt ist es schon, dass junge Frauen in diesem Baumarkt verantwortlich sind für Sanitäranlagen, Autozubehör, Innendeko und Schrauben. Die beiden weiblichen Führungskräfte auf Zeit haben damit jedoch kein Problem: Doreen Hänsel initiierte in ihrem Heimatbaumarkt bereits eine viel beachtete Frauenpower-Aktion: Wie verlegt Frau das Parkett selber, repariert das Klo, tapeziert das Appartement?

    Genau dieses Engagement war ausschlaggebend für die Personalleiterin des Baumarktes, sich für die drei Studenten zu entscheiden. Tanja Klett absolvierte selbst einmal das BWL-Studium der Berufsakademie. Sie wählte nach einer Azubi-Umfrage unter allen ihren Münchner Märkten die 63 jungen Männer und Frauen aus, besorgte die Unterkunft im Nachbarort. Wer welche Position bekommen sollte, entschieden die Studenten:

    "Die haben soviel an Ideen mit eingebracht, so viele Aufgaben bereits mit übernommen, dass ich da einfach eine gute Unterstützung hatte und auch unsere Geschäftsführung dann gesagt hat: Wir probieren es, das Risiko ist kalkulierbar, wir gehen auch davon aus von vornherein, dass das eine oder andere schief geht, aber wir wissen, dass es in einem Rahmen bleibt, der kalkulierbar ist. Und so haben wir uns getraut, sozusagen."

    So ganz uneigennützig ist das Azubi-Markt-Projekt natürlich nicht von
    der Geschäftsführung. Seit sich die Bewerbungen auf Stellenausschreibungen zwar häufen, selten jedoch ein passender Bewerber dabei ist, setzt man lieber auf die eigene Ausbildung. Die Frage, warum Tanja Klett einen Monat lang die älteren Angestellten in den Urlaub schickt, erübrigt sich fast:

    "Ja, jetzt kann ich natürlich sagen, weil wir überzeugt sind, dass wir eine gute Ausbildung haben, das ist sicherlich der eine Part. Ich denke wir haben viel Erfahrung damit. Wir brauchen die Azubis aus den eigenen Reihen um später vakante Stellen mit unseren eigenen Leuten besetzen zu können und nicht ausschließlich durch externe. Und weil sie gezeigt haben, dass sie einfach ein hohes Maß an Verantwortung tragen wollen."

    Und was sagen diejenigen, um die sich alles dreht? Die Kunden des Baumarktes auf der Suche nach dem passenden Bohrer, dem besten Schnäppchen oder dem Rat, wie tausche ich die Ware um?

    "Also das ist ein Azubi-Markt? Na ja, das ist mir schon aufgefallen, dass so viele Lehrlinge da sind, das finde ich toll, ja schön."

    "Finde ich gut. Dann lernen sie mal Verantwortung zu übernehmen und nicht immer jemanden vorzuschicken, sondern mal selber an vorderster Front zu stehen und den Kunden zu bedienen."

    "Das finde ich nett. Die sind sehr freundlich und wissen erstaunlich gut Bescheid. Das ist ja schon viel wert. In manche Märkten kommt man rein, rennt wie irre durch die Regale und findet keinen Ansprechpartner."

    Noch bis Ende August braucht man hier keine Angst zu haben, zu wenig Hilfe zu finden. Ein Drittel mehr Belegschaft in den Gängen, das fällt auf, bislang nur positiv, auch wenn alles ein wenig aufgeregter zugeht als sonst.