Höhn: Guten Morgen Herr Wagener.
Wagener: Frau Höhn, 400.000 Rinder sollen jetzt geschlachtet werden. Wie steht es denn bei Ihnen mit den moralischen Bedenken in dieser Angelegenheit?
Höhn: Natürlich habe ich dort moralische und auch ethische Bedenken, weil das eine große Auseinandersetzung damit ist: wie gehen wir mit Tieren um, wie gehen wir mit dem Tierschutz um. Auch die Bundesverbraucherschutzministerin und Landwirtschaftsministerin Renate Künast hat diese Bedenken. Deshalb finde ich sollten wir alle Möglichkeiten suchen und nutzen, denn nicht die Tatsache, dass die Tiere geschlachtet werden - das ist ja ihr Schicksal -, sondern die Tatsache, dass das Fleisch eben ein genusstaugliches Fleisch ist, das sich auch von nichts anderem unterscheidet, also das Fleisch, was in die Lebensmittelkette kommt, muss im Mittelpunkt unseres Interesses stehen. Deshalb gibt es mehrere Vorschläge, unter anderem den, dass man das eingelagerte Fleisch, was nicht getestet ist, was zum Beispiel auch noch Risikomaterial enthält, weil es vor Oktober eingelagert wurde, aus Sicherheitsgründen vernichtet und dafür das Fleisch dieser Tiere einlagert.
Wagener: Aber 400.000 Rinder zum Schlachthof, weil vielleicht ein paar Dutzend BSE-infizierte darunter sind, was gibt es denn dort an konkreten Möglichkeiten?
Höhn: Das ist schon eine konkrete Möglichkeit, das jetzt eingelagerte Fleisch zu ersetzen. Immerhin gibt es EU-weit ungefähr eine Million Tonnen Rindfleisch und wenn man bedenkt, dass man mehr als drei Rinder braucht, um eine Tonne Fleisch ohne Knochen zusammenzubekommen, dann wären das schon über drei Millionen Rinder, die dort eingelagert werden müssten. Die gesamte Aktion der EU umfasst 1,5 Millionen, und die meisten anderen Länder testen ja gar nicht. Wenn man das auf Deutschland herunterbricht, ist diese Menge an Rindfleisch von diesen Tieren lange nicht das, was wir an gesamter Lagerungskapazität haben.
Wagener: Aber eine reine BSE-Prophylaxe ist die Schlachtaktion ja mitnichten, sondern ausschließlich eine Maßnahme zur Preisstabilität?
Höhn: Es ist richtig und klar, dass es hier nicht um den Schutz der Menschen geht, sondern um die Preisstabilität. Das ist auch der eigentliche Grund der Aktion gewesen. Deshalb ja auch die großen ethischen und moralischen Bedenken, die Sie zurecht angesprochen haben. Wenn wir dieses Fleisch aber letztendlich doch dadurch retten, dass wir es einlagern und dann auch in die Lebensmittelkette geben, wenn wir also vermeiden, dass das Fleisch vernichtet wird, dann hätten wir für diese ethischen und moralischen Bedenken eine gute Lösung gefunden, die auch von allen akzeptiert wird.
Wagener: Gestritten wird jetzt auch heftig über die Kostenfrage: wer soll diese Schlachtaktion und auch die Tiermehlvernichtung bezahlen. Was halten Sie denn von dem Vorschlag des CDU-Ministerpräsidenten in Thüringen, dass der Bund 60 Prozent dieser anfallenden Kosten übernehmen soll?
Höhn: Bei diesen beiden Fällen ist es sogar so, dass der Bund mehr übernehmen wird, und zwar deshalb, weil diese gesamte Schlachtaktion - und das ist auch unstreitig - von EU und Bund bezahlt wird. Es ist so, dass der Bund sich jetzt schon bereit erklärt hat, bei den Altbeständen von Tiermehl fast 50 Prozent der Kosten zu bezahlen. Man streitet zwar noch darüber, wie teuer das wirklich ist, aber wenn man das realistisch sieht, wird das also erheblich mehr sein als 60 Prozent, was der Bund jetzt schon anbietet. Entscheidend sind Kosten, die dauerhaft entstehen durch das Verbot von Tiermehl. Darüber gibt es noch gar keine Lösung. Es handelt sich hierbei um die Schlachtabfälle, die jetzt nicht mehr zu Tiermehl gemacht werden, sondern verwertet werden in Müllverbrennungsanlagen oder Zementwerken. Es geht aber auch um die Mehrkosten bei verendeten Tieren, die auch dadurch anfallen, dass die nicht mehr zu Tiermehl gemacht werden, also genau dasselbe wie bei Schlachtabfällen. Das sind mehrere hundert Millionen Mark pro Jahr, die anfallen, und darüber geht der eigentliche Streit, weil die Länder sagen, das können wir nicht bezahlen. Momentan zahlen es im wesentlichen die Bauern, obwohl beim Tiermehlverbot die Rinderhalter eigentlich gar nicht davon betroffen sind, weil es die Schweine- und Geflügelhalter sind, und teilweise eben auch die Metzger.
