Silvia Engels: Mitgehört hat Herbert Buscher, er leitet den Bereich Arbeitsmarkt beim Wirtschaftsforschungsinstitut Halle. Guten Tag, Herr Buscher.
Herbert Buscher: Guten Tag, Frau Engels.
Engels: Wird dieser Reformschritt nun helfen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren?
Buscher: Nein, wie gesagt, per se ist er nur der formale Rahmen, in dem die neue Vermittlung stattfinden muss. Jetzt müssen die Jobcenter geschaffen werden, jetzt muss das Personal eingestellt werden, die Betreuungsdichte muss runter, ansonsten kann man keine neuen Arbeitsplätze schaffen.
Engels: Die Arbeit sollte ja auch billiger werden. Werden denn also in Zukunft mehr Jobs angeboten?
Buscher: Das ist die Frage, ob die Wirtschaft bereit ist, dieses Reformpaket anzunehmen, weil jetzt die Wirtschaft im Wesentlichen gefordert ist. Die wird natürlich nicht alle Arbeitslosengeld-II-Empfänger aufnehmen können, also wird auch ein zweiter Arbeitsmarkt erforderlich sein, insbesondere in den neuen Bundesländern und da werden die Kommunen und auch eben die staatlichen Stellen entsprechend aktiv werden müssen.
Engels: Wir haben es gerade gehört, die Arbeitslosen sollen nicht abstürzen sondern besser vermittelbar sein. Ist das denn im Osten überhaupt realisierbar, wo ja einfach die Jobs fehlen?
Buscher: Es gibt ja Regionen, wo das beim besten Willen nicht machbar ist, weil da auf eine freie Stelle 28 Personen kommen. Es gibt wirklich sehr dünn besiedelte Regionen, wo man keine Arbeitsplätze findet, da wird man sich andere Möglichkeiten überlegen müssen über kommunale Beschäftigungsgesellschaften, wenn Hartz IV erfolgreich umgesetzt werden soll.
Engels: Haben Sie Schätzungen, wie viele Menschen in Ostdeutschland sich durch diese Reform schlechter stellen werden?
Buscher: Wir gehen davon aus, dass es zwischen 800.000 und 900.000 Personen sein werden, also die ganzen Arbeitslosengeld-II-Empfänger und Langzeitarbeitslosen, die liegen in dieser Größenordnung und die werden entsprechend auch mit Einnahme- oder Einkommenseinbußen rechnen müssen.
Engels: Bundestagspräsident Thierse hat ja genau deshalb, durch diese besondere Lage in Ostdeutschland eine Sonderbehandlung eingefordert. Das kam nun gestern bei diesem Kompromiss nicht zustande, ist das ein Versäumnis?
Buscher: Nein, ich glaube, der Gesetzgeber sollte schon die Betroffenen einheitlich behandeln. Wenn, dann müssten eventuell die entsprechenden Landesregierungen weitere Programme auflegen, zusätzlich was für die Arbeitsmarktvermittlung tun. Jetzt hier eine Sonderzone Ost schaffen, das würde das Problem nicht lösen, weil das Problem sind ja im Wesentlichen die fehlenden Arbeitsplätze in dem Bereich.
Engels: Dann kommen wir mal konkret auf diese Problematik der Vermittlung zu sprechen. Diese Vereinbarungen gestern, Sie haben es angesprochen, betreffen ja vor allem die technische Abwicklung und die Zuständigkeit. Wer kann denn aus Ihrer Sicht besser Langzeitarbeitslose vermitteln und betreuen, die Kommunen oder die Bundesagentur für Arbeit?
Buscher: Die Kommunen haben sicherlich einen Vorteil, wenn sie vor Ort vermitteln können und wenn die Möglichkeit besteht, die Langzeitarbeitslosen eben in einem lokalen, engen Kreis zu vermitteln. Die Bundesagentur hat den Vorteil, dass sie auch überregional, zum Beispiel ins Ausland vermitteln kann und das dürfte insbesondere bei der Problemgruppe wichtiger sein, dass man sagen muss, ok, es wäre eigentlich sinnvoller das bei der BA anzusiedeln, weil es sich hier sehr stark um Problemfälle handelt.
