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Massenplage: Abo-Fallen im Internet

Immer mehr Betrüger versuchen, mit scheinbar kostenfreien Downloadangeboten im Netz Kasse zu machen. Jeder zehnte Internetnutzer, so die Verbraucherzentralen, sei schon einmal Opfer einer Kostenfalle geworden. Das Hamburger Landgericht verurteilte jetzt acht Angeklagte wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs.

Von Verena Herb | 21.03.2012
    Fast 70.000 Internetnutzer sollen sie geprellt – und fünf Millionen Euro ergaunert haben: Acht Angeklagte, die am Morgen vom Hamburger Landgericht verurteilt wurden, wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs und Verstößen gegen das Urheber- und Markenrecht. Der Haupttäter, ein 28-jähriger Mann, muss für drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis, fünf seiner Mitangeklagten erhielten Bewährungs- und Geldstrafen, ein Mann wurde verwarnt. Internetkriminalität, Abzocke mit sogenannten Abo-Fallen seien eine Massenplage in Deutschland, sagt Günter Hörmann, Leiter der Verbraucherzentrale Hamburg:

    "Es ist sehr gut, dass jetzt mal die bösen Buben – jedenfalls einige der bösen Buben hier erwischt worden sind strafrechtlich. Das ist eine Ausnahme. So etwas gab es bisher erst einmal, meines Wissens in Deutschland. Dass hier ein Strafverfahren durchgeführt worden ist: meistens geht es, wenn überhaupt, um zivilrechtliche Auseinandersetzungen."

    Nicht so in diesem Fall: Bereits seit Oktober hatte die Wirtschaftskammer des Landesgerichts in einem Strafprozess gegen die Gruppe verhandelt – laut Anklage sollen sie von Juli 2007 bis Februar 2010 mit diversen Scheinfirmen sogenannte Downloadportale im Internet betrieben haben. Eigentlich kann dort Software kostenlos runtergeladen werden – doch die Bande soll mehrere hunderttausend Menschen auf ihre eigenen, trickreich gestalteten Internetangebote gelenkt haben. Die Nutzer surfen arglos auf einer Seite, auf der man Routen planen, Kochrezepte studieren oder vermeintlich kostenlose Software heruntergeladen kann. Unbemerkt schließen sie dabei einen Abo-Vertrag – und bekommen wenig später eine Rechnung nach Hause geschickt. Günter Hörmann:

    "Meist geht es ja darum, dass diese Abo-Fallenbetreiber Geld vom Verbraucher haben wollen für eine Nullleistung. Die noch dazu nicht richtig annonciert worden ist im Internet. Also weder die Preise noch die Konditionen."

    Die Masche ist immer die gleiche: Auf den Internetseiten wimmelt es von blinkenden Hinweisen wie "Kostenlos", "Free" oder "Gratis" – und schon durch die Eingabe ihrer Daten und einer Anmeldung per Mausklick schließen die Internetnutzer ein Abonnement ab – ohne zu wissen, dass es etwas kostet. Die Hinweise stehen meist nur versteckt am Rand. Zahlungsaufforderungen zwischen 60 und 100 Euro flattern dann dem User in den Briefkasten. Wenn man nicht zahlen will, verschickt - wie jetzt auch im Fall der Hamburger Bande – ein Rechtsanwalt Mahnscheiben. Viele Verbraucher zahlen dann auch, weiß Verbraucherschützer Günter Hörmann:

    "Die Verbraucher lassen sich häufig einschüchtern durch Inkasso-Briefe. Durch Anwaltsschreiben. Das ist eine gesteigerte Dramatisierungsstrategie, die dahinter steckt. Und man sagt sich: Irgendwann werden die Leute schon zahlen. Das ist eben das Geschäftsmodell."

    Und ein lukratives noch dazu: Bei den deutschen Verbraucherzentralen gehen Monat für Monat rund 22.000 Beschwerden über Kostenfallen im Internet ein. Jeder zehnte Internetnutzer, so die Verbraucherschützer, sei schon einmal Opfer einer Kostenfalle geworden.

    "Das heißt, es geht um einen Milliardenmarkt."

    Deshalb der Rat der Verbraucherzentralen: Stur bleiben.

    "Nicht zahlen. Man braucht auch gar nicht zu antworten. Das Wichtigste ist, am Ende nicht zahlen. Die werden auch nicht vor Gericht gehen. Weil sie wissen, es gibt genug Doofe die zahlen. Das ist unser Verdienst."

    Der Bundestag hat Anfang des Monats ein Gesetz verabschiedet, laut dem Unternehmen bei Online-Bestellungen ihre Kunden fortan mit einem Warnbutton auf die Kosten hinweisen müssen. Internetseiten müssen nun so gestaltet werden, dass Verbraucher mit einem Klick ausdrücklich bestätigen müssen, dass sie die Warnung vor den Kosten gesehen haben. Erst wer den Button klickt, schließt den Vertrag ab. Eine Regelung in Deutschland ist ein erster Schritt: Denn auf Initiative des Bundesjustizministeriums findet die Buttonlösung nun auch Eingang in die europäische Richtlinie für Verbraucherrechte. Der Europäische Rat wird darüber wohl im September entscheiden. Doch bis dass die Richtlinie auch in den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU umgesetzt wird, kann es noch dauern.