Wagener: Könnte man den Bauern in diesem konkreten Zusammenhang nicht die sogenannte Milchquote erlassen? Das heißt sie werden ja im Moment bestraft, wenn sie ihre Quote an der Obergrenze überschreiten. Könnte das nicht auf Zeit wegfallen, um ihnen konkret jetzt zu helfen?
Höhn: Das was wir überlegt haben sind letzten Endes Möglichkeiten, wie können wir in Zukunft den Fleischmarkt entlasten, denn wir reden jetzt über die 400.000 Tiere. Wenn wir jetzt nichts tun und wenn wir jetzt nicht dafür sorgen, dass wir in Zukunft weniger Rind- und Kalbfleisch auf dem Markt bekommen, dann werden wir das Problem verschärft in einem oder anderthalb Jahren noch einmal haben. Da muss ich sagen muss man vorbeugen und sich jetzt schon etwas überlegen. Sonst wird man zurecht in die Kritik kommen. Von daher gibt es ja die Überlegung zu sagen, wir können eine Lösung finden, dass Rinder früher geschlachtet werden mit einem geringeren Schlachtgewicht und auch Kälber. Das heißt nicht, dass Kälber direkt nach der Geburt getötet werden sollen, die sogenannte Herodes-Prämie, die es schon einmal auf EU-Ebene gegeben hat und die auch von anderen Ländern genutzt worden ist, nicht von Deutschland. Dagegen sind wir alle. Wir sagen jedoch, dass diese Tiere etwas früher geschlachtet werden als bisher und damit ein geringeres Schlachtgewicht auf die Waage bringen.
Wagener: Von dieser Kappung der Milchquote am oberen Ende, wie es der Landwirtschaftsminister von Bayern vorgeschlagen hat, halten Sie nicht viel?
Höhn: Ich habe mit Herrn Fischler auch über die Milchquote geredet. Es gibt auch mehrere Möglichkeiten, die man dort hätte. Man kann sich zum Beispiel überlegen, dass man eine solche Aktion auch damit verbindet, dass ein Teil der Milchquote zurückgegeben wird, zum Beispiel auch an den Staat, und dass der Staat dann in späteren Zeiten, wenn sich die Lage wieder normalisiert hat, diese Milchquote wieder zusammen mit Vertragsnaturschutzmaßnahmen, also Bauern, die extensivieren, verbindet. Da gibt es also sehr, sehr viele Möglichkeiten, das über die Milchquote selber zu machen. Wie man das ausgestaltet, das ist sehr unterschiedlich, aber das Ziel muss sein, die Menge des Fleisches zu mindern und damit eben mittel- und langfristig den Fleischmarkt wieder zu stabilisieren.
Wagener: Ein wenig Zeit haben wir noch, Frau Höhn. Es gibt diesen bösen Spruch "fällt den Grünen etwas ein, muss es eine Steuer sein". Kann es sein, dass es eine neue Steuer gibt, um das ganze bezahlen zu können?
Höhn: Ich muss ehrlich sagen, mir ist es relativ egal wie man das Kind nennt, aber das Problem ist, dass wir einmal die Entsorgung des Tiermehls vor Schlachtabfällen und bei verendeten Tieren haben und zweitens die Schnelltests. Diese beiden großen Blöcke haben wir auf lange Frist. Jetzt gibt es mehrere Möglichkeiten. Wenn der Staat das zahlen sollte, übernehmen sollte, dann wäre das eine zusätzliche Subvention der Landwirtschaft, die ein Stück auch zu Preisverfälschungen führt. Wir haben bei Fleisch jetzt eine neue Qualität, dadurch dass wir das Tiermehl eben nicht mehr verwenden bei der Fütterung. Das ist eine riesen neue Qualität und damit sind auch höhere Kosten verbunden. Wie auch immer wir das hinbekommen, wir müssen es schnell hinbekommen, denn momentan tragen wenige die Last, insbesondere rinderhaltende Betriebe. Wenn wir das noch ein paar Wochen mitmachen, dann werden viele von denen aufgeben und das wäre sogar auch ganz negativ für die Verbraucher, denn dann würde später eine Struktur entstehen, die wir alle nicht wollen.
Wagener: Frau Höhn, recht herzlichen Dank für dieses Gespräch. - Bärbel Höhn, NRW-Umweltministerin von Bündnis 90/Die Grünen war das.