Engels: Sie sagen, eher bei der Bundesagentur ansiedeln, nun haben die Politiker gestern beschlossen, dass 69 Landkreise und Städte die Vermittlung in Eigenregie betreiben sollten. Geht das gut oder sind dann die Arbeitslosen Versuchskaninchen?
Buscher: Wir haben ja solche Fälle, es gibt ja auch Städte, die schon aktiv mit den Arbeitsämtern kooperiert hatten und auch in dem Sinne mit der Vermittlung erfolgreich waren, dass sie betreut haben, intensiver betreut haben und da sieht man eigentlich, dass die Betreuung wichtig ist und nicht unbedingt die Stelle, die es macht. Aber, das heißt immer nur, es wurde ein geringer Teil von Sozialhilfeempfängern oder Langzeitarbeitslosen in Beschäftigung vermittelt und das ist das Problem. Das war früher ein Problem und wird auch jetzt ein Problem bleiben und deswegen sollte man es eher gemeinsam probieren als Kommunen und BA in Form von Arbeitsgemeinschaften.
Engels: Nun gab es ja im Vorfeld auch Kritik einfach an der technischen Umsetzung. Denken Sie, dass es noch machbar ist, dass überhaupt Anfang nächsten Jahres die Fälle so bearbeitet sind, dass wenigstens das Geld, was den Arbeitslosen noch zusteht, auch pünktlich ausgezahlt wird?
Buscher: Ich vermute, dass das Geld, was zur Auszahlung kommt, dass das funktionieren wird, sei es abschlagmäßig, dass man entweder nachzahlt oder rückfordert, das müsste eigentlich machbar sein. Das sind auch so die Informationen, die uns von der BA im Großen und Ganzen vorliegen. Es wird natürlich zu Problemfällen kommen in einzelnen Bereichen, wo sehr viele Personen zu betreuen sind, aber insgesamt ist eine riesen Anstrengung erforderlich, um das überhaupt in die Computer zu bekommen, um die Leute umzuschulen, welche Regeln und Gesetze jetzt gelten. Da ist noch ein riesen Arbeitsaufwand zu bewältigen.
Engels: Sie haben sich speziell auch mit dem Arbeitsmarkt in Ostdeutschland befasst. Wagen Sie eine Einschätzung, wie das jetzt bei den Menschen ankommt, ziehen sich da noch mehr zurück und denken, es ist sowieso alles sinnlos oder denken Sie, es kann tatsächlich ein gewisser Ruck auch durch die arbeitslose Bevölkerung gehen und man versucht noch mal etwas?
Buscher: Ich glaube, im Osten wird das sehr stark auf Gegenwehr stoßen, weil man fühlt sich ja sowieso schon benachteiligt was die Arbeitsmarktsituation angeht und die ganz überwiegende Mehrheit von Arbeitslosen möchte gerne arbeiten, findet aber hier in der Region keinen Job und nicht jedem kann man zumuten, auch dann mal nach Westdeutschland zu wandern nur weil dort entsprechende Arbeitsstellen angeboten werden, weil familiäre Bindungen da sind, Hauseigentum und dergleichen. Also, es trifft diesen Personenkreis insbesondere in den ländlichen Bereichen ausgesprochen hart und da wird auch entsprechende Missstimmung aufkommen.
Engels: Hat es schon mal nach Ihrem Überblick einen ähnlich harten Einschnitt in den Sozialleistungen gegeben wie dieses Mal?
Buscher: Seit Bestehen der Bundesrepublik meines Wissens nicht. Da wurden die Sozialleitungen immer ausgebaut, wir hatten ja schon mal den Zwölfmonatsbezug von Arbeitslosengeld, der ist dann immer weiter ausgebaut worden, das wird jetzt wieder rückgängig gemacht. Aber dass wir solche massiven Einschnitte haben, zumal das ja auch nur die erste Hälfte ist, der formale Rahmen ist jetzt gesetzt und jetzt ist die Vermittlung gefordert, die Wirtschaft gefordert, Jobs zur Verfügung zu stellen, das ist einmalig in der Geschichte.
Engels: Herbert Buscher war das, er leitet den Bereich Arbeitsmarkt beim Wirtschaftsforschungsinstitut Halle. Ich bedanke mich herzlichst für das Gespräch.
