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Massaker von Srebrenica
Die UNO hat Konsequenzen gezogen

Vor 20 Jahren töteten serbische Truppen in Bosnien Tausende muslimische Männer und Jungen. Das Massaker gilt als das schlimmste in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Vor allem die Vereinten Nationen versagten beim Schutz von Zivilisten. Haben die UNO aus ihren Fehlern gelernt?

Von Kai Clement | 11.07.2015
    Im Marmor gemeißelte Namen der Opfer in der Gedenkstätte Potocari in der Nähe von Srebrenica
    Im Marmor gemeißelte Namen der Opfer in der Gedenkstätte Potocari in der Nähe von Srebrenica (dpa / picture alliance / Thomas Brey)
    20 Jahre nach dem Tod von 8.000 Menschen unter den Augen der Vereinten Nationen in einer sogenannten UNO-Schutzzone ist das Schuldeingeständnis der Vereinten Nationen umfassend, so auch bei Vize-Generalsekretär Jan Eliasson.
    "Wir kommen hier in Demut und mit Bedauern zusammen. Wir sehen die Fehler der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft, diese Tragödie zu verhindern."
    Ganz ähnlich der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte Seid Raad al Hussein in einer Videoschalte von seinem Sitz in Genf.
    "Wie konnten wir alle damals in den UN nur so dumm gewesen sein, diese Mord nicht vorausgesehen zu haben? Wie konnten wir nur so viele Fehler machen?"
    Erneutes Scheitern
    20 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica scheitern die Vereinten Nationen erneut - der Sicherheitsrat zeigt sich einmal mehr gespalten, kann sich nicht einmal auf eine Resolution einigen, die den Begriff Völkermord verwendet. Russland stellt sich quer. Für den UNO-Experten Professor Thomas Weiss von der New Yorker Universität CUNY ist das ein Armutszeugnis. Sein Urteil fällt deshalb harsch aus.
    "Der Sicherheitsrat ist entweder vollkommen nutzlos, wie die meiste Zeit, oder er kann gelegentlich - sogar - handeln. Wir haben das in Libyen gesehen, mit fünf Enthaltungen, oder beim Aufsammeln der Trümmer in Syrien."
    Chemiewaffen in einem Konflikt - das war selbst dem Sicherheitsrat zu viel. Wenn sich das vermeintlich mächtigste Gremium aber so oft, von der Ukraine über Jemen bis hin zu Srebrenica, immer wieder selbst im Weg steht, wer kann Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit die Stirn bieten?
    Wir, die Vereinten Nationen, sagt - trotz alledem - UNO-Vize-Generalsekretär Jan Eliasson. Seine Liste all der Verbesserungen nach Srebrenica ist lang. Ein Sonder-Berater zur Verhinderung von Völkermord, Tribunale wie zu Ex-Jugoslawien oder Ruanda oder die 2005 formulierte Idee der sogenannten Schutzverantwortung - also auch gegen den Willen einer Regierung einzugreifen, um dessen Bürger von schweren Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Auch die Arbeit der Blauhelme habe sich geändert.
    Getto für Soldaten aus der Dritten Welt
    "Friedenstruppen haben nun oft ein robustes Mandat, um Zivilisten zu schützen. Sie sind dann autorisiert, alles zu tun, um die Bevölkerung zu schützen."
    Kein Einspruch vom UNO-Experten Professor Weiss. Im Gegenteil.
    "Sie werden immer noch Friedenstruppen genannt, obwohl es meist gar keinen Frieden mehr gibt, wenn sie kommen. Sie haben nun Möglichkeiten und Waffen, von denen sie früher nicht einmal träumen konnten."
    Luftaufklärung, moderne Kommunikation, gepanzerte Fahrzeuge - zum Beispiel. Aber, dann hat Weiss doch noch ein "Aber". Die Missionen seien inzwischen, zynisch gesagt, eine Art Getto für Soldaten aus der Dritten Welt geworden. Wenn es bei Einsätzen um Lebensgefahr gehe, finde man praktisch keine Soldaten aus westlichen Ländern. Das bedeute aber auch: oftmals schlechte Ausbildung und wenig Erfahrung.
    Uneinigkeit im Sicherheitsrat plus Vetorecht - das ist die größte Bremse der Vereinten Nationen. Denn ohne Entscheidung dieses Gremiums auch keine Friedenstruppen. So bleiben den UNO oft nur Appelle. Ein Leben in Frieden und Würde zu ermöglichen - das sei die gemeinsame Verantwortung der Weltgemeinschaft, so Jan Eliasson, und die beste Würdigung der Opfer von Srebrenica.