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Massive Kritik an Toll Collect

Friedbert Meurer: Für Daimler-Benz und die Telekom sollte sie ein Prestigeobjekt werden und natürlich ein wirtschaftlicher Erfolg: die LKW-Maut. Die beiden renommierten Konzerne sind die Hauptgesellschafter von Toll Collect, das die elektronische Erfassung der LKW-Gebühr auf deutschen Autobahnen im großen Stil organisieren soll. Aber die LKW-Maut ist geeignet, Ruf und Geldbeutel der Konzerne massiv zu beschädigen. Also soll jetzt der Geschäftsführer von Toll Collect, Michael Rummel, seinen Sessel räumen, heißt es. Darüber möchte ich mich mit Hermann Grewer unterhalten, dem Präsidenten des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung. Guten Morgen, Herr Grewer.

    Hermann Grewer: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Sind Ihrer Meinung nach personelle Veränderungen bei Toll Collect überfällig?

    Grewer: Ich weiß nicht, ob sie überfällig sind, dazu kenne ich die Struktur von Toll Collect zu wenig. Fakt ist jedenfalls, dass die Geschäftsführer von Toll Collect, ich sage es mal ganz vorsichtig, mit der Wahrheit sehr großzügig umgegangen sind, als sie aus ihren Bereichen berichteten und von den Möglichkeiten, die sie haben.

    Meurer: An welchen Stellen ist durch Toll Collect ein bisschen an der Wahrheit vorbeigeredet worden?

    Grewer: Es wurde bis kurz vor der Verschiebung zum 31.8. noch behauptet, es sei alles in Ordnung, es gäbe überhaupt keine Probleme, es wären nur zu wenige Geräte verfügbar, das würde man sehr schnell ändern. Dann, jetzt kurz vor der neuerlichen Verschiebung, die sich abzeichnete, war immer noch zu hören: "Wir haben bis zum 2. November alles im Griff. Es ist nur noch eine kleine Sache der Software, wir müssen zehn Prozent der Geräte austauschen, die haben wir identifiziert, da müssen wir ein bisschen Ecken und Kanten schleifen." Zehn Prozent der Geräte waren von damals 75.000 eingebauten Geräten dann 20.000, die neuerliche Zahl sagt, es sind 150.000 Geräte verbaut worden, davon müssen 35.000 ausgetauscht werden. Man hört dort jeden Tag andere Zahlen und das ist eine Politik, die kann nicht gut gehen.

    Meurer: Wie hat denn die Toll Collect-Spitze darauf reagiert, wenn Sie gesagt haben, Leute, so optimistisch sieht es nicht aus?

    Grewer: Das wurde dann beschwichtigt, man hat gesagt, wir haben den engeren Einblick, das klappt alles, das ist alles in bester Hand.

    Meurer: War das Optimismus oder sozusagen vorsätzliches Wegesehen an dem Problem vorbei?

    Grewer: Ich vermute schon fast, es war Verzweiflung, denn man hat diese Dinge ja nicht in den Griff bekommen und es wird jetzt davon abhängen, was eigentlich wirklich schiefgelaufen ist und kaputt, denn davon wird abhängen, wann die Maut denn endgültig eingeführt werden kann. Wenn grundsätzliche Basisdinge neu geregelt werden müssen, wird es noch sehr lange dauern.

    Meurer: Bisher wurde ja mit dem Zeigefinger bei der Suche nach dem Schuldigen eher nach Berlin gezeigt zum Bundesverkehrsministerium und dem derzeitigen Amtsinhaber Manfred Stolpe und vor allem auch zu seinem Vorgänger Kurt Bodewig. War das die falsche Adresse, ist der Hauptverursacher der Probleme letztlich doch der Betreiber?

    Grewer: Die Politik hat ein gerüttelt Maß mit Schuld daran, weniger der Minister Stolpe, der ja jetzt sozusagen erst in der Endphase ins Bild gekommen ist. Aber die davorliegende Politik, wenn Sie mal überlegen, wie das Bieterverfahren gelaufen ist. Es hat sich eine Bietergemeinschaft zweimal erfolgreich ins Verfahren zurückklagen können, da ist unendlich viel Zeit vergangen, die man besser zur Entwicklung dieses Systems genutzt hätte.