Buscher: Bitte sehr.
Herbert Buscher: Guten Tag, Frau Engels.
Engels: Wird dieser Reformschritt nun helfen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren?
Buscher: Nein, wie gesagt, per se ist er nur der formale Rahmen, in dem die neue Vermittlung stattfinden muss. Jetzt müssen die Jobcenter geschaffen werden, jetzt muss das Personal eingestellt werden, die Betreuungsdichte muss runter, ansonsten kann man keine neuen Arbeitsplätze schaffen.
Engels: Die Arbeit sollte ja auch billiger werden. Werden denn also in Zukunft mehr Jobs angeboten?
Buscher: Das ist die Frage, ob die Wirtschaft bereit ist, dieses Reformpaket anzunehmen, weil jetzt die Wirtschaft im Wesentlichen gefordert ist. Die wird natürlich nicht alle Arbeitslosengeld-II-Empfänger aufnehmen können, also wird auch ein zweiter Arbeitsmarkt erforderlich sein, insbesondere in den neuen Bundesländern und da werden die Kommunen und auch eben die staatlichen Stellen entsprechend aktiv werden müssen.
Engels: Wir haben es gerade gehört, die Arbeitslosen sollen nicht abstürzen sondern besser vermittelbar sein. Ist das denn im Osten überhaupt realisierbar, wo ja einfach die Jobs fehlen?
Buscher: Es gibt ja Regionen, wo das beim besten Willen nicht machbar ist, weil da auf eine freie Stelle 28 Personen kommen. Es gibt wirklich sehr dünn besiedelte Regionen, wo man keine Arbeitsplätze findet, da wird man sich andere Möglichkeiten überlegen müssen über kommunale Beschäftigungsgesellschaften, wenn Hartz IV erfolgreich umgesetzt werden soll.
Engels: Haben Sie Schätzungen, wie viele Menschen in Ostdeutschland sich durch diese Reform schlechter stellen werden?
Buscher: Wir gehen davon aus, dass es zwischen 800.000 und 900.000 Personen sein werden, also die ganzen Arbeitslosengeld-II-Empfänger und Langzeitarbeitslosen, die liegen in dieser Größenordnung und die werden entsprechend auch mit Einnahme- oder Einkommenseinbußen rechnen müssen.
Engels: Bundestagspräsident Thierse hat ja genau deshalb, durch diese besondere Lage in Ostdeutschland eine Sonderbehandlung eingefordert. Das kam nun gestern bei diesem Kompromiss nicht zustande, ist das ein Versäumnis?
Buscher: Nein, ich glaube, der Gesetzgeber sollte schon die Betroffenen einheitlich behandeln. Wenn, dann müssten eventuell die entsprechenden Landesregierungen weitere Programme auflegen, zusätzlich was für die Arbeitsmarktvermittlung tun. Jetzt hier eine Sonderzone Ost schaffen, das würde das Problem nicht lösen, weil das Problem sind ja im Wesentlichen die fehlenden Arbeitsplätze in dem Bereich.
Engels: Dann kommen wir mal konkret auf diese Problematik der Vermittlung zu sprechen. Diese Vereinbarungen gestern, Sie haben es angesprochen, betreffen ja vor allem die technische Abwicklung und die Zuständigkeit. Wer kann denn aus Ihrer Sicht besser Langzeitarbeitslose vermitteln und betreuen, die Kommunen oder die Bundesagentur für Arbeit?
Buscher: Die Kommunen haben sicherlich einen Vorteil, wenn sie vor Ort vermitteln können und wenn die Möglichkeit besteht, die Langzeitarbeitslosen eben in einem lokalen, engen Kreis zu vermitteln. Die Bundesagentur hat den Vorteil, dass sie auch überregional, zum Beispiel ins Ausland vermitteln kann und das dürfte insbesondere bei der Problemgruppe wichtiger sein, dass man sagen muss, ok, es wäre eigentlich sinnvoller das bei der BA anzusiedeln, weil es sich hier sehr stark um Problemfälle handelt.