Link: Interview als RealAudio
Wagener: Frau Höhn, 400.000 Rinder sollen jetzt geschlachtet werden. Wie steht es denn bei Ihnen mit den moralischen Bedenken in dieser Angelegenheit?
Höhn: Natürlich habe ich dort moralische und auch ethische Bedenken, weil das eine große Auseinandersetzung damit ist: wie gehen wir mit Tieren um, wie gehen wir mit dem Tierschutz um. Auch die Bundesverbraucherschutzministerin und Landwirtschaftsministerin Renate Künast hat diese Bedenken. Deshalb finde ich sollten wir alle Möglichkeiten suchen und nutzen, denn nicht die Tatsache, dass die Tiere geschlachtet werden - das ist ja ihr Schicksal -, sondern die Tatsache, dass das Fleisch eben ein genusstaugliches Fleisch ist, das sich auch von nichts anderem unterscheidet, also das Fleisch, was in die Lebensmittelkette kommt, muss im Mittelpunkt unseres Interesses stehen. Deshalb gibt es mehrere Vorschläge, unter anderem den, dass man das eingelagerte Fleisch, was nicht getestet ist, was zum Beispiel auch noch Risikomaterial enthält, weil es vor Oktober eingelagert wurde, aus Sicherheitsgründen vernichtet und dafür das Fleisch dieser Tiere einlagert.
Wagener: Aber 400.000 Rinder zum Schlachthof, weil vielleicht ein paar Dutzend BSE-infizierte darunter sind, was gibt es denn dort an konkreten Möglichkeiten?
Höhn: Das ist schon eine konkrete Möglichkeit, das jetzt eingelagerte Fleisch zu ersetzen. Immerhin gibt es EU-weit ungefähr eine Million Tonnen Rindfleisch und wenn man bedenkt, dass man mehr als drei Rinder braucht, um eine Tonne Fleisch ohne Knochen zusammenzubekommen, dann wären das schon über drei Millionen Rinder, die dort eingelagert werden müssten. Die gesamte Aktion der EU umfasst 1,5 Millionen, und die meisten anderen Länder testen ja gar nicht. Wenn man das auf Deutschland herunterbricht, ist diese Menge an Rindfleisch von diesen Tieren lange nicht das, was wir an gesamter Lagerungskapazität haben.
Wagener: Aber eine reine BSE-Prophylaxe ist die Schlachtaktion ja mitnichten, sondern ausschließlich eine Maßnahme zur Preisstabilität?
Höhn: Es ist richtig und klar, dass es hier nicht um den Schutz der Menschen geht, sondern um die Preisstabilität. Das ist auch der eigentliche Grund der Aktion gewesen. Deshalb ja auch die großen ethischen und moralischen Bedenken, die Sie zurecht angesprochen haben. Wenn wir dieses Fleisch aber letztendlich doch dadurch retten, dass wir es einlagern und dann auch in die Lebensmittelkette geben, wenn wir also vermeiden, dass das Fleisch vernichtet wird, dann hätten wir für diese ethischen und moralischen Bedenken eine gute Lösung gefunden, die auch von allen akzeptiert wird.
Wagener: Gestritten wird jetzt auch heftig über die Kostenfrage: wer soll diese Schlachtaktion und auch die Tiermehlvernichtung bezahlen. Was halten Sie denn von dem Vorschlag des CDU-Ministerpräsidenten in Thüringen, dass der Bund 60 Prozent dieser anfallenden Kosten übernehmen soll?
Höhn: Bei diesen beiden Fällen ist es sogar so, dass der Bund mehr übernehmen wird, und zwar deshalb, weil diese gesamte Schlachtaktion - und das ist auch unstreitig - von EU und Bund bezahlt wird. Es ist so, dass der Bund sich jetzt schon bereit erklärt hat, bei den Altbeständen von Tiermehl fast 50 Prozent der Kosten zu bezahlen. Man streitet zwar noch darüber, wie teuer das wirklich ist, aber wenn man das realistisch sieht, wird das also erheblich mehr sein als 60 Prozent, was der Bund jetzt schon anbietet. Entscheidend sind Kosten, die dauerhaft entstehen durch das Verbot von Tiermehl. Darüber gibt es noch gar keine Lösung. Es handelt sich hierbei um die Schlachtabfälle, die jetzt nicht mehr zu Tiermehl gemacht werden, sondern verwertet werden in Müllverbrennungsanlagen oder Zementwerken. Es geht aber auch um die Mehrkosten bei verendeten Tieren, die auch dadurch anfallen, dass die nicht mehr zu Tiermehl gemacht werden, also genau dasselbe wie bei Schlachtabfällen. Das sind mehrere hundert Millionen Mark pro Jahr, die anfallen, und darüber geht der eigentliche Streit, weil die Länder sagen, das können wir nicht bezahlen. Momentan zahlen es im wesentlichen die Bauern, obwohl beim Tiermehlverbot die Rinderhalter eigentlich gar nicht davon betroffen sind, weil es die Schweine- und Geflügelhalter sind, und teilweise eben auch die Metzger.
