Freitag, 29. März 2024

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Masern-Impfpflicht
"Wir hoffen, dass ein klärendes Gespräch ausreichend ist"

Ab dem 1. März müssen Kinder beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten eine Masern-Schutzimpfung nachweisen. Für Schulen, Kitas und die jetzt schon überlasteten Gesundheitsämter bedeute die Kontrolle einen erheblichen Zusatzaufwand, sagte Uwe Lübking vom Deutschen Städte- und Gemeindebund im Dlf.

Uwe Lübking im Gespräch mit Armin Himmelrath | 25.02.2020
Ein gelber Impfpass mit Spritze: Bei "Masern" steht ein Kreuz.
Bei den meisten Kindern wird die neue Impfpflicht und deren Kontrolle nicht allzu aufwendig - notorische Impfgegner könnten allerdings gewaltig Sand ins Getriebe streuen (imago/Arnulf Hettrich)
Armin Himmelrath: Am Sonntag ist der 1. März, und dann ist es soweit, dann greift ein neues Gesetz zum Schutz vor Masern. Das beinhaltet eine Impfpflicht für alle, die sich in Bildungseinrichtungen aufhalten, in denen überwiegend Minderjährige betreut werden, das heißt Schulen und Kitas. Und das sorgt für Verwirrung und ein bisschen Probleme in der Vorbereitung – wir haben das eben schon ganz kurz gehört. Uwe Lübking ist beim Deutschen Städte- und Gemeindebund der Dezernent, der für Schulen und Bildung zuständig ist, und ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Tag, Herr Lübking!
Uwe Lübking: Herr Himmelrath, ich grüße Sie!
Himmelrath: Wenn wir über dieses Masernschutzgesetz reden, über die Impfpflicht oder De-facto-Impfpflicht, die dort eingeführt werden soll, dann vielleicht mal zu Beginn eine kleine Skizze, was da eigentlich genau geplant ist. Was müssen Sie als Träger vieler Bildungseinrichtungen dort sicherstellen?
Lübking: Was gemacht werden muss in den Bildungseinrichtungen, ist, dass für alle Kinder oder dann, wenn es halt dann die Schüler sind, die dann zur Schule kommen oder in eine Kita gehen wollen, dass der Nachweis erbracht wird, dass sie zwei Schutzimpfungen zum Masernschutz nachweisen können. Wer das nicht kann, kann in eine Kita nicht aufgenommen werden. Bei der Schule sieht es anders aus, da haben wir ja eine Schulpflicht – Schulpflicht geht der Impfpflicht vor –, aber der Vorgang ist dann von den Schulen an die Gesundheitsämter, die in der Regel in den Ländern dann für die weitere Umsetzung zuständig sind, weiterzuleiten, und von dort müssen dann die weiteren Schritte, gegebenenfalls ein Bußgeld, gegen die Eltern verhängt werden.
Schulpflicht geht vor Impfpflicht
Himmelrath: Machen wir es konkret: Wenn ich mein Kind anmelde in der kommenden Woche an einer weiterführenden Schule und weigere mich, eine Schutzimpfung vorzunehmen und auch nachzuweisen, was passiert dann?
Lübking: Dann passiert Folgendes: Ihr Kind wird zur Schule mit aufgenommen, weil eben die Schulpflicht der Impfpflicht vorgeht, aber gleichzeitig wird die Schulleitung diesen Vorgang dem Gesundheitsamt melden, und Sie würden dann vom Gesundheitsamt eine weitere Nachricht erhalten. In der Regel werden Sie dann zu einem Gespräch eingeladen, es wird noch einmal deutlich gemacht, warum es so wichtig ist, diese Schutzimpfung zu haben. Und wenn Sie sich dann weiter weigern, Ihr Kind impfen zu lassen, dann kann eben gegebenenfalls ein Bußgeld verhängt werden. Wenn Sie sich dann noch weiter weigern sollten, kann das sogar zu einem Zwangsgeld führen. Wir hoffen aber, dass ein klärendes Gespräch ausreichend ist.
