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Mashrou' Leila auf Tour
Wo Regenbogen-Fahnen nicht verboten sind

Verfolgt und festgenommen: Ende 2017 hatte ein Konzert der queeren, libanesischen Band Mashrou' Leila in Kairo für einige Fans böse Folgen. Nun gab es beim einzigen Deutschland-Konzert ein Wiedersehen zwischen der Band und ihren Anhängern – in Freiheit und mit neuem Optimismus auf beiden Seiten.

Von Cornelia Wegerhoff | 28.04.2018
    Zuhörer der libanesischen Gruppe Mashrou Leila halten beim Konzert am 22.09.2017 in Kairo (Ägypten) eine Regenbogenfahne in die Höhe. Wegen einiger Regenbogenfahnen bei einem Konzert in Kairo darf die wohl bekannteste Indie-Rockband der arabischen Welt nicht mehr in Ägypten auftreten.
    Kultband der LGBT-Szene in der arabischen Welt - seit dem Konzert in Kairo am 22.09.2017 darf Mashrou' Leila nicht mehr in Ägypten auftreten (dpa / Benno Schwinghammer)
    "Mashrou' Leila" bedeutet ins Deutsche übersetzt "nächtliches Projekt". Und dieses Projekt ist in der Kölner Philharmonie eindrucksvoll gelungen. Die arabischen Gäste im Publikum sorgten mit orientalischem Freudentrillern für einen angemessenen Empfang. Und die Band aus dem Libanon lieferte eine mitreißende Show, angeführt von Frontmann Hamed Sinno an Mikrofon und Megafon. "Das ist unser zweites Mal in Köln", so der Violinist Haig Papazian. "Das erste Konzert war vor zwei Jahren."
    "Ja, und das war so gut, dass wir schon zwei, drei Wochen später die Philharmonie gebucht haben", ergänzt Gitarrist Firas Abou Fakher. "Wir sind echt froh, wieder da zu sein. Die Leute hier sind unglaublich."
    Sex, männliche Dominanz und Nationalismus im Nahen Osten
    Für die ausgelassene Stimmung sorgten vor allem die vielen arabischsprachigen Mashrou' Leila-Fans im Publikum. Sie hatten zum Teil weite Wege auf sich genommen, um die Kultband aus dem Nahen Osten live zu sehen:
    "Ich wohne in Rostock, und ich bin sieben Stunden hergefahren, zu diesem Konzert. Es war wunderbar. Also, ich komme aus dem Libanon, und ich bin ein großer Fan. Es war unglaublich."
    "Mit einer Menge von Texten sind wir eng verbunden, weil wir queer sind", sagt dieser junge Mann, der aus Jordanien stammt. "Das letzte Album von Mashrou' Leila hat eine Menge gesagt zu Dingen wie Sex, männliche Dominanz und Nationalismus. Das hängt bei uns im Nahen Osten alles irgendwie zusammen."
    Vor zehn Jahren haben sich Mashrou' Leila gegründet. An der Uni von Beirut spielten sie abends Jam-Sessions. Die Studenten von einst sind im Nahen Osten inzwischen Superstars. Vor allem Sänger Hamed Sinno wird von seinen Fans gefeiert. Der 30-jährige Musiker gilt als Freddie Mercury des Nahen Ostens. Der Vergleich bezieht sich dabei auf seine Stimmgewalt, die über drei Oktaven reicht, und seine offen gelebte Homosexualität. Seine vier Hetero-Kollegen unterstützen ihn dabei, singen mit ihm gemeinsam gegen die Diskriminierung von Schwulen an mit Zeilen wie "Sie haben uns beigebracht, ein Mann zu sein". Doch unmissverständlich heißt es in einem Song:
    "Sag mir, dass er dich befriedigt, so wie ich es einst tat". Mashrou' Leila gilt so als Kultband der LGBT-Szene in der arabischen Welt.
    Dutzende Festnahmen als Folge
    Auch in der Kölner Philharmonie wurden Regenbogenfahnen geschwenkt. Im September vergangenen Jahres sorgten genau diese Flaggen nach einem Mashrou' Leila-Konzert in Kairo jedoch für einen Eklat. 35.000 Zuschauer hatten dort eigentlich einen großartigen Abend, berichtete der junge Ägypter Ahmed am Rande des Konzerts in Köln. Seinen kompletten Namen will er aus Sicherheitsgründen nicht nennen. Denn:
    "Sie haben angefangen, alle Homosexuellen in Ägypten zu attackieren", so Ahmed. "In drei Monaten wurden mehr als 106 Leute festgenommen. 46 von ihnen wurden zu Haftstrafen zwischen 6 Monaten und 6 Jahren verurteilt."
    Ahmed hatte Glück: Kurz nach dem Konzert reiste er beruflich nach Deutschland und entging der Verhaftungswelle. Doch sein Leben sei seither komplett auf den Kopf gestellt, erzählt der Ägypter nach dem Konzert in Köln den Musikern.
    "Ich wollte ja nach Ägypten zurück. Aber es wurde ein Strafverfahren gegen mich eröffnet, meine Wohnung durchsucht. Und so habe ich entschieden, zu bleiben." Ahmed wurde in Deutschland Asyl gewährt. Das Mashrou' Leila-Konzert in Köln war das erste große Ereignis, bei dem er wieder singen und tanzen konnte, erzählt der Ägypter gerührt.
    "Das ist das fünfte Mal, dass ich Euch sehe", sagt er den Musikern, als die ihn sogar Backstage empfangen. "Und ich fand es heute am besten. Aber ich weiß nicht, vielleicht liegt es daran, dass ich nun alles anders empfinde."
    Ahmed vermisst seinen Partner, seine Heimat, seine Mutter. Bisher hat er es nicht übers Herz gebracht, ihr zu sagen, dass er in Deutschland bleiben muss, wenn er in Ägypten nicht ins Gefängnis gehen will. Die dramatischen Folgen eines Mashrou' Leila-Konzertes – sie machen auch den Musikern selbst zu schaffen. Derzeit bereitet die Band ein neues Album vor.
    "Es ist sehr emotional, neue Songs zu schreiben", sagt Hamed Sinno, "denn wir stehen immer noch unter dem Eindruck dieser Ereignisse. Aber die Musik hilft uns, wieder etwas Optimismus zu finden für unseren Wunsch zu kämpfen."