Wagener: Könnte man den Bauern in diesem konkreten Zusammenhang nicht die sogenannte Milchquote erlassen? Das heißt sie werden ja im Moment bestraft, wenn sie ihre Quote an der Obergrenze überschreiten. Könnte das nicht auf Zeit wegfallen, um ihnen konkret jetzt zu helfen?
Höhn: Das was wir überlegt haben sind letzten Endes Möglichkeiten, wie können wir in Zukunft den Fleischmarkt entlasten, denn wir reden jetzt über die 400.000 Tiere. Wenn wir jetzt nichts tun und wenn wir jetzt nicht dafür sorgen, dass wir in Zukunft weniger Rind- und Kalbfleisch auf dem Markt bekommen, dann werden wir das Problem verschärft in einem oder anderthalb Jahren noch einmal haben. Da muss ich sagen muss man vorbeugen und sich jetzt schon etwas überlegen. Sonst wird man zurecht in die Kritik kommen. Von daher gibt es ja die Überlegung zu sagen, wir können eine Lösung finden, dass Rinder früher geschlachtet werden mit einem geringeren Schlachtgewicht und auch Kälber. Das heißt nicht, dass Kälber direkt nach der Geburt getötet werden sollen, die sogenannte Herodes-Prämie, die es schon einmal auf EU-Ebene gegeben hat und die auch von anderen Ländern genutzt worden ist, nicht von Deutschland. Dagegen sind wir alle. Wir sagen jedoch, dass diese Tiere etwas früher geschlachtet werden als bisher und damit ein geringeres Schlachtgewicht auf die Waage bringen.
Wagener: Von dieser Kappung der Milchquote am oberen Ende, wie es der Landwirtschaftsminister von Bayern vorgeschlagen hat, halten Sie nicht viel?
Höhn: Ich habe mit Herrn Fischler auch über die Milchquote geredet. Es gibt auch mehrere Möglichkeiten, die man dort hätte. Man kann sich zum Beispiel überlegen, dass man eine solche Aktion auch damit verbindet, dass ein Teil der Milchquote zurückgegeben wird, zum Beispiel auch an den Staat, und dass der Staat dann in späteren Zeiten, wenn sich die Lage wieder normalisiert hat, diese Milchquote wieder zusammen mit Vertragsnaturschutzmaßnahmen, also Bauern, die extensivieren, verbindet. Da gibt es also sehr, sehr viele Möglichkeiten, das über die Milchquote selber zu machen. Wie man das ausgestaltet, das ist sehr unterschiedlich, aber das Ziel muss sein, die Menge des Fleisches zu mindern und damit eben mittel- und langfristig den Fleischmarkt wieder zu stabilisieren.
Wagener: Ein wenig Zeit haben wir noch, Frau Höhn. Es gibt diesen bösen Spruch "fällt den Grünen etwas ein, muss es eine Steuer sein". Kann es sein, dass es eine neue Steuer gibt, um das ganze bezahlen zu können?
Höhn: Ich muss ehrlich sagen, mir ist es relativ egal wie man das Kind nennt, aber das Problem ist, dass wir einmal die Entsorgung des Tiermehls vor Schlachtabfällen und bei verendeten Tieren haben und zweitens die Schnelltests. Diese beiden großen Blöcke haben wir auf lange Frist. Jetzt gibt es mehrere Möglichkeiten. Wenn der Staat das zahlen sollte, übernehmen sollte, dann wäre das eine zusätzliche Subvention der Landwirtschaft, die ein Stück auch zu Preisverfälschungen führt. Wir haben bei Fleisch jetzt eine neue Qualität, dadurch dass wir das Tiermehl eben nicht mehr verwenden bei der Fütterung. Das ist eine riesen neue Qualität und damit sind auch höhere Kosten verbunden. Wie auch immer wir das hinbekommen, wir müssen es schnell hinbekommen, denn momentan tragen wenige die Last, insbesondere rinderhaltende Betriebe. Wenn wir das noch ein paar Wochen mitmachen, dann werden viele von denen aufgeben und das wäre sogar auch ganz negativ für die Verbraucher, denn dann würde später eine Struktur entstehen, die wir alle nicht wollen.
Wagener: Frau Höhn, recht herzlichen Dank für dieses Gespräch. - Bärbel Höhn, NRW-Umweltministerin von Bündnis 90/Die Grünen war das.
Link: Interview als RealAudio