    Meurer: Wurde da durch Lobbyarbeit Daimler und Telekom der Auftrag zugeschanzt?

    Grewer: Ich weiß nicht, ob das nur alleine Lobbyarbeit ist. Sie dürfen nicht vergessen, dass der Herr Eichel auch Telekom-Aktien verkaufen wollte.

    Meurer: Also durchaus im Interesse der Bundesregierung selbst, diese Entscheidung ?

    Grewer: Es gab sonst keine Erklärung dafür, dass man so schnell Zuschläge verteilt hat, die rechtlich nicht haltbar waren.

    Meurer: Wenn es bei Toll Collect Veränderungen an der Spitze gibt, was erwarten Sie von der neuen Geschäftsführung?

    Grewer: Wir erwarten zunächst auf jeden Fall Offenheit, dass man klar über Probleme redet, mit uns, der Politik, wesentlich ehrlicher umgeht und vor allen Dingen grundsätzlich die Dinge bespricht und miteinander versucht, anzupacken. Denn diese Geheimniskrämerei, die dort betrieben worden ist, hat zu nichts Gutem geführt, wie Sie sehen.

    Meurer: Was sind denn jetzt noch die entscheidenden Probleme?

    Grewer: Einfach diejenigen, dass die Geräte nicht funktionieren. Wir haben aus den neuesten Umfragen in unserer Unternehmerschaft erfahren, dass jedes fünfzehnte Gerät funktioniert und das ist eine Quote, die nicht mal diskutabel geschweige denn akzeptabel ist.

    Meurer: Ist es denn da hilfreich, wenn Sie oder Ihr Verband jetzt damit drohen, den Probebetrieb zu boykottieren?

    Grewer: Wir drohen überhaupt noch mit einem Boykott, das wird fälschlich so unterstellt, aber es ist doch klar, wenn ich als Unternehmer – und jetzt spreche ich wirklich mal als betroffener Unternehmer – wenn ich zur Werkstatt fahren und Geräte einbauen soll, von denen ich weiß, dass sie nicht funktionieren und muss dann mit meinem Fahrzeug, was sehr teuer ist, erneut in die Werkstatt, um dieses Ding auszutauschen, ohne zu wissen, ob es dann funktioniert, dann lass ich es doch und warte, bis ich sicher bin, dass die Geräte funktionieren und dann baue ich sie ein.

    Meurer: Wie lange soll denn Ihrer Meinung nach noch gewartet werden?

    Grewer: Wir müssen Anzeichen haben, dass die Geräte funktionieren. Dann werden wir in eine ernsthafte Testphase eintreten können, denn mit nicht funktionierenden Geräten oder einem Würfelspiel, sage ich mal, kann man nicht ernsthaft testen.

    Meurer: Es scheint ja so zu sein, dass man in Berlin im Moment damit rechnet, dass es etwa um Ostern herum den Startschuss für die Maut geben könnte. Mit welchem Termin rechnen Sie?

    Grewer: Das ist sehr schwer zu sagen, ich sagte Ihnen ja, das hängt sehr davon ab, wie tiefgreifend die Fehler sind, die im System stecken. Ostern ist ein gutes Datum, ein Hase legt möglicherweise goldene Eier. Ich halte dieses Datum nicht für unmöglich.

    Meurer: Ein anderes Thema beschäftigt die Abgeordneten des Verkehrsausschusses und –ministeriums, nämlich die Betreibergesellschaft Toll Collect soll verpflichtet werden oder ihre Zustimmung dazu erteilen, dass die Verträge offengelegt werden. Warum tun die Konzerne sich so schwer mit der Offenlegung?

    Grewer: In diesen Verträgen werden sicherlich auch Nebenkriegsschauplätze geregelt, wie zum Beispiel Entlohnung der Geschäftsführer und Beteiligten, Strafen, Konventionalstrafen und so weiter und da sind sicherlich eine Menge Dinge drin, die für die Öffentlichkeit auch nicht ganz so interessant sein dürften.

    Meurer: Haben Sie mal in die Verträge schauen können?

    Grewer: Nein.

    Meurer: Das war Hermann Grewer, der Präsident des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung. Ich bedanke mich bei Ihnen, auf Wiederhören.

    Grewer: Danke, Herr Meurer.