Hauptarbeit in Problemfällen bei Gesundheitsämtern
Himmelrath: Wie viel Arbeit bedeutet das zusätzlich für Schulen und Schulleitungen auf der einen Seite, und Sie haben gerade gesagt, dass die Gesundheitsämter dann mit an Bord sind, für die dann auf der anderen Seite?
Lübking: Ja, das hängt davon ab, ob entsprechende Nachweise schnell geführt werden können. Wer ein Impfheft hat, kann das ja ganz schnell nachweisen, dass die Impfungen vorhanden sind, und dann ist der Aufwand natürlich geringer, als wenn das nicht nachgewiesen werden kann, die Dokumente nicht da sind, auch ein Arzt nicht bescheinigen kann, dass die Impfung stattgefunden hat oder dass eine Immunität besteht, dann dauern die Fälle natürlich länger. Aber die Hauptarbeit wird in der Regel dann wohl bei den Gesundheitsämtern liegen.
Impfgegner planen den Gang zum Verfassungsgericht
Himmelrath: Das klingt aber jetzt so ein bisschen wie Pfeifen im Walde, dass Sie sagen: Wir hoffen, dass da über ein Gespräch Verständigung erzielt werden kann. Impfen ist ja hochgradig – jedenfalls in manchen Kreisen – umstritten, medizinisch nicht, aber dann mit der Ideologie, die dahintersteht. Und wenn dann Eltern hergehen und sagen, wir wollen euch jetzt richtig viel Arbeit machen, haben die es ja ganz leicht nach diesem neuen Gesetz.
Lübking: Sie können die Arbeit machen, wir gehen allerdings auch davon aus, dass es Musterverfahren gibt, wenn ein Bußgeld verhängt wird, dass Eltern sich dann rechtlich dagegen wehren. Und ich hab auch schon gehört, dass man bereit ist, bis nach Karlsruhe, also bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen, um klären zu lassen, ob eine Impfpflicht in dieser Weise auch geregelt werden darf.
Neue Aufgaben, aber kein zusätzliches Personal
Himmelrath: Sie haben eben angedeutet, es wäre gut, wenn man einheitliche Regelungen hätte vonseiten der Länder. Gibt es die noch nicht? Ist ja nicht mehr lange hin bis zum kommenden Sonntag.
Lübking: Ein Problem dieses Gesetzes war, das ist erst am 13.02. im Bundesgesetzblatt verkündet worden – natürlich kannte man den Gesetzentwurf dann schon eher –, und das ist ja bis zum 01.03. dann nicht allzu lange Zeit. Es hat die Gespräche gegeben, es gibt auch in den Bundesländern Ausführungsbestimmungen, zumindest kenne ich die, und dort wird auch festgelegt, wie die Verfahren auszusehen haben. Aber generell ist es schon richtig, wir hätten immer (gern) etwas mehr Zeit zur Vorbereitung. Und eins muss man auch sehen: Das sind alles Aufgaben, die zusätzlich auf die Schulleitungen, auf die Schulsekretariate, auf die Kitas und auf das Gesundheitsamt zukommen, ohne dass man mehr Personal dort zur Verfügung hat. Gerade die Gesundheitsämter sind jetzt schon überlastet, und sie bekommen dann wieder eine neue Aufgabe.
Himmelrath: Was kann man denn Schulleitungen zum Beispiel raten, was können die jetzt noch tun?
Lübking: Die Schulleitungen haben jetzt das Gesetz umzusetzen nach den Vorgaben der Länder. Ganz im Gegenteil, die sind sogar verpflichtet, dies zu tun, denn auch Einrichtungen, also Schulleitungen, droht ein Bußgeld und ein Ordnungsgeld, wenn sie zum Beispiel bei den Kindern nicht auf den Nachweis einer Schutzimpfung bestehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.