Engels: Sie sagen, eher bei der Bundesagentur ansiedeln, nun haben die Politiker gestern beschlossen, dass 69 Landkreise und Städte die Vermittlung in Eigenregie betreiben sollten. Geht das gut oder sind dann die Arbeitslosen Versuchskaninchen?
Buscher: Wir haben ja solche Fälle, es gibt ja auch Städte, die schon aktiv mit den Arbeitsämtern kooperiert hatten und auch in dem Sinne mit der Vermittlung erfolgreich waren, dass sie betreut haben, intensiver betreut haben und da sieht man eigentlich, dass die Betreuung wichtig ist und nicht unbedingt die Stelle, die es macht. Aber, das heißt immer nur, es wurde ein geringer Teil von Sozialhilfeempfängern oder Langzeitarbeitslosen in Beschäftigung vermittelt und das ist das Problem. Das war früher ein Problem und wird auch jetzt ein Problem bleiben und deswegen sollte man es eher gemeinsam probieren als Kommunen und BA in Form von Arbeitsgemeinschaften.
Engels: Nun gab es ja im Vorfeld auch Kritik einfach an der technischen Umsetzung. Denken Sie, dass es noch machbar ist, dass überhaupt Anfang nächsten Jahres die Fälle so bearbeitet sind, dass wenigstens das Geld, was den Arbeitslosen noch zusteht, auch pünktlich ausgezahlt wird?
Buscher: Ich vermute, dass das Geld, was zur Auszahlung kommt, dass das funktionieren wird, sei es abschlagmäßig, dass man entweder nachzahlt oder rückfordert, das müsste eigentlich machbar sein. Das sind auch so die Informationen, die uns von der BA im Großen und Ganzen vorliegen. Es wird natürlich zu Problemfällen kommen in einzelnen Bereichen, wo sehr viele Personen zu betreuen sind, aber insgesamt ist eine riesen Anstrengung erforderlich, um das überhaupt in die Computer zu bekommen, um die Leute umzuschulen, welche Regeln und Gesetze jetzt gelten. Da ist noch ein riesen Arbeitsaufwand zu bewältigen.
Engels: Sie haben sich speziell auch mit dem Arbeitsmarkt in Ostdeutschland befasst. Wagen Sie eine Einschätzung, wie das jetzt bei den Menschen ankommt, ziehen sich da noch mehr zurück und denken, es ist sowieso alles sinnlos oder denken Sie, es kann tatsächlich ein gewisser Ruck auch durch die arbeitslose Bevölkerung gehen und man versucht noch mal etwas?
Buscher: Ich glaube, im Osten wird das sehr stark auf Gegenwehr stoßen, weil man fühlt sich ja sowieso schon benachteiligt was die Arbeitsmarktsituation angeht und die ganz überwiegende Mehrheit von Arbeitslosen möchte gerne arbeiten, findet aber hier in der Region keinen Job und nicht jedem kann man zumuten, auch dann mal nach Westdeutschland zu wandern nur weil dort entsprechende Arbeitsstellen angeboten werden, weil familiäre Bindungen da sind, Hauseigentum und dergleichen. Also, es trifft diesen Personenkreis insbesondere in den ländlichen Bereichen ausgesprochen hart und da wird auch entsprechende Missstimmung aufkommen.
Engels: Hat es schon mal nach Ihrem Überblick einen ähnlich harten Einschnitt in den Sozialleistungen gegeben wie dieses Mal?
Buscher: Seit Bestehen der Bundesrepublik meines Wissens nicht. Da wurden die Sozialleitungen immer ausgebaut, wir hatten ja schon mal den Zwölfmonatsbezug von Arbeitslosengeld, der ist dann immer weiter ausgebaut worden, das wird jetzt wieder rückgängig gemacht. Aber dass wir solche massiven Einschnitte haben, zumal das ja auch nur die erste Hälfte ist, der formale Rahmen ist jetzt gesetzt und jetzt ist die Vermittlung gefordert, die Wirtschaft gefordert, Jobs zur Verfügung zu stellen, das ist einmalig in der Geschichte.
Engels: Herbert Buscher war das, er leitet den Bereich Arbeitsmarkt beim Wirtschaftsforschungsinstitut Halle. Ich bedanke mich herzlichst für das Gespräch.
Buscher: Bitte sehr.